LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7304 13.11.2014 Datum des Originals: 12.11.2014/Ausgegeben: 18.11.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2823 vom 22. Oktober 2014 des Abgeordneten Rainer Deppe CDU Drucksache 16/7096 Widersprüche bei der Zulassung der Tierschutzverbände für das Verbandsklagerecht aufklären Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2823 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Landesregierung hat am 22. Januar 2014 die Öffentlichkeit darüber informiert, dass sie auf Grundlage des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG) sieben Vereine anerkannt hat. Die entsprechenden Vereine sind auf den Internetseiten des Ministeriums veröffentlicht. Laut Information auf der Homepage des zuständigen Ministeriums galt für die Auswahl: „Gesetzlich festgelegte Kriterien stellen sicher, dass nur seriöse Organisationen anerkannt werden, die jahrelange Erfahrung im Tierschutz nachweisen und so verantwortungsvoll mit ihren neuen Möglichkeiten umgehen können.“ Im Gesetz sind die Kriterien für eine Anerkennung, die ja zu weitgehenden Beteiligungs- und Klagerechten berechtigt, abschließend aufgeführt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn der rechtsfähige Verein - nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Tierschutzes fördert, - seinen Sitz in Nordrhein-Westfalen hat und sich der satzungsgemäße Tätigkeitsbereich auf das gesamte Gebiet des Landes erstreckt, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7304 2 - im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens fünf Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist, - die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit des Vereins zu berücksichtigen, - wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes von der Körperschaftssteuer befreit ist und - den Eintritt als Mitglied, das in der Mitgliederversammlung volles Stimmrecht hat, jedem ermöglicht, der die Ziele des Vereins unterstützt. (§ 3 Abs. 1 Satz 2 TierschutzVMG) Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass diese Kriterien sämtlich erfüllt sein müssen . Die jeweiligen Satzungen der von der Landesregierung mit einer Anerkennung begünstigten Verbände lassen jedoch erhebliche Widersprüche zu den gesetzlich fixierten Regelungen erkennen. So ergeben sich Zweifel, ob die bisher erteilten Anerkennungen und Ablehnungen nach einheitlichen Maßstäben vorgenommen wurden und ob sie vor diesem Hintergrund überhaupt rechtmäßig erfolgt sind. 1. Nach dem TierschutzVMG ist den Vereinen die Anerkennung zu erteilen, die sämtliche in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 TierschutzVMG genannten Anforderungen erfüllen. In welchem Umfang erfüllen die sieben vom MKULNV anerkannten Vereine alle im Gesetz genannten Anforderungen? (Bitte die einzelnen Anforderungen für jeden Verein getrennt aufführen.) Die acht vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz anerkannten Vereine erfüllen die in § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 6 TierschutzVMG bzw. § 3 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 bis 6 TierschutzVMG genannten Anforderungen für eine Anerkennung in vollem Umfang. 2. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierschutzVMG legt als Voraussetzung für eine Anerken- nung fest, dass sich der Tätigkeitsbereich auf das gesamte Land NordrheinWestfalen erstreckt. Nach welchen Kriterien stellt die Landesregierung fest, wie diese Anerkennungsvoraussetzung erfüllt wird? Grundsätzlich werden zur Feststellung, ob sich der Tätigkeitsbereich eines die Anerkennung nach § 3 Absatz 1 TierschutzVMG beantragenden Vereins auf das gesamte Land NordrheinWestfalen erstreckt, die Angaben der Vereinssatzung herangezogen. Sollte sich der örtliche Tätigkeitsbereich aus diesen Angaben nicht eindeutig ergeben, erfolgt eine Nachfrage bei dem antragstellenden Verein. Eine Anerkennung nach § 3 TierschutzVMG kann auch für überregional tätige Vereine erteilt werden, die ihren Sitz nicht in Nordrhein-Westfalen haben. Diese Möglichkeit ergibt sich aus § 3 Absatz 1 Satz 3 TierschutzVMG. Für eine Anerkennung eines nicht in NordrheinWestfalen ansässigen Vereins ist erforderlich, dass der Verein eine satzungsmäßige Teilorganisation für das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen besitzt, die für sich genommen die Anforderungen nach § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 bis 6 erfüllt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7304 3 3. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierschutzVMG legt fest, dass die Vereine jedem, der die Ziele des Vereins unterstützt, die Mitgliedschaft einschließlich des vollen Stimmrechts in der Mitgliederversammlung zu ermöglichen haben. Weshalb erfüllen aus Sicht der Landesregierung die Anerkennungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TierschutzVMG auch solche Vereine, die laut ihrer Satzung natürlichen Personen lediglich die Möglichkeit einer fördernden Mitgliedschaft ohne Stimmrecht zugestehen? Die Vorschrift des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 TierschutzVMG setzt nicht voraus, dass nur solche Vereine anerkannt werden können, in denen natürlichen Personen stets die volle Stimmberechtigung zusteht. Hätte der Gesetzgeber einen anderen Vereinsbegriff als den des § 2 Absatz 1 Vereinsgesetz zugrunde legen wollen, so hätte der dies im TierschutzVMG klargestellt. Nach § 2 Vereinsgesetz ist ein Verein ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Dem TierschutzVMG liegt folglich die Annahme zugrunde, dass es auch anerkannte Vereine geben kann, deren Mitglieder juristische Personen sind. § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 TierschutzVMG schreibt vielmehr lediglich vor, dass ein Eintritt in den Verein bei Unterstützung der Vereinsziele uneingeschränkt ermöglicht werden und jedem Vereinsmitglied in der Mitgliederversammlung ein volles Stimmrecht zustehen muss. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass eine Anerkennung zu versagen ist, wenn einer natürlichen Person in einem als Dachverband für Tierschutzvereine organisierten Verein lediglich eine Fördermitgliedschaft ohne eigenes Stimmrecht zukommt. Bei einem Fördermitglied handelt es sich nicht schon um ein Mitglied im Sinne der Vorschrift. Fördermitgliedschaften sind gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht mit einem Stimmrecht verbunden sind. Für das Vorliegen der Voraussetzung des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 TierschutzVMG ist vielmehr von Relevanz, ob jedem ordentlichen Vereinsmitglied – in diesem Falle jedem Tierschutzverein – ein volles Stimmrecht in der Mitgliederversammlung zusteht. Eine Anerkennung wird – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 3 Absatz 1 TierschutzVMG daher auch erteilt, wenn es sich bei den Mitgliedern des Vereins um juristische Personen handelt, sofern diese in der Mitgliederversammlung ein volles Stimmrecht haben. Dies gebietet auch eine Auslegung der Vorschrift im Lichte von Sinn und Zweck des Gesetzes . Lediglich Vereine anzuerkennen, deren ordentliche Mitglieder natürliche Personen sind, stünde der Intention des Gesetzgebers entgegen. Mit den Regelungen des TierschutzVMG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, dass Tierschutzinteressen gebündelt durch anerkannte Vereine wahrgenommen werden. Diese Bündelungsfunktion wird gerade bei den Dachorganisationen verwirklicht. So sind dem Deutschen Tierschutzbund e.V. 16 Landesverbände und mehr als 750 örtliche Tierschutzvereine angeschlossen während der Landestierschutzverband Nordrhein-Westfalen e. V. wiederum die Dachorganisation für 115 Vereine mit rund 60.000 Mitgliedern bildet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7304 4 4. Von der Landesregierung anerkannte Vereine fördern nach ihrer Satzung zwar überwiegend Ziele des Tierschutzes (Tierwohl und Tiergesundheit), führen aber den Tierschutz begrifflich nicht explizit als Verbandsziel aus. Andere führen neben dem Tierschutz auch andere Vereinszwecke, z.B. die Förderung des Umwelt- , Natur- und Artenschutzes auf. Nach welchen Kriterien hat das MKULNV bei seiner bisherigen Anerkennungspraxis die Erfüllung der Anforderung des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierschutzVMG bei diesen Vereinen entschieden? Nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 TierschutzVMG muss ein anzuerkennender Verein nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Tierschutzes fördern . Für das Vorliegen dieser Voraussetzung ist hingegen nicht erforderlich, dass der Begriff „Tierschutz“ in der Satzung wörtlich als Ziel des Vereins benannt wird. Der Gesetzgeber hat hier bewusst eine offene Formulierung gewählt, um die vielen verschiedenen Themen aus dem Bereich des Tierschutzes, in denen Vereine sich engagieren können – z.B. die Abschaffung der Tierversuche oder die Verbesserung der Haltungsbedingungen für Nutztiere – zu erfassen. Die Vorschrift setzt jedoch weiterhin voraus, dass der Verein nach seiner Satzung vorwiegend die Ziele des Tierschutzes fördert. Das Wort „vorwiegend“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Bedeutungen „hauptsächlich“, „in erster Linie“, „ganz besonders“ oder „zum größten Teil“ verwendet. Es wird daher unter Zugrundelegung der Vereinssatzung geprüft, ob der Tierschutz im Falle einer Verfolgung mehrerer Ziele neben dem der Förderung des Tierschutzes gegenüber den anderen Zielen im Vordergrund steht (vgl. zu der vergleichbaren Voraussetzung für eine Anerkennung von Naturschutzvereinen: OVG Münster, Urteil vom 20.06. 1984 – 7 A 327/84; NuR 1985, S. 76). Eine Gleichrangigkeit der verfolgten Ziele reicht nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht aus. Sofern sich aus konkreten Angaben in der Satzung ergibt, dass es sich bei dem Tierschutz um das prägende Ziel, um das eigentliche Ziel des Vereins handelt, ist das Tatbestandsmerkmal des § 3 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 zu bejahen (vgl. zu der vergleichbaren Voraussetzung für eine Anerkennung von Naturschutzvereinen: VG Berlin, Urteil vom 04.06. 1997 – 1 A 28.94; NuR 1997, S. 565). 5. Nach § 3 Abs. 3 TierschutzVMG sind Maßnahmen vorgesehen (Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln, Rücknahme der Anerkennung, Widerruf der Anerkennung ), wenn Voraussetzungen zur Anerkennung nicht vorlagen oder nachträglich weggefallen sind. In welcher Form hat die Landesregierung bisher von den Verpflichtungen dieser Vorschrift Gebrauch gemacht? (Bitte einzeln aufführen.) Das zuständige Ministerium hat bisher keinen Anlass gesehen, von den in § 3 Absatz 3 TierschutzVMG genannten Maßnahmen Gebrauch zu machen.