LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7665 29.12.2014 Datum des Originals: 29.12.2014/Ausgegeben: 05.01.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2943 vom 27. November 2014 des Abgeordneten Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/7437 Ausstiegsprogramme beim Verfassungsschutz Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2943 mit Schreiben vom 29. Dezember 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Anfang 2013 berichtete die Landesregierung in zwei Antworten (Drucksache 16/2637 und 16/2655) auf Anfragen der MdL Schatz und Herrmann über die Ausstiegsprogramme des NRW-Verfassungsschutzes im Bereich Rechtsextremismus. Seit diesem Jahr betreibt der Verfassungsschutz NRW auch ein Ausstiegsprogramm für sogenannte „Salafisten“. Die Piratenfraktion kritisiert die Betreibung von Ausstiegsprogrammen durch den Verfassungsschutz und favorisiert die Programme von zivilgesellschaftlichen Initiativen wie EXIT oder HAYAT. Experten dieser beiden Initiativen befürchten, dass nicht der Ausstieg von Personen bei den Programmen des Verfassungsschutzes im Zentrum stehe, sondern die Quellenabschöpfung und dass es an Expertenwissen mangele. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7665 2 1. Wie viele ausstiegswillige Personen wurden vom Verfassungsschutz NRW seit 2010 betreut? (Bitte für die Programme gegen sog. „Salafismus“, Ausländerextremismus und Rechtsextremismus aufschlüsseln und nach Jahr und Anzahl der betreuten ausstiegswilligen Personen seit 2010 gesondert aufführen.) Insgesamt haben bisher 303 Personen Kontakt zum Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten (APR) des Landes NRW aufgenommen (Stand: 30.11.2014). Aus unterschiedlichen Gründen schließt sich nicht jedem Erstkontakt ein intensiver Betreuungsprozess an. Die folgende Tabelle zeigt die Zahl der Personen, die in den Jahren 2010 bis 2014 das Aussteigerprogramm in Anspruch genommen haben: Jahr Inanspruchnahme 2010 19 2011 17 2012 43 2013 29 2014 18 Im Programm befindliche Personen werden in der Regel über eine Dauer von ca. drei bis sechs Jahren betreut. In der Gesamtzahl sind drei Personen enthalten, die aufgrund von Kooperationen zwischen den Aussteigerprogrammen des Bundes und der Länder an eine andere Stelle weitergeleitet wurden. Mit Stand 30.11.2014 werden 49 Personen durch das Aussteigerprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen in ihren Ausstiegsprozessen begleitet . Das Aussteigerprogramm Islamismus hat in der zweiten Jahreshälfte 2014 seine Arbeit aufgenommen . Der Bedarf ist auch in diesem Bereich gegeben und zeigt sich an bereits erfolgten Kontaktaufnahmen. Aufgrund der kurzen Laufzeit können noch keine aussagekräftigen Zahlen genannt werden. Ein Aussteigerprogramm im Bereich Ausländerextremismus existiert derzeit nicht. 2. Wie viele als erfolgreich zu bewertende Ausstiege hat es im Bericht Rechtsextre- mismus seit 2010 gegeben? Ziel bei der Begleitung von Ausstiegswilligen ist es, ein eigenständiges Leben außerhalb der rechtsextremistischen Szene zu ermöglichen und eine Reflektion sowie Aufarbeitung des rechtsextremistischen Denkens zu erreichen. Kritisches Hinterfragen von bisherigen Einstellungen , der Abbau von szenetypischen Feindbildern und Gewaltabstinenz sind dabei wichtige Bestandteile. Weitere Kriterien sind: Abbruch aller Kontakte zur rechtsextremistischen Szene, keine Beteiligung an rechtsextremistischen Aktivitäten, keine Straftaten (insbesondere politisch motiviert oder mit Gewaltbezug), Bekenntnis zu Pluralismus und Parlamentarismus sowie Abkehr von Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass. Seit 2010 sind 74 Klienten nach erfolgreichen Ausstiegsprozessen aus dem APR entlassen worden. In diesen Fällen sind mit den Klienten wesentliche Kernziele des Programms erreicht worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7665 3 3. Existieren von unabhängigen, externen Wissenschaftlern durchgeführte Evaluationen der Aussteigerprogramme? (Wenn ja, welche Ergebnisse haben diese Evaluationen erzielt? Wenn nein, warum gibt es keine externe Evaluation?) Das Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten Nordrhein-Westfalen ist durch die Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus (FTE) des Bundeskriminalamts mit Stand 31.12.2006 evaluiert worden. Es handelte sich um eine Ergebnisevaluation anhand statistischer Daten zu den im APR betreuten Klienten. Wichtige Ergebnisse dieser Studie waren, dass von den damals betreuten 85 Personen 60 Prozent das Programm erfolgreich beendet haben und ein Rückgang der Straffälligkeit um 86 Prozent erreicht werden konnte. Seit Juni 2014 erfolgt eine weitere Evaluation des Aussteigerprograms, die eine quantitative Ergebnis- und eine qualitative Prozessevaluation umfasst, durch Herrn Prof. Dr. Kurt Möller (Hochschule Esslingen) und Frau Prof. Dr. Beate Küpper (Hochschule Niederrhein). Es ist vorgesehen, die Evaluationsergebnisse im Mai 2015 öffentlich vorzustellen. Eine Evaluation des Aussteigerprogramms Islamismus bzw. des Präventionsprogramms Wegweiser durch unabhängige, externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist beabsichtigt . 4. Wie wird die Trennung zwischen den Ausstiegsprogrammen und der nachrichten- dienstlichen Arbeit des Verfassungsschutzes (Quellenabschöpfung, V- Leute) sichergestellt ? Die Ausstiegswilligen werden im eigenständigen Präventionsreferat betreut, das personell und arbeitstechnisch von den anderen Bereichen der Abteilung Verfassungsschutz des MIK NRW getrennt ist. Eine Abschöpfung für nachrichtendienstliche Zwecke findet nicht statt. 5. Wie geht es weiter mit dem Ausstiegsprogramm Neue Wege in Arbeit (NinA) aus NRW? Die Arbeit des zivilgesellschaftlichen Projektes NinA NRW, das Jugendliche und junge Erwachsenen beim Ausstieg aus der rechtsextremen Szene unterstützt, ist für das Land Nordrhein -Westfalen gleichfalls von großer Bedeutung. Der Träger RE/init e.V. wird seit 2013 aus Landesmitteln und seit 2014 aus Bundesmitteln des Programms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ bei der Umsetzung des Projekts finanziell gefördert. Es wird angestrebt, das Projekt NinA NRW aus Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und aus Mitteln des Kinder- und Jugendförderplans des Landes Nordrhein-Westfalen weiter zu fördern.