LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7394 25.11.2014 Datum des Originals: 25.11.2014/Ausgegeben: 28.11.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2851 vom 24. Oktober 2014 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/7134 Gestiegene Belastung von Polizei und Justiz im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2851 mit Schreiben vom 25. November 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Gemäß § 36 Abs. 1 S. 1 Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) hat die Polizei unverzüglich eine richterliche Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen, wenn eine Person auf Grund von § 10 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Satz 3 oder § 35 festgehalten wird. Für diese Entscheidung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person festgehalten wird. Das Verfahren richtet sich in diesen Fällen nach den Vorschriften des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen. In diesem Zusammenhang sieht § 420 des Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vor, dass das Gericht den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören hat. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung des Betroffenen durch die Polizei angeordnet werden. Sofern die freiheitsentziehende Maßnahme nicht auf richterlicher Anordnung beruht, hat die zuständige Verwaltungsbehörde die richterliche Entscheidung gemäß § 428 Abs. 1 FamFG unverzüglich herbeizuführen. Ist die Freiheitsentziehung nicht bis zum Ablauf des ihr folgenden Tages durch richterliche Entscheidung angeordnet, ist der Betroffene freizulassen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7394 2 Aus der Justiz wird berichtet, dass diese Vorschriften bis April 2014 weitgehend unbeachtet geblieben sind. Erst die Beschwerde eines Betroffenen habe zu einer Änderung dieser Praxis geführt, die erhebliche Mehrbelastungen für Polizei und Justiz mit sich gebracht hätten. Diese Mehrbelastung ergebe sich insbesondere aus den Geboten der Unverzüglichkeit und der persönlichen Anhörung. Praktisch ergäben sich daraus z.B. folgende Konsequenzen:  Die Polizei müsse die Vorführung aus der Dienstschicht ohne zusätzliche Kräfte organisieren . Bei Randalierern, Betrunkenen etc. sei dies kaum zu bewerkstelligen.  In der dienstfreien Zeit seien Wachtmeister und Schreibkräfte zum Gericht zu beordern . Bei einer Mehrzahl von „Vorzuführenden“ erhöhe sich der Personalaufwand (Bewachung/Betreuung) weiter.  Gegebenenfalls seien Dolmetscher hinzuzuziehen.  Der Bereitschaftsrichter wohne nicht am Ort des Gerichtes; der außerhalb des Bereitschaftsdienstes zuständige Richter sei mit anderen Aufgaben (Sitzungen /Haftangelegenheiten in Strafsachen) betraut.  Entscheide sich der jeweilige Richter, das Polizeigewahrsam aufzusuchen und auf eine polizeiliche Vorführung zu verzichten, fehle es für seine Arbeit an geeignetem Raum und geeigneter „Logistik“. Das Computersystem der Polizei lasse keine Verwendung eines richterlichen USB-Sticks mit den notwendigen Formularen bzw. DVD o.ä. Datenträger zu. Ausdrucke etc. seien nicht möglich. Vorbemerkung der Landesregierung Bereits 2010 hat sich das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW zu den Auswirkungen im Zusammenhang mit richterlichen Entscheidungen über Zulässigkeit und Fortdauer von freiheitsentziehenden Maßnahmen (Ingewahrsamnahmen) berichten lassen. Nach einer Abfrage in den Kreispolizeibehörden wurde als Ergebnis festgestellt, dass es grundsätzlich keine größeren Probleme in diesem Zusammenhang gegeben hat. Es ist allerdings festzuhalten, dass eine Anhörung durch den Richter in geeigneten Räumlichkeiten in den jeweiligen Polizeigewahrsamen aus polizeilicher Sicht als wesentlich weniger personal- und zeitintensiv zu bewerten und insbesondere bei renitenten oder stark alkoholisierten Betroffenen vorzuziehen ist. 1. Ist der Landesregierung die beschriebene Problematik bekannt? Weder dem Justizministerium noch dem Ministerium für Inneres und Kommunales liegen Erkenntnisse vor, dass bei freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Vergangenheit gesetzliche Vorgaben unbeachtet geblieben sind. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen. 2. Wie stellt sich die landesweite Mehrbelastung von Polizei/Justiz aufgrund der beschriebenen Problematik dar? (Bitte im Hinblick auf die oben angeführten Kritikpunkte einzeln auflisten.) Dem Justizministerium und dem Ministerium für Inneres und Kommunales ist eine seit 2014 bestehende landesweite Mehrbelastung nicht bekannt. Die gesetzlichen Vorgaben werden stets beachtet. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7394 3 3. Welchen rechtlichen bzw. vollzugspraktischen Veränderungen müssten nach Ansicht der Landesregierung vorgenommen werden, um diese aus der beschriebenen Problematik resultierende Mehrbelastung zu verringern? Rechtliche Änderungen bei freiheitsentziehenden Maßnahmen erscheinen diesbezüglich nicht erforderlich. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen. 4. Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung ggfs. bereits ergriffen, um Abhilfe zu schaffen? Hierzu verweise ich auf die Antwort zu Frage 3.