LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7296 12.11.2014 Datum des Originals: 12.11.2014/Ausgegeben: 17.11.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2764 vom 7. Oktober 2014 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/6984 Welche Möglichkeiten bestehen an Sekundarschulen zur Stärkung eines MINT-Profils? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 2764 mit Schreiben vom 12. November 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In neu gegründeten Sekundarschulen lösen sich vor allem Hauptschulen auf. Hierbei besteht durchaus die Gefahr, dass auch viel „Know-how“ verloren geht, das der Schülerschaft für den weiteren Lebensweg nützlich gewesen ist. So erklärte z.B. der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf in einem Interview am 20.09.2014. „Ich sehe voraus, dass durch das Verschwinden der Hauptschule und eine eher kaufmännische Ausrichtung an den neuen Gemeinschaftsschulen -jedenfalls dort, wo diese Realschulstandorte sind - die technologische Kompetenz vieler Schulabgänger sich nicht halten lassen wird. Und das Handwerk ist auf Bewerberinnen und Bewerber angewiesen, die neben unverzichtbaren theoretischen Kenntnissen auch praktische Fertigkeiten mitbringen. Das wird sicher noch ein Schwerpunktthema im Ausbildungskonsens NRW werden.“ Da hier mit hoher Wahrscheinlichkeit die Sekundarschulen gemeint waren, stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreifen will, um das technischhandwerkliche Wissen sowie die praktischen Elemente des Hauptschulbildungsgangs bestmöglich in die Sekundarschulen zu transferieren. Eine Festlegung von z.B. unterschiedlichen Anspruchsebenen scheint diesen Know-how-Transfer nicht gewährleisten zu können. Zumal diese Ausgestaltungsform durch die Landesregierung offensichtlich auch nicht gewollt ist, worauf sich z.B. auch aus den Ausführungen der Landesregierung im Bericht „Zwei Jahre Schulkonsens“ leicht schließen lässt. Die Ausführungen des Präsidenten verdeutlichen ebenfalls, dass bei den Fachleuten aus der Wirtschaft – und damit insbesondere auch den Anbietern von Ausbildungsplätzen – offenkundig auch nicht die Überzeugung besteht, dass ein solcher qualitativer Transfer etwa alleine durch Festlegungen in Ausbildungs- und Prüfungsordnungen zu erzielen ist. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7296 2 Insofern stellt sich die Frage, wie eine solche Sicherung umfassender praktischer Kenntnisse und auch die Gewährleistung und bestenfalls Stärkung des MINT-Bereichs im Rahmen der Profilbildung erzielt werden kann. Hierbei könnten als Ergänzung zum „klassischen“ MINTBereich Schwerpunktsetzungen wie z.B. „Technik und Umwelt“ oder „Gesundheit und Ernährung “ eine Rolle spielen. Eine solche Ausgestaltung könnte auch dabei helfen, individuellen Begabungen bestmöglich entsprechen zu können. Es ist daher naheliegend zu hinterfragen, ob es sich auch im Rahmen der individuellen Förderung nicht als äußerst sinnvoll erweisen würde, wenn Sekundarschulen bei Bedarf und in eigenverantwortlicher Entscheidung vor Ort z.B. ab der 7. Klasse einzelne Zweige mit einem entsprechenden Profil anbieten dürften (dies wäre erst ab der 7. Klasse möglich, da zuvor der Zwang zum integrierten Unterricht besteht). Hierbei gilt selbstverständlich, die etwa im Rahmen der Kultusministerkonferenz bestehenden Regelungen zu berücksichtigen, um die Anerkennung der Abschlüsse zu gewährleisten . Vorbemerkung der Landesregierung Die in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage geäußerte Einschätzung, dass im Zuge der Neugründung von Sekundarschulen hauptsächlich Hauptschulen auslaufen, ist sachlich so nicht zutreffend. Im Zuge der Errichtungsprozesse von derzeit insgesamt 109 Sekundarschulen laufen 113 Haupt-, 88 Realschulen und 15 Verbundschulen aus. Weiterhin ist das referierte Zitat des Präsidenten der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, hinsichtlich der Verwendung des Begriffs „Gemeinschaftsschule“ sachlich nicht zutreffend. Bei der Sekundarschule handelt es sich um eine neue Schulform, deren konstituierendes Merkmal als Schulform des längeren gemeinsamen Lernens in der Ausbildungsund Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I (APO-SI) festgelegt ist. Es handelt sich bei der Sekundarschule nicht um die Nachfolge der Hauptschule, da sich die Anlage und Organisation des Bildungsgangs u.a. auch durch die Berücksichtigung gymnasialer Standards vom Bildungsgang der Hauptschule deutlich unterscheiden. Die Landesregierung versteht die Förderung der MINT-Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen als eine schulformübergreifende Aufgabe, für die auch auf die Expertise externer Partner zurückgegriffen wird. In enger Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung der Unternehmerverbände NRW werden im Rahmen des MINT-Programms Schulen gefördert, die sich insbesondere in der Sekundarstufe I im MINT-Bereich profilieren. Durch die Zertifizierung von Hauptschulen (seit 2009), Realschulen (seit 2006) und Gesamtschulen (seit 2013) entstanden unter der Schirmherrschaft der Ministerin für Schule und Weiterbildung bis heute umfassende Netzwerke . Die Aktivitäten werden vielfältig durch Fortbildungsveranstaltungen, Praktika und Camps unterstützt. Mitarbeitende Schulen müssen sich zur Qualitätssicherung alle drei Jahre rezertifizieren lassen. Insgesamt befinden sich 51 Schulen der Sekundarstufe I und 15 Schulen der Sekundarstufe II in diesem Netzwerk. Sie dienen gleichzeitig als Multiplikatoren. Neben der Netzwerkbildung im MINT-Verbund existiert auch länderübergreifend durch die MINT-EC-Schulen eine Initiative der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die sich unter der Schirmherrschaft der jeweiligen Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz um die Förderung von Sek-II-Schulen mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Profilen bemüht. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall fördert den Verein MINT-EC im Rahmen der Initiative THINK ING. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7296 3 Auf weitere affine Angebote wie die SINUS-Projekte soll an dieser Stelle nur hingewiesen werden. 1. Was unternimmt die Landesregierung, um der aus der Wirtschaft geäußerten Kri- tik entgegenzuwirken, dass an den Sekundarschulen „durch eine eher kaufmännische Ausrichtung“ das „Know-how“ aus dem Bereich MINT der auslaufenden Schulen nicht verloren geht? Auf die Richtigstellung der der Frage zugrundeliegende Annahme in der Vorbemerkung der Landesregierung wird hingewiesen. Die in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage genannten fachlichen Zirkel und Netzwerke, in denen sich zur Stärkung der MINT-Kompetenzen Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Schule gemeinsam um eine innovative und zukunftsfeste Verankerung in Schulen bemühen, sind der institutionelle Rahmen, der dafür sorgt, dass das vorhandene Knowhow qualitätssichernd erhalten wird. Die an auslaufenden Schulen entwickelten Konzepte können so mit Unterstützung der Netzwerke in neu errichtete Sekundarschulen überführt werden. Um diesen Prozess abzusichern, ist bereits jetzt mit dem Verband Unternehmer NRW vereinbart worden, dass die aufwachsenden Sekundarschulen im kommenden Jahr ab Jahrgang 8 in das Netzwerk MINT-Schulen einbezogen werden. Darüber hinaus haben etwa Dreiviertel der Lehrkräfte an den im Zeitraum 2012/13 bis 2013/14 neu errichteten Sekundarschulen zuvor an den auslaufenden Haupt- und Realschulen unterrichtet. Auch durch diese nennenswerte Übernahme von Fachpersonal ist sichergestellt , dass vorhandene Expertise und Strukturen im nachgefragten Bereich an die neue Schulform transferiert werden können. 2. Welche Vorgaben sind zu erfüllen, so dass an den mindestens dreizügigen Se- kundarschulen einzelne Zweige im Sinne der Profilbildung als MINT-Schwerpunkt etabliert werden können? Entsprechend der Vorgaben der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I (APO-SI) ist jede Sekundarschule dazu verpflichtet, im Wahlpflichtbereich ab der Jahrgangsstufe 6 neben der zweiten Fremdsprache Angebote in den Lernbereichen Arbeitslehre oder Naturwissenschaften zu offerieren. Im Fach Arbeitslehre ist ein Anteil Technik enthalten . Alternativ können auch einzelne Fächer oder Fächerkombinationen mit mathematischnaturwissenschaftlichem , gesellschaftswissenschaftlich-wirtschaftlichem oder künstlerischmusischem Schwerpunkt angeboten werden. Der mathematisch-naturwissenschaftliche Schwerpunkt umfasst die Fächer Mathematik, Informatik, Biologie, Chemie, Physik und Technik. Daneben besteht durch die schuleigene Entscheidung über den Einsatz der Ergänzungsstunden die Möglichkeit, weitere Angebote zur Förderung im naturwissenschaftlichen Bereich zu machen. Ausdrücklich sind damit auch berufsorientierende Angebote gemeint. Für die integrierte und teilintegrierte Form der Sekundarschulen umfasst die Möglichkeit einer solchen Schwerpunktsetzung vom Jahrgang 5 bis Jahrgang 10 im Wahlpflichtbereich ein Volumen von 20 Wochenstunden. Ergänzungsstunden stehen für den gleichen Zeitraum im Umfang von 9 bis 12 Stunden zur Verfügung. Für kooperative Sekundarschulen gelten die Vorgaben der jeweiligen Bildungsgänge. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7296 4 3. Wenn eine solche Möglichkeit nach Frage 2 besteht, inwieweit würde die Landesregierung entsprechende Möglichkeiten – in der jeweils vor Ort gewünschten Form – auch anderen Schulformen in eigenverantwortlicher Gestaltung zugestehen ? S. Antwort zur Frage 2. Für die anderen Schulformen bestehen vergleichbare Gestaltungsmöglichkeiten entsprechend der Vorgaben der APO-SI. 4. Inwieweit könnte das Curriculum erweitert werden, so dass ab der 7. Klasse an Sekundarschulen neben dem Wahlpflichtunterricht oder auch den Ergänzungsstunden ein berufliches Fach als „Kernfach“ fungieren kann? Die Möglichkeit der Einführung eines weiteren Unterrichtsfachs, das sich aus den Kernstunden speist, ist durch KMK-Vereinbarungen begrenzt (Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03.12.1993 i.d.F. vom 12.12.2013). Es besteht jedoch nach Entscheidung der Schulkonferenz an Sekundarschulen die Möglichkeit, anstelle eines ein- bis dreiwöchigen Berufspraktikums auch ein Langzeitpraktikum mit einem wöchentlichen Praktikumstag und einer Dauer von bis zu einem Jahr einzurichten (VV zu § 4 APO-SI). Die auf Ebene der einzelnen Sekundarschule zu treffende Entscheidung über die Ausgestaltung des Wahlpflichtbereichs ab der Jahrgangsstufe 6 und die Verwendung der Ergänzungsstunden erlauben aber im Rahmen dieser Vorgaben eine ausreichende Flexibilität der Profilbildung im angefragten Bereich.