LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7475 03.12.2014 Datum des Originals: 02.12.2014/Ausgegeben: 08.12.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2875 vom 5. November 2014 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/7244 Wie bewertet die Landesregierung neue Vorgaben zur Rechtschreibung in SchleswigHolstein „als Folge“ eines länderübergreifenden „Aufgabenpools“? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 2875 mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Schleswig-Holstein herrscht gegenwärtig Streit, weil die dortige Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW laut Pressemeldungen die Anforderungen bei der Bewertung von Rechtschreibfehlern abgesenkt hat. Hierbei betont zwar das dortige Ministerium, dass es nicht um die Reduzierung von Ansprüchen gehe. Gleichzeitig wurde jedoch laut Pressemeldungen der sogenannte Fehlerquotient abgesenkt, d.h., dass des Verhältnisses von Fehlern zur Wortanzahl eines Deutschaufsatzes, das dann in die Note einfließt. Der dortige Vorsitzende des Philologenverbands nannte die neuen Bewertungskriterien laut Presse „verheerend “. Eine Lehrerin berichtet, dass in der gymnasialen Oberstufe die Noten hierdurch eine halbe bis zu einer ganzen Note besser seien. Gleichzeitig besteht großer Ärger, weil demnach in den Klassen 5 bis 8 an Gymnasien zur Beurteilung der Sprachrichtigkeit statt Zensuren aufgrund der Fehlerquotienten auch verbalisierte Bewertungen möglich sind. Pädagogen beklagen , dass dies überhaupt keine Benotung der Rechtsschreibung mehr bedeuten könne, weil einfache Hinweise reichen würden, dass Schüler es zukünftig besser machen sollten. Laut des dortigen Ministeriums sei das neue Verfahren angeblich transparenter und gerechter, da man so Leistungen „sehr individuell würdigen“ könne und müsse. Selbstverständlich kann und darf es etwa bei Deutschaufsätzen nicht allein oder primär um das Quantifizieren von orthographischen oder auch grammatikalischen Fehlern gehen – Inhalt, Ausdruck etc. stellen wichtige und zentrale Bestandteile einer solchen Arbeit dar. Dennoch erschließt sich nicht genau, was an den dargestellten neuen Regelungen transparenter und gerechter sein soll; eine Würdigung, auch z.B. verbale Rückmeldungen zur weiteren Unterstützung und Motivation der Schülerinnen und Schüler schließen eine angemessene Form der Bewertung nicht LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7475 2 aus. Ebenfalls stellt sich die Frage, ob hier ein Abbau von Leistungsanforderungen umgesetzt wird. Daher wäre es wichtig zu erfahren, wie die nordrhein-westfälische Landesregierung dieses neue Verfahren unter Betrachtung der gültigen nordrhein-westfälischen Regelungen bewertet. Aus nordrhein-westfälischer Sicht ist darüber hinaus ein weiterer Aspekt des schleswigholsteinischen Vorgehens hoch interessant. Zur Begründung, warum man diese Änderungen vorgenommen hat, ist zu lesen: „Ministeriumssprecher Thomas Schunck begründet die Umstellung mit einer nötigen „Anpassung“ vor dem Hintergrund der Einführung des länderübergreifenden Abiturs: „Schleswig-Holstein hatte bisher im Vergleich zu anderen Bundesländern , in denen es statt Fehlerquotienten ausschließlich verbalisierte Rückmeldungen zur Sprachrichtigkeit gibt, eine sehr strenge Rechtschreibregelung.“ Da Nordrhein-Westfalen, wenn auch im Vergleich zu anderen Bundesländern verspätet, an dem gemeinsamen „Aufgabenpool “ partizipiert, wäre es wichtig zu erfahren, welche Folgen sich hieraus für Bewertungskriterien in Nordrhein-Westfalen ergeben. Vorbemerkung der Landesregierung Im Gegensatz zu fast allen anderen Bundesländern wird im Fach Deutsch in SchleswigHolstein im Abitur bei der Bewertung der Sprachrichtigkeit von Schülerarbeiten ein verbindlicher Fehlerquotient zugrunde gelegt. Der Sachverhalt ist dort in diesem Jahr besonders deutlich geworden, da Schleswig-Holstein erstmals mit fünf anderen Bundesländern am „länderübergreifenden Abitur“ teilgenommen hat. Dabei konnten die Schülerinnen und Schüler in Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Schleswig -Holstein im Fach Deutsch dieselbe Aufgabe wählen und bearbeiten. Bei der Bewertung galten jedoch die landeseigenen Vorgaben, so dass für die Klausuren der Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein bei der Sprachrichtigkeit ein Fehlerquotient errechnet wurde. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung von Schleswig-Holstein mit Beginn des neuen Schuljahres bei der Bewertung der Sprachrichtigkeit in Schülerarbeiten eine Veränderung der Relationen bei der Berechnung des Fehlerquotienten vorgenommen. Diese Korrektur betrifft zum einen die Zentralabiturklausuren und damit die Bewertung von Klausuren in der gymnasialen Oberstufe. Ein „abgeschwächter“ Fehlerquotient wird in Schleswig-Holstein auch bei den Zentralen Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss berechnet. Für die Lehrerinnen und Lehrer besteht - und bestand - jedoch keine Verpflichtung zur Übernahme dieses oder eines auf weitere Schulstufen heruntergebrochenen Fehlerquotienten für selbst erstellte Klausuren in den Klassen 5 – 8. In der Anfrage wird das „länderübergreifende Abitur“ der oben genannten sechs Länder mit dem „Aufgabenpool“ verwechselt, der im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK) beim Institut für Qualitätssicherung im Bildungswesen (IQB) unter Beteiligung aller 16 Bundesländer entstehen soll. An der Entwicklung dieses „Pools“ war Nordrhein-Westfalen von Anfang an beteiligt und „partizipiert“ daran nicht „im Vergleich zu anderen Bundesländern verspätet“. An dem „länderübergreifenden Abitur“ der oben genannten sechs Länder war und ist Nordrhein -Westfalen hingegen nicht beteiligt. Erste Überlegungen hierzu wurden seit 2008 von seinerzeit fünf unionsregierten Bundesländern angestellt, die sich auf ein „Südabitur“ verständigen wollten. Eine Teilnahme Nordrhein-Westfalens an der erstmals 2010 eingerichteten gemeinsamen Arbeitsgruppe wurde noch von der damaligen Ministerin Sommer abgelehnt . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7475 3 1. Wie erfolgt in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu den anderen Bundesländern die Bewertung des „Fehlerquotienten“ (bitte jeweils für die einzelnen Schulstufen, bei Veränderungen ggf. Jahrgangsstufen, dem Zeitpunkt und der Form – also mit Zensuren, in Textform oder verbal – der Bewertung im Vergleich zu anderen Bundesländern darlegen)? Die Berechnung eines Fehlerquotienten ist in Nordrhein-Westfalen auf keiner Jahrgangsstufe und in keinem Fach vorgesehen. Allerdings wird in den Kernlehrplänen für die Sekundarstufe I im Fach Deutsch der Darstellungsleistung bei der Leistungsfeststellung in Klassenarbeiten von Klasse 5 an eine hohe Bedeutung beigemessen. Dazu gehören die Beachtung der Stilebenen ebenso wie eine korrekte Orthographie und Grammatik. Grundsätzlich gilt hier, dass bei gehäuften Verstößen gegen die Sprachrichtigkeit die Gesamtnote um eine Notenstufe abgesenkt wird. Für die Abiturprüfung gilt die pauschale Regelung der gemeinsamen „Vereinbarung über die Abiturprüfung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“ der KMK in der Fassung vom 24.10.2008, nach der „schwerwiegende und gehäufte Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit oder gegen die äußere Form zu einem Abzug von einem oder zwei Punkten in einfacher Wertung“ führen (§ 6 Abs. 2). In der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die gymnasiale Oberstufe Nordrhein-Westfalens wird diese Vorgabe in § 13 (2) Satz 3 dergestalt umgesetzt, dass entsprechende Verstöße „zur Absenkung der Leistungsbewertung um eine Notenstufe in der Einführungsphase und um bis zu zwei Notenpunkten […] in der Qualifikationsphase“ - und damit auch in der Abiturprüfung - führen. Die Sprachrichtigkeit (Orthographie, Zeichensetzung, Grammatik) als integrierter Teil der Darstellungsleistung wird in Nordrhein-Westfalen in Bewertungskriterien abgebildet, die in stufengemäßer Ausprägung bei den Zentralen Prüfungen am Ende der Klasse 10, bei den Zentralen Klausuren am Ende der Einführungsphase und im Zentralabitur zur Anwendung kommen. Mit diesen Bewertungskriterien haben Lehrkräfte ein auch für Schülerinnen und Schüler transparentes Instrumentarium in der Hand, um Sprachrichtigkeit im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren der Darstellungsleistung differenziert zu bewerten. Damit wird gleichzeitig der oben genannten KMK-Vereinbarung Rechnung getragen. 2. Wie ordnet die Landesregierung die in Nordrhein-Westfalen bestehenden Rege- lungen im Vergleich zu anderen Bundesländern ein, wenn Schleswig-Holstein die dortigen, bisherigen Regelungen als „sehr streng“ bezeichnet hat? Die in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelungen basieren ebenso wie diejenigen in den anderen Ländern auf der oben genannten KMK-Vereinbarung. Die Umsetzung wird hier jedoch nicht pauschal oder gemäß Fehlerquotient vorgenommen, sondern anhand von Kriterien . 3. Wie bewertet die Landesregierung das Vorgehen in Schleswig-Holstein (bitte ge- trennt nach dem Aspekt des „Fehlerquotienten“ sowie dem Aspekt der verbalisierten Beurteilung eine Bewertung vornehmen)? Es ist nicht Aufgabe der nordrhein-westfälischen Landesregierung, das Vorgehen anderer Landesregierungen zu bewerten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7475 4 4. Plant Nordrhein-Westfalen im Zuge des „Aufgabenpools“ ebenfalls „Anpassungen “ (wenn ja, welche)? Die Entwicklungen in Bezug auf den „Aufgabenpool“ sind auf Bundesebene noch nicht abgeschlossen . Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, in welcher Form die Sprachrichtigkeit bei den Bewertungskriterien der zukünftigen „Poolaufgaben“ berücksichtigt wird. Insofern kann es keine Planungen von „Anpassungen“ geben. 5. Wie bewertet die Landesregierung den inhaltlichen Eindruck, dass das sinnvolle Instrument eines gemeinsamen „Aufgabenpools“ beschädigt wird, wenn es zur Absenkung von Leistungsanforderungen benutzt wird? Ein solcher „inhaltlicher Eindruck“ ist vor dem Hintergrund der Vorbemerkung und der Ausführungen zu den Fragen 1 - 4 nicht nachvollziehbar.