LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7294 12.11.2014 Datum des Originals: 11.11.2014/Ausgegeben: 17.11.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2759 vom 2. Oktober 2014 des Abgeordneten Dr. Marcus Optendrenk CDU Drucksache 16/6975 Einflussnahme der Landesregierung auf schwebende Rechtsverfahren Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2759 mit Schreiben vom 11. November 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin sowie allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Januar 2014 erhob ein Ehepaar aus Viersen Klage gegen einen benachbarten tierhaltenden Betrieb, der seinen Hof zur Aufzucht und zur Haltung von Schweinen erweitern wollte. Der Kreis Viersen hatte bereits eine entsprechende Genehmigung erteilt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage ab, die Kläger gingen beim Oberverwaltungsgericht Münster in Revision (AZ B 573/14) . Im Zuge des Verfahrens kam es zu abweichenden Meinungen zwischen dem Kreis Víersen als Genehmigungsbehörde und der Bezirksregierung Düsseldorf als Fachaufsicht. In diese Meinungsverschiedenheit schaltete sich das am Verfahren unbeteiligte Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz durch einen unverlangt an das Oberverwaltungsgericht Münster gerichteten Schriftsatz ein. Zuvor erfolgte ein Telefonanruf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7294 2 Vorbemerkung der Landesregierung Gegenstand der Kleinen Anfrage ist ein Sachverhalt, der sowohl gerichtlich überprüft als auch im Wege einer Petition vorgetragen und auf diese Weise an die Landesregierung herangetragen wurde. Am 23.1.2014 wurde dem MKULNV die Petition Nr. 16-P-2014-06017-00 zugeleitet, in der die Petenten sich gegen die Erteilung einer Genehmigung für die Erweiterung einer Tierhaltungsanlage wandten. Diese Genehmigung war am 9.1.2014 vom Kreis Viersen erteilt worden . Der Kreis Viersen hatte die Genehmigung mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen . Hiergegen hatten u. a. die Petenten im einstweiligen Rechtsschutz einen Antrag bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellt. Im Rahmen der Bearbeitung der Petition wurde vom MKULNV ein Bericht der Bezirksregierung Düsseldorf angefordert. In den Berichten vom 28.4., 14.5. und 27.5.2014 teilte die Bezirksregierung mit, dass nach ihrer Auffassung und abweichend von der Ansicht des Kreises Viersen die Genehmigung wegen Verstoßes gegen den Landschaftsplan rechtswidrig ist. Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage schloss sich das MKULNV dieser Auffassung an. Daraufhin wurde der Kreis Viersen auf Veranlassung des MKULNV durch die Bezirksregierung am 5.6.2014 im Rahmen der gesetzlichen Aufsichtsrechte aufgefordert, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben. Hiermit sollte zunächst verhindert werden, dass die Genehmigung umgesetzt und der beantragte Stall errichtet wird, solange die Frage der Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht geklärt ist. Diese Beanstandung bezog sich lediglich auf die Vollziehbarkeitsregelung, nicht aber auf die Genehmigung. Der Kreis weigerte sich dennoch, dieser Verfügung Folge zu leisten. Zur Begründung wies der Kreis darauf hin, dass er unverändert die Genehmigung für rechtmäßig halte und dass das Verwaltungsgericht verfügt hatte, dass für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens von der Genehmigung kein Gebrauch gemacht werden könne . Auch hätte die Inhaberin der Genehmigung zugesichert, die Genehmigung zunächst nicht umzusetzen. Nach Auffassung des MKULNV rechtfertigte keiner dieser Gründe die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Denn in dem gerichtlichen Verfahren ist ein Verstoß gegen die Festsetzungen des Landschaftsplans nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung, weil das Gericht nur den Kläger schützende Rechtsvorschriften prüft, während es sich bei dem Landschaftsplan um eine Regelung im Interesse der Allgemeinheit handelt. Die Zusicherung der Genehmigungsadressatinwar rechtlich nicht bindend. Im Ergebnis hätte daher bei der bestehenden Rechtslage die Genehmigungsadressatin nach einer für sie positiven gerichtlichen Eilentscheidung die rechtswidrige Genehmigung umsetzen können, obwohl diese nach Auffassung der Fachaufsichtsbehörden gegen (objektive) Rechtsvorschriften des Landschaftsplans verstößt. Angesichts der Weigerung des Kreises stellte sich damit die Frage des weiteren fachaufsichtsrechtlichen Vorgehens. Vor der Ergreifung weiterer Maßnahmen sollte daher versucht werden, eine Befolgung der Weisung im Einvernehmen mit dem Kreis Viersen zu erreichen. Um zu verhindern, dass die rechtswidrige Genehmigung vor einer solchen Einigung umgesetzt wurde, hatte das MKULNV zunächst versucht, von dem Kreis Viersen als gerichtlichen Verfahrensbeteiligten das voraussichtliche Datum der gerichtlichen Entscheidung zu erfahren . Als dies nicht gelang, wurde dieser Zeitpunkt von dem Oberverwaltungsgericht telefonisch erfragt. Zur Erläuterung der Anfrage durch die oberste Fachaufsichtsbehörde wurde dem Gericht auch der Verfahrensstand der fachaufsichtlichen Prüfung des Genehmigungsbescheides mitgeteilt. Dies erfolgte auch mit Schreiben vom 6.8.2014 an das Oberverwaltungsgericht , welches zeitgleich an die Bezirksregierung Düsseldorf mit der Bitte um Weiterleitung an den Kreis Viersen übersandt wurde. Hierdurch wurde seitens des MKULNV sichergestellt , dass auch die beteiligten Behörden über den Kontakt zum Oberverwaltungsgericht informiert waren. Im Übrigen vertritt das MKULNV in diesem Schreiben keine rechtliche LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7294 3 Position zu den im Gerichtsverfahren aufgeworfenen Fragen, sondern informiert lediglich darüber, dass zu der Frage der Befreiung vom Landschaftsplan in den beteiligten Behörden unterschiedliche Rechtsansichten vertreten werden. 1. Was waren die genauen Gründe des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Land- wirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz sich als am Verfahren Unbeteiligter Dritter sowohl fernmündlich als auch schriftlich in dieser Angelegenheit an das Oberverwaltungsgericht Münster zu wenden? 2. Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich im konkreten Fall Eingabe an das Ober- verwaltungsgericht Münster? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet: Grundlage für das Tätigwerden des MKULNV war das Berichtsersuchen des Petitionsausschusses sowie die nach § 13 LOG dem MKULNV obliegende Fachaufsicht. Ziel des Tätigwerdens war es, den fachlichen Dissens der Bezirksregierung und des Kreises zu lösen. 3. Ist es geübte Praxis von Fachressorts sich unverlangt zu schwebenden Rechts- verfahren zu äußern? Das MKULNV hat sich gegenüber dem Oberverwaltungsgericht weder mündlich noch schriftlich zu den für dieses Gerichtsverfahren relevanten Rechtsfragen geäußert. Wie oben dargestellt , spielten in dem Eilverfahren allein die die Kläger schützenden Rechtsvorschriften eine Rolle, nicht aber der Verstoß gegen den Landschaftsplan, der Gegenstand der ausgeübten Fachaufsicht war. 4. Wie oft wenden sich Fachressorts unverlangt als Dritte an Gerichte, um sich zu schwebenden Rechtsverfahren zu äußern (bitten nach Jahren und Ministerien aufschlüsseln )? Hierzu erfasst die Landesregierung keine Zahlen. 5. Inwieweit sieht die Landesregierung durch ein solches Vorgehen einen massiven Eingriff in die Unabhängigkeit der Gerichte? Für das Handeln der Landesregierung haben die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz oberste Priorität. Vor diesem Hintergrund ist ein Eingriff in diese Prinzipien nicht zu besorgen. Im Übrigen kann die Mitteilung einer Verwaltungsbehörde über den Verfahrensstand und die Historie einer fachaufsichtlichen Prüfung an ein Gericht – selbst falls sie sich auf für das Verfahren relevante Punkte beziehen würde – kein Eingriff in die Unabhängigkeit des Gerichts sein, weil sie insoweit keinerlei Bindungswirkung entfaltet. Regelmäßig betreffen der gerichtliche Prüfungsumfang und die behördliche fachaufsichtliche Prüfung jedenfalls zum Teil unterschiedliche Gegenstände.