LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7306 13.11.2014 Datum des Originals: 12.11.2014/Ausgegeben: 18.11.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2849 vom 24. Oktober 2014 der Abgeordneten Ursula Doppmeier und Astrid Birkhahn CDU Drucksache 16/7132 Dürfen selbstgebackene Kuchen ohne Etiketten in Zukunft nicht mehr serviert werden ? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 2849 mit Schreiben vom 12. November 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die neue Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) der Europäischen Union schreibt vor, dass zukünftig nicht nur bei verpackten, sondern auch losen Lebensmitteln Angaben über enthaltene Allergene gemacht werden müssen. Ausgewiesen werden müssen alle Inhaltsstoffe , die allergische Reaktionen hervorrufen können. Die Verordnung soll am 13. Dezember 2014 in Kraft treten. Vereine und Organisationen fürchten, dass das Buffet bald wesentlich kleiner ausfällt, wenn die Kennzeichnungspflicht für Allergene in den Lebensmitteln auch für karitative Veranstaltungen verpflichtend wird. Da es für die Ehrenamtlichen einen erheblichen Mehraufwand bedeutet. Wie die Verordnung nun umgesetzt wird, liegt im Ermessen des einzelnen Bundeslandes. Die Bundesregierung sieht bei der Umsetzung der Verordnung vor allem Lebensmittelunternehmen in der Pflicht und keine Privatpersonen. Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen sieht dies laut Medienberichten anders und lässt verlautbaren, dass die Verordnung auch für Veranstalter von karitativen Veranstaltungen gelten soll, die im Rahmen dieser Veranstaltung Lebensmittel in den Verkehr bringen. Damit wären sämtliche Feste oder Veranstaltungen, bei denen lose Lebensmittel wie beispielsweise selbstgebackene Kuchen oder Salate serviert werden, davon betroffen. Laut eines Berichts der Neuen Westfälischen vom 21.10.2014 wer- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7306 2 de das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen keine Unterscheidung zwischen Unternehmer und Privatperson vornehmen. „Als Lebensmittelunternehmer gelten alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen“, wird Raphaela Hensch, Pressesprecherin des Ministeriums , zitiert. In diesem Sinne seien auch Privatpersonen Lebensmittelunternehmer, da sie Lebensmittel bei Veranstaltungen anbieten. „Damit gelten auch für Veranstalter von karitativen Veranstaltungen, die im Rahmen dieser Veranstaltung Lebensmittel in den Verkehr bringen , die Regelungen des allgemeinen Lebensmittelrechts“, so Hensch auf Nachfrage der Neuen Westfälischen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 – die Lebensmittelinformationsverordnung – kurz – LMIV – ist wie jede andere Verordnung der Europäischen Kommission in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gültig. Deshalb steht es weder im Ermessen der Bundesrepublik noch der Bundesländer zu bestimmen, wie die Verordnung umzusetzen ist. Die LMIV enthält in Artikel 44 die Verpflichtung, dass bei Waren, die unverpackt, also lose angeboten werden, Allergie auslösende Zutaten verpflichtend anzugeben sind. Sofern es keine nationale Durchführungsvorschrift hierzu gibt, liegt es in der Verantwortung des einzelnen Lebensmittelunternehmers auf welche Art und Weise er dieser Verpflichtung im Einzelfall nachkommt. Der Lebensmittelunternehmer hat sicherzustellen, dass die Angaben zu Allergie auslösenden Zutaten an einer gut sichtbaren Stelle deutlich, gut lesbar und ggf. dauerhaft angebracht sind oder zumindest schriftlich anderweitig gut zugänglich und verfügbar sind. Die LMIV richtet sich nach Artikel 1 an Lebensmittelunternehmer. Die LMIV führt in Erwägungsgrund 15 aus, dass der Unternehmensbegriff eine gewisse Kontinuität der Aktivitäten und einen gewissen Organisationsgrad voraussetzt. Tätigkeiten wie der gelegentliche Umgang mit Lebensmitteln und deren Lieferung, das Servieren von Mahlzeiten und der Verkauf von Lebensmitteln durch Privatpersonen z. B. bei Wohltätigkeitsveranstaltungen oder auf Märkten und Zusammenkünften auf lokaler Ebene sollen nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. 1. Wie soll die praktische Umsetzung der Verordnung bei Festen bzw. Veranstal- tungen erfolgen? Wenn zum Beispiel freiwillige Helferinnen und Helfer auf lokaler Ebene etwa bei Kirchen-, Schul- oder Dorffesten, Basaren oder Wohltätigkeitsveranstaltungen Kuchen oder Waffeln backen, Suppe kochen, Würstchen braten oder Salate zubereiten und ausgeben, müssen diese Lebensmittel nach wie vor nicht nach den europäischen Vorschriften gekennzeichnet werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7306 3 2. Welche genaue Definition verwendet die Landesregierung für den in der Lebensmittelinformationsverordnung verwendeten Begriff "Lebensmittelunternehmer “? Der Begriff „Lebensmittelunternehmer“ wird in Artikel 3 Nr. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/20021 definiert als die natürliche oder juristische Person, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden. Dies betrifft gemäß Artikel 3 Nr. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen. Der Erwägungsgrund 15 der LMIV verdeutlicht, dass Tätigkeiten wie der gelegentliche Umgang mit Lebensmitteln und deren Lieferung, das Servieren von Mahlzeiten und der Verkauf von Lebensmitteln durch Privatpersonen z. B. bei Wohltätigkeitsveranstaltungen oder auf Märkten und Zusammenkünften auf lokaler Ebene vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sein sollen. 3. In welchem Umfang sollen Kontrollen zur Einhaltung der Lebensmittelinformati- onsverordnung erfolgen? Kontrollen zur Einhaltung der LMIV erfolgen im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung . Dabei prüfen die Lebensmittelüberwachungsämter bei Lebensmittelunternehmen, ob auch bei der losen Abgabe von Lebensmitteln die Angaben zu allergenen Zutaten an einer gut sichtbaren Stelle deutlich, gut lesbar und ggf. dauerhaft angebracht sind bzw. ob sie zumindest schriftlich anderweitig gut zugänglich und verfügbar sind. 4. Welche Bestrafung sieht die Landesregierung bei Verstoß der Lebensmittelin- formationsverordnung vor? Im Rahmen einer Durchführungsverordnung zur LMIV werden diesbezüglich Regelungen erwartet. Ein erster Entwurf dieser Durchführungsverordnung wurde den Bundesländern im August 2014 durch das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorgelegt. Bis zum Vorliegen der genannten Durchführungsverordnung obliegt es der amtlichen Lebensmittelüberwachung im Fall von Verstößen gegen Kennzeichnungsvorgaben der LMIV dem Lebensmittelunternehmer eine ordnungsgemäße Kennzeichnung durch Ordnungsverfügung auf Grundlage der EU-Überwachungsverordnung oder des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches aufzugeben. 5. Inwieweit sieht die Landesregierung durch die Umsetzung der Verordnung (und den damit verbundenen Mehraufwand für ehramtliche, engagierte Bürgerinnen und Bürger) ein Problem bei der Ausrichtung von karitativen Veranstaltungen? 1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7306 4 Es wird kein Problem gesehen, weil sich der Anwendungsbereich der Verordnung nicht im zu Antwort auf Frage 1 beschriebenen Umfang auf private Veranstaltungen erstreckt.