LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7602 15.12.2014 Datum des Originals: 11.12.2014/Ausgegeben: 18.12.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2909 vom 11. November 2014 der Abgeordneten Ina Scharrenbach CDU Drucksache 16/7291 Neue Pflegedokumentation – weniger Bürokratie, mehr Qualität: Erfolgt eine Weisung durch die Landesregierung an die Heimaufsichten in Nordrhein-Westfalen? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 2909 mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im April 2014 wurde der Abschlussbericht zum Projekt „Praktische Anwendung des Strukturmodells – Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“ im Auftrag des CDU-geführten Bundesministeriums für Gesundheit in Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. und dem Bundesverband Privater Anbieter sozialer Dienste e.V. veröffentlicht. „Anlass für das Projekt war der breite Konsens darüber, dass die Pflegedokumentation ein überbordendes Ausmaß im Pflegealltag angenommen hatte. Sie nahm einerseits den Pflegebedürftigen zu viel Pflegezeit weg, andererseits belastete und frustrierte das bürokratische Arbeiten in diesem enormen Umfang die Pflegenden. Für das Thema musste dringend ein Lösungsweg aufgezeigt werden, weil es die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsmotivation und Arbeitszeit der Pflegenden beeinflusst und damit auch die Attraktivität der Arbeit in der Langzeitpflege maßgeblich mitbestimmt.“ (Auszug aus „Handlungsanleitung zur praktischen Anwendung des Strukturmodells (ambulant/stationär), der integrierten Strukturierten Informationssammlung (SIS) mit der Matrix zur Risikoeinschätzung, der Maßnahmeplanung und der Evaluation sowie mit Hinweisen zum Handlungsbedarf auf der betrieblichen Ebene“, 7. Oktober 2014, Berlin). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7602 2 Mit dem neuen Strukturmodell wird es gelingen, einen erheblichen Anteil der heutigen Pflegedokumentation zugunsten der Altenpflegefachkräfte einzusparen, damit letztendlich mehr Zeit für die Pflege selbst zur Verfügung steht. Wirklich gelingen kann die Implementierung des neuen Strukturmodells nur, wenn die Heimaufsichten und die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung das neue Strukturmodell ebenfalls verinnerlichen. In Nordrhein-Westfalen ist die Heimaufsicht im Wohn- und Teilhabegesetz Nordrhein-Westfalen geregelt. In unserem Bundesland übernehmen die Kreise und die kreisfreien Städte die Heimaufsicht als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahr. Vorbemerkung der Landesregierung: An der praktischen Erprobung des Modellversuches zur Entbürokratisierung der Pflege haben auch verschiedene Einrichtungen in NRW teilgenommen (7 stationäre Einrichtungen und 20 ambulante Pflegedienste). In einer Dienstbesprechung mit allen Bezirksregierungen und allen zur Durchführung des Wohn- und Teilhabegesetzes zuständigen Kreisen und kreisfreien Städten am 6. Mai 2014 wurde die Frage erörtert, ob diese Art der Pflegedokumentation für alle Beteiligten ausreichend ist und wie sich Ordnungs-, Haftungs- und Leistungsrecht gegenüber der fachlichen Bedeutung für den Pflegeprozess verhalten. In der Dienstbesprechung wurde deutlich, dass im Rahmen der Erprobung unterschiedliche Erfahrungen gemacht wurden. So wollen wohl nicht alle Einrichtungsträger das neue Verfahren übernehmen, vor allem, weil die im Projekt vorgenommene rechtliche Bewertung einer haftungsrechtlichen Unbedenklichkeit durchaus kritisch gesehen wird. Dennoch scheint es im Land eine überwiegend hohe Zustimmung zum entwickelten Verfahren zu geben. Das Wohn- und Teilhabegesetz schreibt zwar in § 10 Absatz 1 i. V. m. § 24 Nr. 4 WTG-DVO vor, dass die Umsetzung der individuellen Pflegeplanungen dokumentiert werden muss. Es verlangt jedoch kein bestimmtes Dokumentationssystem. Daher bestehen seitens der Landesregierung nach den bisher positiven Erfahrungen keine ordnungsrechtlichen Bedenken gegen die Einführung/Weiterführung dieses neuen Dokumentationsverfahrens . In der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft nach § 17 WTG vom 23.10.2014, in der u. a. die Trägerverbände , die Aufsichtsbehörden und die Sozialverbände vertreten sind, wurde diese Auffassung auch bekannt gegeben. Dennoch ist die Landesregierung der Ansicht, dass eine flächendeckende Umsetzung in Nordrhein-Westfalen erleichtert würde, wenn der Bund eine gesetzliche Verlässlichkeit gerade in der Frage der Haftung herbeiführte. 1. Wird die Landesregierung als oberste Aufsichtsbehörde den Kreisen und kreis- freien Städten eine Weisung erteilen, um die gleichmäßige Durchführung der Heimaufsicht unter den Bedingungen des neuen Strukturmodells der Pflegedokumentation zu gewährleisten? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7602 3 2. Wann können die Kreise bzw. kreisfreien Städte mit einer entsprechenden Weisung rechnen? Vor dem oben geschilderten Hintergrund kommt eine Weisung an die Kreise und kreisfreien Städte nicht in Betracht, da die Entscheidung, das neue Dokumentationssystem einzuführen, in der Verantwortung der jeweiligen Einrichtungsträger liegt. Dass grundsätzlich keine ordnungsrechtlichen Bedenken bestehen, wurde den Behörden und der AG nach § 17 WTG bereits mitgeteilt. 3. Falls Frage 1 mit „nein“ beantwortet werden sollte: Wie will die Landesregierung als oberste Aufsichtsbehörde sicherstellen, dass die Heimaufsichten die Prüfungen nach dem neuen Strukturmodell landesweit einheitlich vornehmen? Generell beabsichtigt die Landesregierung, eine einheitliche Rechtsanwendung und einheitliche Prüfungen verstärkt durch regelmäßige Dienstbesprechungen sicherzustellen. Dazu gehört vor allem im 1. Quartal 2015 auch die Durchführung von Einführungsveranstaltungen in das neue Wohn- und Teilhabegesetz in allen fünf Regierungsbezirken. Dabei wird auch die Frage der Prüfung der Pflegedokumentationen behandelt werden. 4. Wann ist mit einer Anpassung des Rahmenprüfkataloges des Landes Nordrhein- Westfalen für die Heimaufsichten zu rechnen? Die Anpassung des Rahmenprüfkataloges erfolgt seit dem Frühjahr 2014 in einem partizipativen Verfahren in einer Unterarbeitsgruppe zur AG nach § 17 WTG. Mit der Überführung der Beratungsergebnisse in einen Entwurf eines neuen nach den einzelnen Wohn- und Betreuungsangeboten differenzierten Rahmenprüfkataloges wurde das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung in Köln beauftragt, das auch den laufenden Entwicklungsprozess in der Unterarbeitsgruppe begleitet. Die Fertigstellung des Rahmenprüfkatalogs ist für das 1. Quartal 2015 geplant. Aus den in der Vorbemerkung dargelegten Gründen wird der Rahmenprüfkatalog jedoch keine Vorgaben für ein bestimmtes Dokumentationssystem enthalten. 5. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, damit die beiden Medizi- nischen Dienste der Krankenversicherung in Nordrhein-Westfalen die Umsetzung des neuen Strukturmodells in der Pflegedokumentation aktiv begleiten? Im Gegensatz zu den nach dem WTG zuständigen Kreisen und kreisfreien Städten unterliegen die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung als Selbstverwaltungskörperschaften nicht der unmittelbaren fachlichen Weisung der Landesregierung, sondern lediglich einer allgemeinen Rechtsaufsicht. Sie sind jedoch in der AG nach § 17 WTG vertreten und insoweit auch informiert (vgl. Vorbemerkung und Antwort zu Frage 1). Allerdings haben die Vertragsparteien in der Pflege (GKV-Spitzenverband, unter Beteiligung der Verbände der Pflegekassen und des Medizinischen Dienstes, die Trägerverbände der Pflegeeinrichtungen, die kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie die Interessenverbände der Pflegebedürftigen und der Selbsthilfe) den nötigen Beschluss gefasst, um die Voraussetzungen für die flächendeckende Umsetzung der Projektergebnisse zu schaffen, so dass auch die beiden Medizinischen Dienste der Krankenversicherung in Nordrhein-Westfalen eingebunden sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7602 4 Außerdem beabsichtigt das MGEPA, zur Sicherstellung von Transparenz und Partizipation aller Beteiligten, dem auf der Grundlage des Alten- und Pflegegesetzes neu zu bildenden Landesausschuss Alter und Pflege in NRW eine Befassung im Rahmen einer Arbeitsgruppe vorzuschlagen.