LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7676 05.01.2015 Datum des Originals: 05.01.2015/Ausgegeben: 08.01.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2972 vom 9. Dezember 2014 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/7550 Inklusion zum Nulltarif? – Wie bewertet die Landesregierung die Aufforderung der Bezirksregierung Köln zu einer „generellen Zustimmung“ der Schulträger zum Gemeinsamen Lernen in den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Emotionale und soziale Entwicklung? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 2972 mit Schreiben vom 5. Januar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Abs. 5 des § 20 des SchulG lautet wie folgt: „Die Schulaufsichtsbehörde richtet Gemeinsames Lernen mit Zustimmung des Schulträgers an einer allgemeinen Schule ein, es sei denn, die Schule ist dafür personell und sächlich nicht ausgestattet und kann auch nicht mit vertretbarem Aufwand dafür ausgestattet werden.“ Wie letztlich sogar aus der Gesetzesbegründung hervorgeht, soll durch diese gesetzliche Regelung auch gewährleistet werden, dass Schulstandorte/Lernorte tatsächlich qualitativ (Räumlichkeiten, Lehr- und Lernmittel, Unterstützungspersonal etc.) geeignet sind, um Gemeinsames Lernen anzubieten. Daher ist die Einbeziehung der jeweiligen Schulträger, auf die in der Regel zusätzliche Kosten zukommen, und letztlich auch deren Zustimmung Voraussetzung. Im November nun hat die Bezirksregierung Köln die Schulträger in ihrem Bezirk angeschrieben und um die Abgabe einer „generellen Zustimmungserklärung“ zum Gemeinsamen Lernen für die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache, und Emotionale und soziale Entwicklung an Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen und Berufskollegs nachgesucht. Hierbei wurde begleitend erklärt: „Bei diesen Förderbedarfen ist in der Regel eine zusätzliche sächliche und personelle Ausstattung nicht vonnöten.“ Sollte LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7676 2 eine besondere personelle oder sächliche Ausstattung „im Einzelfall“ dennoch „erforderlich“ sein, werde die Bezirksregierung „gesondert nachfragen“. Letztlich bedeutet diese Aufforderung eine Art Blankovollmacht, die dem Ziel einer qualitativen Prüfung der Schulstandorte für die Inklusion zuwiderläuft. Auch ist die Behauptung, dass bei diesen Förderschwerpunkten in der Regel keine zusätzliche personelle oder sächliche Ausstattung vonnöten sei, qualitativ mehr als fragwürdig. Diese Einschätzung widerspricht evident nicht nur wissenschaftlichen Einschätzungen, sondern letztendlich sogar der inzwischen von Rot-Grün anerkannten Einsicht , dass Inklusion in keinem Bereich zum „Nulltarif“ zu haben ist, was auch durch den Erlass des „Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion“ zum Ausdruck kommt, mit dem anerkannt wird, dass die Kommunen beträchtliche sachliche und personelle Mehrkosten haben werden. Sie widerspricht aber insbesondere der Realität, in der sich viele Schulträger gezwungen sehen, für Gemeinsames Lernen in allen Bereich zumindest Differenzierungsräume einzurichten, und einer Vielzahl – letztlich nach der Rechtsprechung der Sozial- und Verwaltungsgerichte zu bewilligender – Anträge auf Integrationshilfe , auch bei den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Emotionale und soziale Entwicklung . Darüber hinaus ist äußerst verwunderlich, dass die Bezirksregierung Köln sogar die Berufskollegs aufgenommen hat; eine Schulform, für die gesetzlich noch gar kein Rechtsanspruch auf Gemeinsames Lernen in Kraft ist und die darüber hinaus bei der Landesunterstützung der Schulträger von Rot-Grün nicht im bisherigen Gesetz verankert wurde. Hauptschulen, die es aus auch weiterhin in großer Zahl im Regierungsbezirk Köln gibt, bezieht die Bezirksregierung jedoch nicht in ihr Vorgehen ein. Zu der öffentlichen Kritik an ihrem Vorgehen erklärte die Bezirksregierung Köln laut Presseberichterstattung zunächst, dass man die Kritik nicht nachvollziehen könne. Es sei demnach sozusagen lediglich um eine Verfahrensvereinfachung gegangen. Inzwischen scheint die Bezirksregierung Köln ihr falsches Vorgehen jedoch eingesehen zu haben. 1. Wie bewertet die Landesregierung insgesamt das geschilderte Vorgehen der Be- zirksregierung Köln? Nach der Rundverfügung der Bezirksregierung vom 17. November 2014 hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung ihr im Wesentlichen folgende Hinweise zur Anwendung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes gegeben: Nach § 20 Absatz 5 Schulgesetz NRW ist die Zustimmung von Schulträgern in jedem Fall der Einrichtung des Gemeinsamen Lernens an einer Schule erforderlich. Dies schließt nicht aus, dass die Schulaufsichtsbehörden Schulen, bei denen sie die personellen Voraussetzungen für das Gemeinsame Lernen als erfüllt oder erfüllbar ansehen, in Listen zusammenfassen und hierzu die Zustimmungen der betroffenen Schulträger einholen. Außerdem genügt es aus der Sicht der Landesregierung, wenn Schulträger ihre Zustimmung formlos im Rahmen von Koordinierungskonferenzen erteilen. Daneben bedarf jeder an die Eltern gerichtete Vorschlag der Schulaufsichtsbehörde für eine Schule des Gemeinsamen Lernens (§ 19 Absatz 5 Satz 3 Schulgesetz NRW) der Zustimmung des Schulträgers. Es ist aber möglich, dass ein Schulträger diese Zustimmung allgemein erteilt, um die Verwaltungsverfahren zu erleichtern (siehe die Gesetzesbegründung zu § 19 Absatz 5 SchulG NRW, LT-Drs. 16/2432). § 1 des Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion (GV.NRW. 2014 S. 404) nimmt die Förderschwerpunkte der Lern- und Entwicklungsstörun- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7676 3 gen nicht vom Belastungsausgleich aus. Was die personelle Ausstattung angeht, ist beim Gemeinsamen Lernen stets sonderpädagogische Fachkompetenz erforderlich. Deshalb hat das Ministerium für Schule und Weiterbildung das regionale Stellenbudget für die sonderpädagogische Förderung im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen eingerichtet (BASS 11-11 Nr. 8). 2. Teilt die Landesregierung – auch unter Beachtung unterschiedlicher wissen- schaftlicher Gutachten und unter Berücksichtigung der Rückmeldungen aus den Kommunen – die Behauptung der Bezirksregierung Köln, dass für die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache und Emotionale und soziale Entwicklung in der Regel keine zusätzliche und personelle Ausstattung vonnöten sei? Ich verweise auf die Antwort zur Frage 1. 3. Wie bewertet die Landesregierung auf der Basis der bestehenden Rechtslage das Vorgehen der Bezirksregierung Köln, auch Berufskollegs in eine solche generelle Zustimmungserklärung aufzunehmen? Die Tatsache, dass die Regelungen in § 19 Absatz 5 Satz 3 Schulgesetz NRW erst ab 2016 Anwendung finden, schließt nicht aus oder kann es sogar erforderlich machen, dass die Träger von Berufskollegs sich schon jetzt darauf vorbereiten. Dies ist eine Feststellung, auf die auch die Kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Landesregierung beim Vollzug des Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für die schulische Inklusion Wert legen. 4. Aus welchem Grund hat die Bezirksregierung Köln einige Schulformen – etwa Grund- und Hauptschulen – bei ihrem Schreiben explizit nicht genannt (bitte jeweils die Begründung für die jeweiligen, fehlenden Schulformen darlegen)? Die Bezirksregierung Köln hat in ihrer Verfügung allein die Schulformen genannt, bei denen sie für Verfahren nach §§ 10 ff. der Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung (AO-SF) zuständig ist. Für Schülerinnen und Schüler der Grundschule und der Hauptschule sind die Schulämter zuständig (§ 10 Absatz 2 AO-SF); siehe dazu auch die Antwort auf Frage 5. 5. Ist es zutreffend, dass die Bezirksregierung Köln inzwischen ihr fehlerhaftes Verhalten eingesehen und eine entsprechende Korrektur vorgenommen hat (wenn ja, wird um die Anfügung der entsprechenden Unterlagen als Anlage gebeten )? Die Bezirksregierung Köln hat den Schulträgern ihres Bezirks am 28. November 2014 eine zweite Rundverfügung mit folgendem Wortlaut übermittelt: „(Anrede) aus gegebener Veranlassung möchte ich meine Verfügung vom 17.11.2014 gerne erläutern . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7676 4 Die erbetene Zustimmung betrifft ausschließlich die Schulformen Realschulen, Gymnasien , Gesamtschulen, Sekundarschulen, Gemeinschaftsschulen und Berufskollegs, für die die Bezirksregierung in eigener Zuständigkeit die Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs durchführt. Dass es sich nicht um die Zustimmung zur organisatorischen Einrichtung des Gemeinsamen Lernens handelt , wird deutlich, da Grund- und Hauptschulen ausdrücklich nicht genannt sind. In den von der Bezirksregierung in eigener Zuständigkeit durchzuführenden Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfes (AO-SFVerfahren ) handelt es sich um Schülerinnen und Schüler, die sich teilweise an allgemeinen weiterführenden Schulen mit Angeboten des Gemeinsamen Lernens bereits befinden und für die erstmals ein solches Feststellungsverfahren durchgeführt wird. Für diese Schülerinnen und Schüler, die einen Förderschwerpunkt im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen haben, wurde die allgemeine Zustimmung zur Beschulung im Gemeinsamen Lernen erbeten. Wie oben bereits ausgeführt, ging es nicht um die schulorganisatorische Einrichtung des Gemeinsamen Lernens. In dem überarbeiteten Vordruck ist jetzt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es um die Zustimmung zum Vorschlag des Förderortes geht. Die mir erteilten Zustimmungen bleiben weiterhin gültig. Die Einholung der Zustimmung zur schulorganisatorischen Einrichtung des Gemeinsamen Lernens nach § 20 Abs. 5 SchulG erfolgt selbstverständlich in jedem einzelnen Fall.“