LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7368 21.11.2014 Datum des Originals: 21.11.2014/Ausgegeben: 26.11.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2847 vom 24. Oktober 2014 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/7130 Einsatz des V-Manns C. J. / Einhaltung des Verfassungsschutzgesetzes NRW Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2847 mit Schreiben vom 21. November 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Verfassungsschutzgesetz (SGV NRW) wird seit dem 28. Juni 2013 der Einsatz von Vertrauenspersonen (VP) geregelt. Unter anderem werden in § 7 Beschränkungen beim Einsatz von V-Leuten definiert. So ist der Einsatz nur erlaubt, wenn „die einzusetzende Person keine Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen hat oder während des Zeitraums ihrer Verpflichtung begeht“. Straftaten von erheblicher Bedeutung sind in § 8 des Polizeigesetzes NRW aufgelistet. Daneben existieren die „Gemeinsame(n) Richtlinien der Justizminister und der Innenminister der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung“ (RiStBV Anlage D). In diesen sind die transparenten Regelungen des Verfassungsschutzgesetzes nicht zu finden . Polizei und Verfassungsschutz haben so unterschiedliche Vorgaben über den Einsatz von V-Leuten. In meinen Kleinen Anfragen in den Drucksachen 16/5145 und 16/5558 habe ich die Landesregierung bereits vor dem Hintergrund der SPIEGEL-Berichterstattung über den V-Mann C. J. (I/230) aus der Duisburger Rockerszene zur Praxis im Umgang mit Vertrauenspersonen im Allgemeinen wie im speziellen Fall befragt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7368 2 Nun erschien am 15. Oktober 2014 erneut ein Artikel auf SPIEGEL ONLINE, in dem über einen Prozess gegen den V-Mann C. J. berichtet wird. Diesem werden von der Duisburger Staatsanwaltschaft massive Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz vorgeworfen. Dies sind Straftaten von erheblicher Bedeutung, die einen Einsatz als Vertrauensperson für den Verfassungsschutz ausschließen, bei der Polizei aber nicht. Bei seiner polizeilichen Vernehmung über die ihm vorgeworfenen Verstöße, soll C. J. im August 2013 auf seine Tätigkeit als V-Mann verwiesen haben. Offenbar hat er die ihm vorgeworfenen Straftaten während seines Einsatzes als Vertrauensperson des Innenministeriums begangen. Der offenbar exzessive Kokainkonsum kann den zuständigen VP-Führern kaum entgangen sein. 1. Wurde dem V-Mann C. J. für seine Tätigkeit als V-Mann Straffreiheit garantiert? Nein. 2. Wurde der V-Mann C. J. während seiner Tätigkeit als V-Mann in irgendeiner Form vor Strafverfolgung geschützt? Nein. Für einen Verstoß gegen die auch für Vertrauenspersonen (VP) und Informanten uneingeschränkt bestehende Strafverfolgungspflicht bestehen keine Anhaltspunkte. 3. Warum strebt die Landesregierung keine Harmonisierung der Regeln an bzw. übernimmt die Vorschriften des SGV NRW auch für die Polizei? Der Einsatz von VP durch den Verfassungsschutz und die Polizei unterscheidet sich in wesentlichen Anteilen sowohl in taktischer Ausrichtung, Dauer und Zielsetzung, als auch vor allem hinsichtlich der weiteren justiziellen Verwertung der gewonnenen Informationen. Die im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen unterstützend geführten polizeilichen VPEinsätze dienen der Erlangung beweisrelevanter Erkenntnisse in einem konkreten Strafverfahren . Sie unterliegen damit naturgemäß einer umfassenden Beweiswürdigung in der gerichtlichen Hauptverhandlung. Der VP-Einsatz des Verfassungsschutzes dient der langfristigen Beobachtung von Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs.1 VSG NRW. Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme von Informanten und den Einsatz von Vertrauenspersonen ist im Bereich der Strafverfolgung § 163 StPO und im Bereich der Gefahrenabwehr § 19 PolG NRW. Ergänzende Regelungen werden in Anlage D der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) „Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung“, dem gemeinsamen Runderlass des Justizministeriums und des Innenministeriums vom 17. Februar 1986 „Verfolgung von Straftaten - Inanspruchnahme von Informanten, Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern und sonstigen nicht offen ermittelnden Polizeibeamten -“ (SMBl. NRW. 2056) sowie im Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales Nordrhein-Westfalen „Führung und Einsatz von Vertrauenspersonen sowie Inanspruchnahme von Informanten im Bereich der Polizei“ (VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH) getroffen. Die vorgenannten, sich ergänzenden bereichsspezifischen Regelungen haben sich in der Vergangenheit uneingeschränkt bewährt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7368 3 Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Rahmenbedingungen und des konkreten Einsatzes von VP durch Verfassungsschutz und Polizei wäre mithin eine „Harmonisierung der Regeln“ nicht sachgerecht. 4. Kann die Landesregierung ausschließen, dass derzeit keine Vertrauensperson (sowohl für die Polizei als auch für den Verfassungsschutz) eingesetzt wird, die Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen hat oder begeht? § 7 VSG NRW regelt die Anforderungen für die Verpflichtung und den Einsatz von Personen zur Informationsbeschaffung. Die einzusetzende Person darf nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 VSG NRW keine Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen haben oder während des Zeitraums ihrer Verpflichtung begehen. Die Beachtung dieser Anforderungen wird vor der Verpflichtung einer Person in jedem Einzelfall durch eigene Ermittlungen der Verfassungsschutzbehörde überprüft und bei eingesetzten Personen im Rahmen des internen Controllings nachgehalten. Voraussetzung für die Begründung eines VP-Verhältnisses und die Führung einer Person als VP der Polizei ist deren Zuverlässigkeit. Die Prüfung der Zuverlässigkeit von VP erfolgt einzelfallorientiert und unter Anlegung eines restriktiven Maßstabes sowie unter Berücksichtigung der Erfordernisse einer effektiven Bekämpfung der Schwerkriminalität. Überprüfungen der Zuverlässigkeit finden kontinuierlich statt; Prüfergebnisse werden dokumentiert. Wird Unzuverlässigkeit festgestellt, ist ein VP-Verhältnis nicht zu begründen bzw. unmittelbar zu beenden. Werden Straftaten einer VP bekannt, so wird die Zusammenarbeit mit ihr grundsätzlich beendet . 5. Wie oft wurden Vertrauenspersonen seit dem 28. Juni 2013 auf Grundlage des neuen SGV NRW von ihrem Einsatz entbunden? Nach § 7 Abs. 4 VSG NRW ist eine Maßnahme zu beenden und sind die Strafverfolgungsbehörden zu unterrichten, sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine zur Informationsbeschaffung eingesetzte Person rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht hat. Bislang liegen zu keiner eingesetzten Person tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne dieser Norm vor.