LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7618 16.12.2014 Datum des Originals: 16.12.2014/Ausgegeben: 22.12.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2920 vom 17. November 2014 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/7338 Wie bereitet sich Nordrhein-Westfalen auf den elektronischen Rechtsverkehr vor? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2920 mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten ist am 16. Oktober 2013 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Durch die Neuregelung in der Zivilprozessordnung und in den anderen Verfahrensordnungen werden die elektronischen Zugangswege für die Anwaltschaft zur Justiz erweitert. Ausgenommen von der elektronischen Einreichung sind lediglich die Verfassungs- und die Strafgerichtsbarkeit. Das Gesetz verpflichtet die Bundesrechtsanwaltskammer zum 1. Januar 2016 für jeden Rechtsanwalt und jede Rechtsanwältin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einzurichten, über das zukünftig die elektronische Kommunikation von Anwälten abgewickelt wird. Die Regelungen des Inkrafttretens schaffen einen Zeitplan der Umsetzung des Gesetzes, der vorsieht, dass sich die Gerichte des Bundes und der Länder grundsätzlich am 1. Januar 2018 flächendeckend für den Empfang elektronischen Rechtsverkehrs öffnen und für Länder , die infrastrukturell noch nicht weit genug sein werden, die Möglichkeit besteht, diese Öffnung für die Jahre 2018 und 2019 zurückzustellen (Opt-Out-Klausel). Die flächendeckende Öffnung des elektronischen Rechtsverkehrs mit allen Gerichten in Deutschland wird demnach spätestens zum 1. Januar 2020 erfolgen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, schneller vorzugehen: Hat ein Land von der Verschiebung der Einführung keinen Gebrauch gemacht, soll schon ab dem 1. Januar 2020 eine Wahlmöglichkeit zur Einführung des verpflichtend zu nutzenden elektronischen Rechtsverkehrs bestehen (Opt-In-Klausel). Wurde hingegen von der Opt-Out-Regelung Gebrauch gemacht, besteht eine gerichtsbarkeitsweise Wahlmöglichkeit zur Einführung elektronischen Rechtsverkehrs einzig ab dem 1. Januar 2021. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7618 2 Als echter Endzeitpunkt ist der 1. Januar 2022 vorgesehen, zu dem alle Länder in allen Gerichtsbarkeiten den obligatorischen, für „professionelle“ Einreicher verbindlich zu nutzenden elektronischen Rechtsverkehr eröffnen. Ab diesem Zeitpunkt ist für die professionell am Rechtsleben Teilnehmenden nur noch die elektronische Einreichung schriftformwahrend im verfahrensrechtlichen Sinn. Mit der Zweiten Ergänzung zum Haushaltsgesetz 2015 hat die Landesregierung für Mehrausgaben aufgrund des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs in Kapitel 04 020, Titelgruppe 60 insgesamt 6,4 Mio. € veranschlagt. 1. Welche (infrastrukturellen, organisatorischen usw.) Maßnahmen plant die Landes- regierung zu welchem Zeitpunkt zu ergreifen, um die Voraussetzungen für die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs an allen nordrhein-westfälischen Gerichten zum 1. Januar 2018 zu schaffen (soweit vorhanden bitte in Form eines Zeitund Maßnahmen-Plans)? Die Gerichte des Landes Nordrhein-Westfalen sind bereits heute jeweils mit dem Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) ausgestattet. Bei allen Arbeits-, Verwaltungs -, Finanz- und Sozialgerichten in Nordrhein-Westfalen können Klagen, Anträge und sonstige Schriftsätze elektronisch eingereicht werden. Für die übrigen Gerichte ist die Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs sukzessive mit der Einführung der elektronischen Akte geplant. Die betrieblichen und infrastrukturellen Vorbereitungen, für die mit der Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs sukzessiv einhergehende Ausweitung des EGVP-Betriebs, werden durch den zentralen IT-Dienstleister (ITD) der Justiz des Landes NRW erfolgen. Der ITD wurde durch AV vom 13.12.2013 mit Wirkung ab dem 01.01.2014 bei dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln eingerichtet. 2. Inwieweit beabsichtigt die Landesregierung, von Opt-Out- oder Opt-In-Klauseln Gebrauch zu machen? Die Landesregierung beabsichtigt, von der Opt-Out-Klausel keinen Gebrauch zu machen. Hinsichtlich der Opt-In-Klausel ist die Planung noch offen. Hierzu finden Abstimmungsgespräche mit den betroffenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten statt. 3. Inwieweit beabsichtigt die Landesregierung, Gerichte der ordentlichen Gerichts- barkeit vor dem 1. Januar 2018 den Fachgerichtsbarkeiten entsprechend am fakultativen elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen zu lassen (bitte gegebenenfalls betroffene Gerichte einzeln benennen)? Die Landesregierung plant bis zum 1. Januar 2018 die Durchführung von Pilotierungsprojekten zur Einführung der elektronischen Akte. Die Eröffnung des fakultativen elektronischen Rechtsverkehrs ist im Rahmen der jeweiligen Pilotierungen beabsichtigt. Bis zum 1. Januar 2018 sind Pilotierungsprojekte für alle Fachbereiche der ordentlichen Gerichtsbarkeit geplant . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7618 3 4. Welche konkreten Maßnahmen sollen im Jahr 2015 mit den veranschlagten 6,4 Mio. € Mehrausgaben aufgrund des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs finanziert werden? Für die flächendeckende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte sind Investitionen in die IT-Ausstattung der Gerichte und Justizbehörden erforderlich . Zur Ermittlung der erforderlichen Kosten haben die Landesjustizverwaltungen aller Länder eine Bestandsaufnahme und eine Grobkalkulation des Verbesserungs- und Investitionsbedarfs für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte, einschließlich der für die Optimierung der Fachverfahren erforderlichen Maßnahmen, veranlasst. Im Hinblick auf das Zeitfenster bis zur flächendeckenden Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs im Jahre 2018 sind zur Zielerreichung folgende Maßnahmen im Haushaltsjahr 2015 zwingend erforderlich: I. Aufbau und Einrichtung der erforderlichen Rechenzentrumsinfrastruktur  Bereitstellung von Rechenzentrumsfläche.  Beschaffung von unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV)  Beschaffung aktiver Netzwerkkomponenten (Rechenzentrum)  Einrichtung und Ausstattung eines externen Backupstandorts II. Hard- und Softwareausstattung des Rechenzentrums sowie Ausbau der Netzanbindung  Serversysteme  Aktive Netzwerkkomponenten (Behörden)  Beschaffung der erforderlichen Serverlizenzen  Netzanbindung  Unterstützung durch Experten 5. In welcher Höhe rechnet die Landesregierung im Finanzplanungszeitraum und darüber hinaus bis 2022 mit Ausgaben zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (soweit möglich bitte auch für die einzelnen Jahre differenziert)? Die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte wird die größte Veränderung in den Geschäftsabläufen der Justiz seit Beginn der elektronischen Datenverarbeitung in den Gerichten und Behörden mit sich bringen. Die anstehende Aufgabe ist in der Justiz- und Landesverwaltung ohne Beispiel. Es gibt keine Erfahrungswerte, welche zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits seriöse Prognosen über die Finanzplanung bis zum Jahre 2022 und darüber hinaus zuließen. Auf Basis der aktuellen Erkenntnisse wären entsprechende Aussagen rein spekulativ, die Komplexität der eJustice-Aufgabe erlaubt insoweit noch keine Festlegungen. Konkretere Aussagen können erst nach Erstellung eines entsprechenden Masterplans getroffen werden, der sich in Bearbeitung befindet.