LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7534 09.12.2014 Datum des Originals: 05.12.2014/Ausgegeben: 12.12.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2878 vom 5. November 2014 der Abgeordneten Serap Güler CDU Drucksache 16/7247 Rechtsradikale Krawalle in Köln und Ausländerhetze im Internet – Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2878 mit Schreiben vom 5. Dezember 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am Sonntag, den 16. Oktober 2014, wurde die Stadt Köln als Schauplatz einer rechtsradikalen Demonstration missbraucht. Unter dem Deckmantel, gegen Salafismus demonstrieren zu wollen, haben sich rund 4.500 Rechtsextreme und Hooligans bei der Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ („HoGeSa“) zusammengefunden. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Demonstranten mit der Polizei wurden insgesamt 44 Polizisten sowie einige Bürger verletzt. Passanten und Fahrgäste in Zügen nach Köln wurden angepöbelt, beleidigt und bedroht. Es kam zum ersten WasserwerferEinsatz in Köln seit Jahrzehnten, zudem mussten Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt werden. Die Bilder, die von Medien bundessweit und auch im Ausland verbreitet wurden, machen die ganze Dimension der Gewalttaten deutlich. Die Ausschreitungen haben dem Ansehen der Stadt Köln, des Landes Nordrhein-Westfalens und Deutschlands insgesamt Schaden zugefügt. Offenkundig ist, dass es sich bei den Teilnehmern im Wesentlichen um zwei Gruppen handelt . Zum einen um sogenannte Hooligans, zum anderen um Rechtsextreme, Rechtsradikale und Neonazis. Bereits dem Vorlauf im Internet war zu entnehmen, dass rechtsextreme Gruppierungen maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung der Demonstration beteiligt waren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7534 2 Gemeinsam haben gewaltbereite Hooligans und Rechtsradikale an diesem Tag ihrem Hass gegenüber Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, vor allem gegenüber Muslimen, freien Lauf gelassen. „Ausländer raus“-Rufe und das Zeigen des Hitlergrußes sind auf vielen Videoaufnahmen zu sehen. Der Auftritt der rechtsextremen Band „Kategorie C“ muss als Ankündigung einer geplanten Gewalteskalation gewertet werden. „Kategorie C“ ist ein Begriff aus der Arbeit der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze“ der Polizei Nordrhein-Westfalen und steht für gewaltsuchende „Fußballfans“. Auch im Nachgang zu den Ereignissen in Köln ist in sozialen Medien und Internetportalen wie „Politically Incorrect“, das u.a. als Sprachrohr der rechtsextremen Szene gilt, eine neue Dimension der Gewaltverherrlichung festzustellen. Viele Nutzer dieses Portals äußern sich relativierend und verherrlichend über die Gewaltausschreitungen, aber auch in redaktionellen Beiträgen stellt „PI“ die Demonstration als „friedfertig“ und „gewaltlos“ dar (http://www.pinews .net/2014/10/das-wunder-von-koeln/). Nun gilt es, neben einer strafrechtlichen Aufarbeitung auch zu einer politischen Bewertung zu gelangen. Nicht nachvollziehbar ist die Reaktion des Innenministers einen Tag nach der „HoGeSa“-Demonstration in Köln. Er erklärte, die Polizei habe über ein „funktionierendes Konzept“ für den Umgang mit den Gewalttätern verfügt. Dem steht der Verlauf der Ereignisse eindeutig entgegen. Erstaunlich ist ebenso, warum im Vorfeld der Demonstration die Teilnehmerzahl, die laut Innenminister „sehr präzise“ eingeschätzt wurde, nicht auch gegenüber der Öffentlichkeit oder den am Einsatz beteiligten Beamten kommuniziert wurde. Der Presse ist die Äußerung zu entnehmen, sie wären auf 1.000 bis 2.000 Teilnehmer eingestellt gewesen. Das lässt die Vermutung aufkeimen, dass der Innenminister die eigentliche Dimension und die Risikobewertung komplett unterschätzt und somit fahrlässig gehandelt hat. Irritierend ist zugleich, dass es angesichts der Gewalteskalation und 44 verletzten Beamtinnen und Beamten zu lediglich 17 Festnahmen kam. Weiterhin muss geklärt werden, warum die Versammlung an so einer zentralen Stelle wie dem Kölner Hauptbahnhof – wo täglich bis zu 280.000 Reisende zugegen sind – und unmittelbar in der Nähe der Weidengasse stattfinden musste, an der viele Türkeistämmige Menschen leben und arbeiten. Die Ermittlungsbehörden konzentrieren sich nunmehr auf die Auswertung von Videomaterial, das in größerem Umfang vorliegen soll. Vorbemerkung der Landesregierung Zum Einsatz der Polizei aus Anlass der Demonstration der sogenannten Gruppierung „Hooligans gegen Salafisten“ („HoGeSa“) am 26.10.2014 in Köln habe ich bereits in der Sitzung des Plenums des Landtags am 05.11.2014 ausführlich Stellung genommen. Darüber hinaus hat das Ministerium für Inneres und Kommunales der Präsidentin des Landtags mit Schreiben vom 14.11.2014 den „Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales zum Tagesordnungspunkt ‚Randale von Hooligans/Rechtsextremen in Köln eskaliert‘ der Sitzung des Innenausschusses am 20.11.2014“ (Landtagsvorlage 16/2417) übermittelt. Dieser stellt die Geschehensabläufe beim Einsatz der Polizei aus Anlass der Demonstration der sogenannten Gruppierung „HoGeSa“ detailliert dar. Soweit sich die Fragen der Kleinen Anfrage LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7534 3 auf Themen beziehen, die bereits Gegenstand des genannten Berichtes waren, wird bei der Beantwortung auf diesen verwiesen. 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die an der gewaltsamen De- monstration beteiligten Organisationen und Einzelpersonen (auch mit Blick auf den Verlauf im Internet)? Über die Zusammensetzung der Teilnehmer der Demonstration der sogenannten Gruppierung „HoGeSa“ zum derzeitigen Kenntnisstand wird auf die entsprechende Darstellung in dem „Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales (S. 11/12) zum Tagesordnungspunkt ‚Randale von Hooligans/Rechtsextremen in Köln eskaliert‘ der Sitzung des Innenausschusses am 20.11.2014“ (Landtagsvorlage 16/2417) verwiesen. Das Polizeipräsidium Köln hat zur Gewährleistung einer umfassenden Strafverfolgung eine Ermittlungsgruppe eingerichtet . Diese wird die Erkenntnislage zu den Teilnehmern weiter verdichten. 2. Welche Rolle haben rechtsradikale Organisationen wie die „German Defense Lea- gue“ in der Vorbereitung/Durchführung der „HoGeSA“-Demonstration gespielt? Rechtsextremistische Organisationen hatten bei der Vorbereitung und Durchführung der Demonstration der sogenannten Gruppierung „HoGeSa“ nach derzeitiger Bewertung die Rolle von Trittbrettfahrern. 3. Wann kann mit einer Auswertung des Bildmaterials gerechnet werden? (Bitte ge- trennt auflisten: Bildmaterial von Videowagen und Handkameras, Luftbildaufnahmen von Hubschraubern, Aufnahmen durch Kameras der Gebäudeüberwachung und vor allem des Kölner Hauptbahnhofs etc.) Die Ermittlungsgruppe des Polizeipräsidiums Köln umfasst 36 Beamtinnen und Beamte. 17 davon sind seit dem 27.10.2014 damit befasst, das Bild-, Video- und Filmmaterial über die Geschehensabläufe zu bündeln, im Hinblick auf strafrechtlich relevantes Verhalten auszuwerten und als Beweismittel im Strafverfahren zu sichern. Mit Stand vom 10.11.2014 liegen der Ermittlungsgruppe 39 DVDs, zehn Blu-Ray-Disks, zwei CDs, sieben SD-Speicherkarten und sieben Videobänder bzw. -kassetten unterschiedlicher Formate mit Bild- und Videomaterial vor. Es handelt sich hierbei vor allem um die Aufzeichnungen der Bereitschaftspolizeien des Landes Nordrhein-Westfalen und des Bundes, die Luftbildaufnahmen der eingesetzten Hubschrauber-Fliegerstaffel und die Bild- und Videoaufzeichnungen von gewerblichen Betrieben, Privatpersonen und Medienvertretern. Daneben hat die Deutsche Bahn AG videografisches Material aus dem räumlichen Bereich des Hauptbahnhofs zur Verfügung gestellt, dessen Datenvolumen auf etwa sieben bis acht Terabyte geschätzt wird. Zu diesen bereits in Bearbeitung befindlichen Datenträgern treten weitere , durch Dritte sukzessive übersandte Dokumentationen hinzu, die der Ermittlungsgruppe ebenfalls zur Auswertung vorgelegt werden. Zum Stand der Ermittlungen, Teil dessen auch die Auswertung von Bildmaterial ist, wurde in der Sitzung des Innenausschusses am 20.11.2014 ausführlich Stellung genommen. Demnach wurden beim Polizeipräsidium Köln (Stand 19.11.2014) 134 Ermittlungsverfahren, u.a. wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, Körperverletzungsdelikten, Bedrohung , Widerstand, Beleidigung, Sachbeschädigung, Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Diebstahl, Missbrauch von Notrufen und LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7534 4 Verstößen gegen das Versammlungs- bzw. Sprengstoffgesetz eingeleitet. Es wurden bislang 78 Tatverdächtige identifiziert. Von den 78 identifizierten Tatverdächtigen haben o 7 Personen den Hinweis „Straftäter rechts motiviert“ o 8 Tatverdächtige haben kriminalpolizeiliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit poli- tisch motivierten Straftaten mit rechtsextremistischem Bezug o 8 Personen sind in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfasst, o 14 weitere Personen sind als „Gewalttäter“ bekannt. 4. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Wirken von Rechtsra- dikalen in der Fanszene? Das Thema wird auf der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) am 11./12. Dezember 2014 intensiv beraten. Zur Vorbereitung haben die Arbeitskreise II (Polizei) und IV (Verfassungsschutz) der IMK auf ihrer gemeinsamen Sitzung am 30.10.2014 eine Bund-Länder-Projektgruppe beauftragt, das Phänomen „Hooligans gegen Salafisten" zu bewerten und gebeten, erste Maßnahmen für ein bundesweites Vorgehen gegen diese Gruppierung vorzuschlagen. Darüber hinaus wurde beim Landeskriminalamt NRW unter Einbeziehung von Experten zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und von Staatsschutzdelikten ein landesweites, operativ und fachübergreifend ausgerichtetes Analyse- und Auswerteprojekt zu der sogenannten Gruppierung „HoGeSa" mit dem Ziel eingerichtet, die Erkenntnislage insbesondere zu Hauptakteuren, Rädelsführern, Strukturen, Vernetzungen und Mobilisierungspotential zu verbessern sowie alle rechtlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung des Phänomens auszuschöpfen . 5. Gedenkt die Landesregierung die Plattform „Politically Incorrect“ endlich vom Landesverfassungsschutz beobachten zu lassen? Der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen unter den Voraussetzungen der gesetzlichen Vorgaben nach dem Verfassungsschutzgesetz NRW. Fälle, in denen die Voraussetzungen in der Vergangenheit noch nicht vorgelegen haben, werden bei neuen Anhaltspunkten dahingehend überprüft, ob eine andere fachliche Bewertung notwendig ist.