LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7487 04.12.2014 Datum des Originals: 04.12.2014/Ausgegeben: 09.12.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2874 vom 4. November 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/7242 Verzögerung bei Steuerbescheiden verheirateter Paare mit getrennter Veranlagung – Was unternimmt der Finanzminister, um Betroffenen nach Pannen im Rechenzentrum nun schnellstmöglich ihre Steuerrückerstattungen rechtssicher zukommen zu lassen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2874 mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits im Jahr 2011 wurde mit dem Steuervereinfachungsgesetz eine rechtliche Änderung beschlossen, die in diesem Jahr leider dazu führt, dass landesweit in Nordrhein-Westfalen schätzungsweise eine sechsstellige Anzahl von Steuerpflichtigen deutlich verzögert ihren Steuerbescheid erhält: Ab der Steuererklärung für das Jahr 2013 ist die Möglichkeit einer Einzelveranlagung von Ehepartnern neu geregelt worden, die die bisherigen Vorschriften zur getrennten Veranlagung ersetzt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ist dafür der heutige § 26a im Einkommensteuergesetz in dieser Form geschaffen worden. Bei der neuen Einzelveranlagung werden wie bislang Ehepartnern bzw. Lebenspartnern die eigenen Einkünfte zugerechnet. Im Gegensatz zur früheren getrennten Veranlagung werden Sonderausgaben, die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen sowie ferner außergewöhnliche Belastungen bei der Einzelveranlagung aber grundsätzlich demjenigen Steuerpflichtigen zugerechnet, der diese auch wirtschaftlich getragen hat. Auch wenn für die allermeisten Ehepaare die gemeinsame Veranlagung am günstigsten ist, da im Normalfall eine Einzelveranlagung zu einer höheren Steuerbelastung führt, gibt es nachvollziehbare Fallkonstellationen, in denen verheiratete Paare die getrennte Veranlagung als vorteilsbringende Variante wählen. Fachkreise begrüßen die eigeführten steuerlichen Gestaltungsoptionen und verweisen dabei insbesondere auf folgende Gründe, bei denen sich die neue Einzelveranlagung für Paare wirtschaftlich lohnen kann: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7487 2 - Die Eheleute haben annähernd gleich hohe Einkünfte, und bei Einzelveranlagung ergibt sich für jeden Ehepartner die Möglichkeit, bestimmte Höchstbeträge oder Freigrenzen auszunutzen. - Ein Verlustrück- oder Verlustvortrag wird geltend gemacht, und der andere Ehepartner hat keine hohen Einkünfte. - Ein Ehepartner ist kirchensteuerpflichtig und der andere nicht, und letzterer müsste bei Zusammenveranlagung ein besonderes Kirchgeld zahlen. - Ein Ehepaar will im Vorfeld einer Scheidung die Einkünfte und die daraus resultierende Steuerlast voneinander getrennt halten. - Ein Partner hat erhebliche tarifbegünstigte außerordentliche Einkünfte zu versteuern, die einem ermäßigten Steuertarif unterliegen (Fünftelregelung), und der zweite Ehepartner hat geringe normal besteuerte Einkünfte erzielt. - Nur ein Ehepartner ist Arbeitnehmer und der andere Selbständiger, und bei letzterem wird sonst sein Vorwegabzug bei den Vorsorgeaufwendungen gekürzt (im Rahmen der sogenannten Günstigerprüfung). - Ein Partner hat erhebliche steuerfreie Einkünfte mit Progressionsvorbehalt erzielt (zum Beispiel aus Arbeitslosengeld, Krankengeld, Kurzarbeitergeld sowie Auslandseinkünfte aus einem Nicht-EU-Staat, die nach Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Einkommensteuer freigestellt sind) und beim anderen Partner liegen relativ niedrige steuerpflichtige Einkünfte vor. - Beide Ehepartner haben als Ruheständler Nebeneinkünfte, und jedem der beiden wird bei Einzelveranlagung der Härteausgleich gewährt. Obwohl diese Gesetzesänderung bereits am 7. November 2011, also vor rund drei Jahren, bekanntgegeben worden ist, warten in diesem Jahr etliche Steuerzahler in NordrheinWestfalen schon seit einem Dreivierteljahr auf ihren Steuerbescheid. Dies ist ein immenses Ärgernis für die Betroffenen, da ihnen dadurch nennenswerte Steuerrückerstattungen erst mit langer zeitlicher Verzögerung zur Verfügung stehen. Für das Land hingegen wird dies zu einem Vorteil: Die zu erstattenden Steuerbeträge bleiben bis zur Zahlung in der Staatskasse und entlasten das hochverschuldete Land um einen entsprechenden Zinsbetrag. Gegenüber den verärgerten Steuerpflichtigen verweist die Finanzverwaltung lapidar darauf, dass die generelle Nichtbearbeitung dieser Steuererklärungen wohl aufgrund technischer Probleme im Rechenzentrum NRW noch nicht administriert werden kann. Dieser Umstand wirft die berechtigte Frage auf, warum sich die Steuerbehörden auf eine längst bekannte Gesetzesänderung aus dem Jahr 2011 bislang operativ nicht eingestellt haben. Vor diesem Hintergrund ist eine umfassende Information des Landtags über die Hintergründe dieser Probleme bei der Bearbeitung von Steuererklärungen angezeigt. Es ist kaum vorstellbar, dass es offenbar noch keine Bearbeitung dieser Steuersachverhalte gegeben haben soll. Entsprechende Schriftwechsel von Betroffenen mit der Finanzverwaltung, die erst wenige Wochen alt sind, liegen der FDP-Landtagsfraktion vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7487 3 Vorbemerkung der Landesregierung Das bundesweit bestehende Problem bei Einzelveranlagungen verheirateter und verpartnerter Paare ist inzwischen behoben worden. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben entweder ihre Bescheide bereits erhalten oder erhalten sie in Kürze. Grund für die Verzögerung waren keine technischen Pannen bei der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung oder Probleme im Rechenzentrum NRW, sondern eine Neuregelung im Einkommensteuergesetz (EStG): Erstmalig in den Steuererklärungen für das Jahr 2013 können Ehegatten und Lebenspartnerinnen und Lebenspartner die sogenannte Einzelveranlagung gemäß § 26a EStG beantragen. Zur korrekten programmtechnischen Umsetzung der Neuregelung waren durch Bundesgremien rechtliche Fragen zu klären, ehe eine Programmierung der Steuersoftware für alle Länder erfolgen konnte. 1. Wie viele verheiratete Paare haben sich landesweit ab dem Veranlagungszeitraum 2013 in Nordrhein-Westfalen nach den bislang vorliegenden Steuererklärungen einerseits für die Einzelveranlagung und andererseits für die gemeinsame Veranlagung entschieden? Es können keine Angaben gemacht werden, da derartige Anträge nicht bei Erklärungseingang sondern erst im Rahmen der Veranlagung statistisch erfasst werden. 2. Wie vielen dieser einzelveranlagten Ehepaare ist jeweils im ersten, zweiten und dritten Quartal des Jahres 2014 bereits ein abschließender Steuerbescheid übermittelt worden, der für die Betroffenen Rechtssicherheit schafft? Bei Einzelveranlagungen wird für jeden Ehepartner bzw. jede Lebenspartnerin oder jeden Lebenspartner eine gesonderte Steuerfestsetzung durchgeführt. Die Angaben in der folgenden Tabelle beziehen sich daher nicht auf Ehen bzw. Partnerschaften, sondern auf die einzelnen Partnerinnen und Partner. Anzahl der Steuerfestsetzungen Anzahl der endgültigen Steuerfestsetzung (aus Spalte 2) 1. Quartal 2014 0 0 2. Quartal 2014 3.253 3.224 3. Quartal 2014 53.958 52.218 4. Quartal 2014 bis einschließlich 12.11.2014 26.699 22.885 3. Wann erhalten die von den Problemen betroffenen Paare mit Einzelveranlagung nun endlich die Übermittlung ihres Steuerbescheides von den zuständigen Finanzämtern ? Eine Programmversion zur Bearbeitung der Grundfälle von Einzelveranlagungen steht den Finanzämtern seit dem 30.06.2014 zur Verfügung. Einige Fallgestaltungen konnten mit dieser Programmversion noch nicht bearbeitet werden. Seit dem 27.10.2014 können alle Fälle der Einzelveranlagung bearbeitet werden. Statistische Aufzeichnungen zu den zurückgestellten Fällen existieren nicht. Die betroffenen Fälle werden sukzessive mit hoher Priorität bearbeitet . Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben entweder die Bescheide bereits erhalten oder erhalten sie in den nächsten Wochen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7487 4 4. Welche Kompensation erhalten verheiratete Paare mit Einzelveranlagung im Falle eines Steuererstattungsanspruchs für diese verzögerte Gutschrift, die offenbar auf technischen Pannen bei der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung beruht und für den Zeitraum der Verzögerung finanzielle Vorteile für die Landeskasse erwirtschaftet ? Wie einleitend ausgeführt, beruhte die Verzögerung nicht auf technischen Pannen bei der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung. Davon abgesehen ist eine Kompensation für lange Bearbeitungszeiten nur nach Maßgabe der Abgabenordnung (AO) im Rahmen einer Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen möglich. Zweck der Regelung ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Einkommensteuer bei den einzelnen Steuerpflichtigen zwar regelmäßig mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig wird. Der Gesetzgeber hat dabei im Interesse einer einfachen Erhebung der Zinsen den Liquiditätsvorteil typisierend bewertet und damit eine Bewertung besonderer Umstände in Einzelfällen ausgeschlossen. Ein Ermessensspielraum für die Festsetzung von Zinsen ist der Finanzbehörde dabei nicht eingeräumt worden, so dass anderweitige Kompensationsmöglichkeiten gesetzlich nicht zulässig sind. Nach § 233a Abs. 2 AO ist ein Steuererstattungsbetrag 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres , in dem die Steuer entstanden ist, zu verzinsen. Die Einkommensteuer 2013 ist mit Ablauf des 31.12.2013 entstanden. Eine Verzinsung kommt daher erst ab dem 01.04.2015 in Betracht. 5. Welche Hintergründe und Probleme sind im einzelnen bei der nordrhein- westfälischen Finanzverwaltung und dem Rechenzentrum NRW genau dafür verantwortlich , dass eine Änderung der Gesetzeslage aus dem Jahr 2011 bis zum heutigen Datum offenbar noch keine rechtssichere Administration von den Steuererklärungen bei Einzelveranlagung ermöglicht? Probleme bei der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung und dem Rechenzentrum NRW waren kein Grund für die Verzögerung bei der Bearbeitung von Einzelveranlagungen. Ausschlaggebend waren notwendige bundesweite Abstimmungen; siehe hierzu auch die Vorbemerkung . Zwischenzeitlich wurde das Problem behoben. Seit dem 27.10.2014 können alle Fälle der Einzelveranlagung bearbeitet werden. Am 30.06.2014 wurde eine Programmversion zur Bearbeitung von Einzelveranlagungen bereitgestellt. Einige wenige besondere Fallgestaltungen konnten mit dieser Programmversion noch nicht bearbeitet werden. Die offenen Fragen wurden jedoch zeitnah geklärt und eine Programmversion, mit der alle Fälle bearbeitet werden können, wurde zum 29.09.2014 bereitgestellt. Insgesamt ist festzuhalten , dass die IT-Umsetzung nach Klärung der rechtlichen Vorgaben stets äußerst zeitnah erfolgte.