LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/756 29.08.2012 Datum des Originals: 28.08.2012/Ausgegeben: 03.09.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 297 vom 27. Juli 2012 der Abgeordneten Monika Pieper PIRATEN Drucksache 16/459 Burnout-Syndrom bei Lehrern Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 297 mit Schreiben vom 29. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Viele Lehrer klagen über immer schwierigere Schüler, immer mehr Verwaltungsaufwand und weitere zusätzliche Belastungen. Durch die steigenden Anforderungen an die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen kommt es zunehmend häufig zu langfristigen Erkrankungen bei Lehrern. Die Anzahl von Burnout- Fällen nimmt scheinbar deutlich zu. Die Umstellung auf ein inklusives Schulsystem wird vor allem in der Übergangsphase zu einer weiteren Belastung der Kollegien führen. Vorbemerkung der Landesregierung Die Erhaltung und Förderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten ist der Landesregierung ein sehr wichtiges Anliegen. Die Schulen werden in vielfältiger Weise bei der Förderung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Lehrkräfte unterstützt. Zahlreiche Institutionen, wie z.B. der überbetriebliche arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Dienst, der schulpsychologische Dienst, die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen oder die kommunalen Schulträger engagieren sich für den Arbeitsschutz, die Unfallverhütung und die Gesundheitsförderung der Lehrkräfte. Langfristige Erkrankungen von Lehrkräften werden von der Schulaufsicht im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX in den Blick genommen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/756 2 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: 1. Wie hoch ist die Zahl der Lehrer, die in Nordrhein-Westfalen aktuell an einem Burnout Syndrom erkrankt sind? (Bitte nach Schulformen aufgegliedert) 2. Wie hoch war die Anzahl der Erkrankungen in den vergangenen fünf Jahren im Vergleich? Der Landesregierung liegen keine statistischen Angaben zu den Ursachen krankheitsbedingter Fehlzeiten von Beschäftigten vor. 3. Wie wird der durch langfristige Erkrankungen entstehende Unterrichtsausfall kompensiert? Ein vorrangiges Ziel der Landesregierung ist es, Unterrichtsausfall auch bei langfristigen Erkrankungen von Lehrkräften zu verhindern. Hierzu stehen im Wesentlichen folgende Instrumente zur Verfügung: Für alle Schulformen werden mit dem Programm „Flexible Mittel für den Vertretungsunterricht “ aktuell im Rahmen der vorläufigen Haushalts- und Wirtschaftsführung 45,862 Mio. EUR bis voraussichtlich Ende November 2012 zur Verfügung gestellt. Mit diesen Mitteln wird insbesondere bei längerfristigen Erkrankungen der befristete Einsatz von Vertretungslehrkräften ermöglicht. Darüber hinaus gibt es für die Grundschulen zusätzlich eine Vertretungsreserve im Umfang von 900 Stellen. Grundschulen können bei dem jeweils zuständigen Schulamt Lehrkräfte aus dieser Vertretungsreserve anfordern. Ferner stehen den Schulen 4.000 Stellen gegen Unterrichtsausfall, für Vertretungsaufgaben und zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung. Mit diesen Stellen erhalten die Schulen zusätzliches Potenzial, um ihre schulinternen Vertretungskonzepte zu optimieren und damit den vorgesehenen Unterricht sowie differenzierte Förderangebote zu realisieren. 4. Welche Präventionsmaßnahmen sind vorgesehen, um weitere Erkrankungen in Zukunft zu vermeiden? Im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX sind im konkreten Einzelfall dienstrechtliche oder schulorganisatorische Präventionsmaßnahmen vorgesehen. Dienstrechtliche Maßnahmen sind beispielsweise die gestufte Wiedereingliederung in den Berufsalltag, Teilzeiten, Abordnungen oder Versetzungen. Bei den schulorganisatorischen Maßnahmen kommen zum Beispiel Veränderungen des Stundenplans , Entscheidungen über eine Klassenleitung, Vereinbarungen zu Freistunden oder über den Umfang außerunterrichtlicher Verpflichtungen in Betracht. Im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes können die an den Schulen durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen der Arbeitsplätze gemäß § 5 ArbSchG Anknüpfungspunkte für Maßnahmen sein. Insbesondere bei der regelmäßigen Ermittlung der Gefährdungspotenziale der Arbeitsplätze, der Veranlassung der Gefahrenbeseitigung und der Dokumentation von Tätigkeiten steht der überbetriebliche arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/756 3 Dienst umfänglich zur fachlichen Unterstützung der Schulleitungen bereit. Ergänzend dazu wird an den Schulen im Regierungsbezirk Düsseldorf schrittweise eine Erhebung der psycho-sozialen Belastungen der Lehrkräfte durchgeführt, um insoweit zusätzliche Erkenntnisse über Probleme und Maßnahmemöglichkeiten zu gewinnen. Hierzu wird der sog. COPSOQ -Fragebogen (Copenhagen psycho-social questionnaire) eingesetzt, der von der unabhängigen Freiburger Forschungsstelle für Arbeits- und Sozialmedizin weiterentwickelt wurde, die die Erhebung im Auftrag des Landes durchführt. Es ist beabsichtigt, diese auf weitere Bezirksregierungen auszudehnen. Die Landesregierung fördert die Gesundheit von Lehrkräften auch über die schulpsychologischen Dienste, die es in allen Kreisen und kreisfreien Städten gibt, sowie über das Landesprogramm „Bildung und Gesundheit". Das ist das gemeinsame Programm der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung, der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, des BKK Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, der AOK (AOK Rheinland/Hamburg und AOK Westfalen-Lippe) und der BARMER zur Förderung der integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen und Schulen . 5. Wie schätzt die Landesregierung die Mehrbelastung ein, die durch die Einfüh- rung eines inklusiven Schulsystems für die Lehrer entsteht? Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist für die Bundesrepublik - und somit auch für die Länder - eine große Aufgabe für alle gesellschaftlichen Bereiche, selbstverständlich auch für den schulischen Bereich. Der Weg zu einem inklusiven Schulsystem ist ein langfristiger, mehrjähriger Prozess, der schrittweise, sorgsam, zielgerichtet und nachhaltig , aber konsequent gegangen wird. Somit handelt es sich nicht um eine technokratische „Einführung". Der Begriff „Einführung" suggeriert, dass dann in einem zeitlichen Zusammenhang "Vollzug bzw. Umsetzung" erfolgt und somit die Aufgabe abgeschlossen ist. Der Weg zu einem inklusiven Schulsystem baut in Nordrhein-Westfalen auf einer langjährigen Erfahrungstradition des Gemeinsamen Unterrichts auf und wird nun konsequent weiter entwickelt. Mittlerweile werden in Nordrhein-Westfalen in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I rund 20 Prozent aller Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf integrativ unterrichtet. Folglich hat eine entsprechende Anzahl an Lehrkräften bereits - in unterschiedlichem Ausmaß - Erfahrung mit dem gemeinsamen Lernen. Durch Fortbildung und andere Unterstützungsmaßnahmen wird dieser Prozess begleitet. Es liegen keine konkreten Erkenntnisse oder Daten vor, inwieweit ein „inklusives Schulsystem " Mehrbelastung und in diesem Zusammenhang Anzeichen von „Burnout-Syndrom" entstehen lässt. Hingegen gibt es eine Vielzahl an Erfahrungsberichten von Lehrkräften, die nach anfänglicher Skepsis das Unterrichten im Gemeinsamen Unterricht als gewinnbringend empfinden.