LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7281 11.11.2014 Datum des Originals: 10.11.2014/Ausgegeben: 14.11.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2783 vom 11. Oktober 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/7021 Denkbarer Verstoß der städtischen Essener Servicegesellschaft RGE gegen Auflagen der gemeindewirtschaftlichen Betätigung und Reaktion der Bezirksregierung – Welche Konsequenzen drohen der öffentlichen Beteiligungsgesellschaft und damit zugleich dem Essener Steuerzahler? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2783 mit Schreiben vom 10. November 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Stadt Essen unterhält zahlreiche öffentliche Beteiligungsgesellschaften, wie dem jährlich publizierten Beteiligungsbericht unschwer zu entnehmen ist. Eine der Tochtergesellschaften ist die RGE Servicegesellschaft Essen mbH, die seit dem Jahr 1998 in den Geschäftsfeldern Reinigung und Sicherheit tätig ist und später als drittes Betätigungsgebiet um den Bereich Gastronomie und Catering erweitert worden ist. Die RGE beschreibt sich in ihrem Selbstportrait als modernes, flexibles und marktorientiertes Unternehmen, das zugleich ein attraktiver Arbeitgeber sei. In der Eigendarstellung wirbt das öffentliche Unternehmen gerne mit seiner „attraktiven Preisstruktur.“ Letztere scheinen auch andere öffentliche Kunden außerhalb des Essener Stadtgebietes so zu erkennen, sonst wären nicht mehrere andere Nachbarstädte aus der Ruhrregion oder auch Landeseinrichtungen wie das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) verschiedentlich als Dienstleistungsbesteller bei der RGE aufgetreten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7281 2 Genau hierin liegt offenbar ein wettbewerbsrechtliches Problem, das der Bezirksregierung Düsseldorf bereits seit einem Jahr bekannt ist. Nach aktueller Berichterstattung der WAZ in Essen vom 11. Oktober 2014 soll das Düsseldorfer Regierungspräsidium im vergangenen Jahr 2013 schon die Feststellung getroffen haben, die Vergabe der Stadt Gladbeck über die dortigen öffentlichen Reinigungsleistungen bis zum Jahr 2016 würden gegen entsprechende Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts verstoßen. Private Anbieter der Ausschreibung hätten sich gegen die Expansion der öffentlichen wirtschaftlichen Betätigung gewandt. Das Auftragsvolumen dieser europaweiten Ausschreibung beträgt mehrere Millionen Euro. Von mehr als zwei Dutzend Bieterunternehmen ist das Angebot von RGE offenbar das günstigste für die Stadt Gladbeck gewesen. Der zitierten Berichterstattung ist weiterhin zu entnehmen, die Bezirksregierung habe die Stadt Essen bereits 2013 über die Unzulässigkeit dieser RGE-Auftragsannahme unterrichtet. Geändert an der täglichen Leistungserbringung durch RGE hat sich aber seitdem offenbar nichts. Der Essener Kämmerer hält die Beauftragung wohl für einen soeben noch zulässigen Grenzfall. Fraglich ist damit, welche Verbindlichkeit und rechtliche Qualität die Feststellungen der Bezirksregierung haben. Diese dürfte kaum eine Situation seit einem Jahr hinnehmen, in der eine Kommune gegen förmliche Untersagungen verstößt. Die Geschäftstätigkeit der RGE ist unmittelbar haushaltsrelevant. Da die Stadt Essen die am höchsten verschuldete Stadt im ganzen Land ist und daher auch seit Jahren die meisten Sonderzahlungen aus dem Stärkungspakt des Landes erhält, ist diese bei ihrem eigenen Haushaltsgebaren in hohem Maße auf die Kooperationsbereitschaft der Bezirksregierung Düsseldorf angewiesen. Es ist daher logisch kaum vorstellbar, dass klare und hartnäckige Verfügungen der Kommunalaufsicht längere Zeit von den betroffenen Institutionen in Essen schlichtweg ignoriert werden und dieses Verhalten dann einfach folgenlos bleibt. In dem Medienbericht „Stadttochter hat Ärger in Gladbeck / Die Reinigungsgesellschaft RGE erhielt den Zuschlag für einen Putzauftrag, der laut Behörde gegen die Gemeindeordnung verstößt. Jetzt droht Schadensersatz“ werden die denkbaren Konsequenzen für die Stadt Essen und deren Haushalt explizit angesprochen, falls es infolge der Handhabung durch RGE noch zu Schadensersatzansprüchen kommt. Im Interesse des Essener Steuerzahlers sind ökonomische Risiken oder finanzielle Verpflichtungen, die aus der RGE-Tätigkeit für den Stadthaushalt resultieren, unbedingt zu vermeiden. Die RGE-Geschäftsführung hat sich laut Berichterstattung trotz mehrerer Anfragen nicht zu diesem Sachverhalt geäußert. Zum Zwecke einer sinnvollen Beschränkung der gemeindewirtschaftlichen Tätigkeit sollten kommunale Gesellschaften und Beteiligungen komplett auf den Prüfstand gestellt und von einer neutralen Organisation dahingehend untersucht werden, ob diese für die öffentliche Daseinsvorsorge überhaupt benötigt werden. Bei einer Dienstleistungserbringung jenseits der eignen Stadtgrenzen ist dies sicher zu verneinen. Das Parlament hat daher ein Anrecht auf eine umfassende Darlegung aller Befunde und Feststellungen der Bezirksregierung Düsseldorf hinsichtlich dieser RGE-Auftragsannahme und den daraus möglicherweise noch resultierenden Konsequenzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7281 3 1. Welche genauen rechtlichen Bewertungen und Feststellungen hat die Bezirksregierung Düsseldorf bezüglich des dargestellten Sachverhalts bei RGE, bitte unter Angabe des jeweiligen Zeitpunktes ihrer Erkenntnisse und Maßnahmen, intern konkret getroffen und davon auch gegenüber der Stadt Essen mitgeteilt? (vollständige Chronologie aller Ereignisse erbeten) Die RGE Servicegesellschaft Essen mbH (RGE), eine 100 %ige mittelbare Beteiligung der Stadt Essen, hat sich erfolgreich an einer Ausschreibung der Stadt Gladbeck beteiligt. Gegenstand der Ausschreibung waren Reinigungsdienstleistungen zugunsten der Stadt Gladbeck mit einem Auftragsvolumen von ca. 4 Mio. € und einer Laufzeit vom 01.11.2012 bis 31.12.2016. Nach Berichtsaufforderung vom 07.12.2012 teilte die Stadt Essen mit Schreiben vom 05.02.2013 ihre Rechtsauffassung zu o.g. Sachverhalt mit. Mit Hinweis auf § 107 Abs. 3 GO NRW ging man seitens der Stadt Essen von der Rechtmäßigkeit der gegenüber der Stadt Gladbeck zu erbringenden Dienstleistungen aus. Die Rechtsauffassung der Stadt Essen wurde von Seiten der Bezirksregierung Düsseldorf nicht geteilt. Mit Verfügung vom 04.03.2013 wurden der Stadt Essen die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert, denen die RGE hinsichtlich ihres operativen Geschäfts unterfällt. Sowohl in einer Verfügung vom 04.03.2013 als auch in einem am 16.04.2013 erfolgten Rechtsgespräch durch Mitarbeiter des zuständigen Kommunalaufsichtsdezernates der Bezirksregierung Düsseldorf mit Vertretern der Stadt Essen wurde zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der RGE um eine Einrichtung i.S.d. § 107 Abs. 2 GO NRW handelt, die grundsätzlich nur für die Stadt Essen sowie ihre Beteiligungsgesellschaften tätig werden darf. Die Stadt Essen wurde aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das operative Geschäft der RGE in einen rechtmäßigen Zustand zu überführen. Mit Bericht vom 02.08.2013 hat die Stadt Essen bekräftigt, dieser Aufforderung nachzukommen und durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, dass hinsichtlich des operativen Geschäfts der RGE künftig die gemeindewirtschaftsrechtlichen Vorgaben beachtet werden. 2. Wie haben sich sämtliche von den Feststellungen betroffenen Essener Instituti- onen argumentativ und prozedural, bitte jeweils unter Angabe der Zeitpunkte aller Vorgänge, gegenüber den seitens der Bezirksregierung artikulierten Erwartungen verhalten? (bitte vollständige Chronologie aller Reaktionen darstellen) Mit Bericht vom 21.10.2014 teilt die Stadt Essen folgendes mit: „Die RGE wurde von der Stadt am 06.08.2013 über die Rechtsauffassung der Bezirksregierung informiert und aufgefordert, künftig von Beteiligungen an Ausschreibungen abzusehen, die nicht im Einklang mit der GO NRW stehen. Daraufhin wurden die Fachbereichsleiter der Geschäftsfelder Reinigung, Sicherheit und Gastronomie/Catering umgehend auf diesen Umstand schriftlich hingewiesen und angewiesen, jegliche wirtschaftliche Betätigung außerhalb der Stadt Essen zu unterlassen. Die Bereiche Finanzen, Personal und Einkauf wurden ebenfalls auf diesen Umstand hingewiesen, mit dem Ziel, die Einhaltung intern zu überwachen. Die RGE hatte die Stadt Essen bereits im August 2013 über die entsprechenden internen Maßnahmen informiert. Nach Angaben der RGE wird in monatlichen Teamgesprächen der Geschäftsleitung mit den Fachbereichen die Einhaltung der Dienstanweisung überprüft. Die RGE stellt fest, dass die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7281 4 Gesellschaft nach der Auftragserteilung durch die Stadt Gladbeck an keinen weiteren Ausschreibungen außerhalb der Stadt Essen teilgenommen hat.“ 3. Welche jeweiligen RGE-Beauftragungen einzeln für die beiden Dienstleistungs- bereiche Reinigung bzw. Sicherheit hat das LANUV seit 2010 vorgenommen? (bitte vollständige Darstellung von Anlässen, Leistungsumfang und Auftragsvolumina ) Das LANUV hat seit 2010 keine Aufträge an die RGE vergeben. Bis einschließlich März 2013 hat die Firma RGE Servicegesellschaft mbH am LANUVStandort Wallneyer Straße 6 in 45133 Essen den Wach- und Sicherheitsdienst gestellt. Die zugrunde liegende Auftragsvergabe erfolgte über den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB) an die Firma Rudolf Weber. Es ist daher davon auszugehen, dass die RGE über die Firma Rudolf Weber "unterbeauftragt" wurde. Die Rechnungsstellung beim LANUV wurde jedenfalls von der Firma Rudolf Weber vorgenommen. 4. Welche finanziellen oder rechtlichen Konsequenzen haben die Stadt Essen bzw. RGE potentiell zu befürchten, wenn die Reinigungsdienstleistung in Gladbeck weiterhin wie beabsichtigt noch bis zum Jahre 2016 erbracht wird? Um mögliche Schadensersatzforderungen des Vertragspartners der RGE von vornherein auszuschließen, hat die Bezirksregierung Düsseldorf davon abgesehen, auf eine vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen der RGE und der Stadt Gladbeck zu dringen . Das Risiko der Erhebung und erfolgreichen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen durch an dem Vertragsverhältnis RGE - Stadt Gladbeck nicht beteiligte Dritte kann nicht belastbar eingeschätzt werden. 5. Wie sieht das weitere Vorgehen der Bezirksregierung konkret im Umgang mit diesem RGE-Sachverhalt zeitlich und instrumentell aus, damit die dortigen Feststellungen des Regierungspräsidiums in Essen nicht folgenlos verpuffen? Da durch die o.g. Maßnahmen zwischenzeitlich Einigkeit zwischen der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde und der Stadt Essen hinsichtlich der beschränkenden Regelungen des § 107 GO NRW in Bezug auf das operative Geschäft der RGE besteht, sind gegenüber der Stadt Essen keine weiteren Maßnahmen beabsichtigt.