LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7715 12.01.2015 Datum des Originals: 09.01.2015/Ausgegeben: 15.01.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2979 vom 12. Dezember 2014 des Abgeordneten Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/7591 Videoüberwachung in der Fußgängerzone? - Kennt das Justizministerium die Bestimmungen des eigenen Datenschutzgesetzes NRW nicht? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2979 mit Schreiben vom 9. Januar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vor dem Justizministerium auf dem Martin-Luther-Platz in Düsseldorf hängen drei offensichtlich rechtwidrig montierte Videoüberwachungskameras in einer ausgewiesenen Fußgängerzone ohne jede Kennzeichnung. Lt. Große Anfrage 7 (Drs. 16/4627) ist der Betreiber das Justizministerium NRW. Hieraus ergeben sich einige Fragen an die Landesregierung, dahingehend wie gut ihr die Datenschutzbestimmungen des Landes NRW bekannt sind und inwiefern sie diese als wichtig erachtet. Das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Recht auf Informationelle Selbstbestimmung wird im Bundesdatenschutzgesetz und im Datenschutzgesetz NRW konkretisiert. Dort finden sich auch Bestimmungen zur Installation von Videoüberwachungssystemen. Das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung umfasst das Recht des Einzelnen, sich insbesondere in der Öffentlichkeit frei und ungezwungen bewegen zu dürfen, ohne befürchten zu müssen, ungewollt zum Gegenstand einer Videoüberwachung gemacht zu werden. Einschränkungen dieses Grundrechts sind zwar möglich, allerdings müssen diese aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erfolgen. Gemäß § 4 DSG NRW ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder die betroffene Person einwilligt. Während die Überwachung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7715 2 durch nicht-öffentliche Stellen durch das Bundesdatenschutzgesetz und die Videoüberwachung durch die Polizei durch das Polizeigesetz NRW geregelt sind, reglementiert § 29 b DSG NRW die optisch-elektronischen Überwachung durch öffentliche Stellen des Landes. Nach § 29 b ist eine sogenannte Videobeobachtung nur zulässig, soweit dies der Wahrnehmung des Hausrechts dient und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen betroffener Personen überwiegen. Sollte die Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts erfolgen, ist darauf zu achten, dass der Erfassungsbereich der Kamera auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt wird und nicht unverhältnismäßig in den öffentlichen Raum hineinragt. Gemäß § 29 b Abs. 2 ist die Speicherung der Videodaten nur bei einer konkreten Gefahr zu Beweiszwecken zulässig, wenn dies zum Erreichen der verfolgten Zwecke unverzichtbar ist. Die optisch-elektronische Überwachung öffentlicher Plätze und Wege durch öffentliche Stellen ist nach dem Landesdatenschutzgesetz indes nicht gestattet. Allein die Polizei NRW hat - deutlich eingeschränkt - die Erlaubnis an sogenannten Kriminalitätsschwerpunkten Videoüberwachungssysteme zu montieren. Dies findet zurzeit ausschließlich in der Düsseldorfer Altstadt und in Mönchengladbach statt. Eine anderweitige Überwachung öffentlicher Plätze und Wege würde das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung unverhältnismäßig einschränken . Um die unzulässige Verarbeitung von Daten und damit die rechtswidrige Videoüberwachung einzuschränken, beinhaltet das DSG NRW Bestimmungen, nach denen Videobeobachtungssysteme montiert werden müssen. So muss gemäß § 8 in einem detaillierten Verfahrensverzeichnis dargelegt werden, wie die Datenverarbeitung für den entsprechenden Fall geregelt ist. Abs. 7 und 11 verweisen auf die Berücksichtigung von „technischen und organisatorischen Maßnahmen“ (§ 10), nach denen vor Installation der Videoüberwachungskamera ein sogenanntes Vorabverfahren durchzuführen ist. § 10 Abs. 3 Satz 1 führt aus: „Die zu treffenden technischen und organisatorischen Maßnahmen sind auf der Grundlage eines zu dokumentierenden Sicherheitskonzeptes zu ermitteln, zu dessen Bestandteilen die Vorabkontrolle hinsichtlich möglicher Gefahren für das in § 1 geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung gehört, die vor der Entscheidung über den Einsatz oder einer wesentlichen Änderung eines automatisierten Verfahrens durchzuführen ist.“ Ein solches Verfahren sollte damit Fragen zur Rechtmäßigkeit der Maßnahme aufwerfen und eine Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit der Videoüberwachung und der Ausgestaltung auslösen. Am 26. März 2014 machte ich Innenminister Jäger und die Landesregierung auf den Umstand der meiner Auffassung nach rechtswidrigen Videoüberwachung am Martin-LutherPlatz vor dem Justizministerium in meiner Rede zum Antrag „Videoüberwachung transparent und nachvollziehbar gestalten: Ein öffentliches Register für Videoüberwachungskameras in Nordrhein-Westfalen einführen“ (Drs.16/5280) aufmerksam. Vonseiten der Landesregierung wurden seitdem keine Schritte ergriffen, die Videoüberwachungskameras zu demontieren. Inzwischen ist der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit diesbezüglich von mir informiert worden. 1. Kennt das Justizministerium das eigene Landesdatenschutzrecht und die darin enthaltenen Bestimmungen nicht? 2. Wie kann es sein, dass diese Videoüberwachungsanlagen montiert wurden, wenn das Landesdatenschutzrecht nach § 8 Abs. 1 ein Verfahrensverzeichnis und insbesondere nach Satz 11 „die begründeten Ergebnisse der Vorabkontrollen nach § 10 Abs. 3 Satz 1“ vorschreibt, die die kritische Reflektion über die Maßnahme gefördert haben sollten? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7715 3 4. Wann werden die Videoüberwachungskameras am Martin-Luther-Platz in Düsseldorf endlich demontiert? Die Videobeobachtung des Justizministeriums am Martin-Luther-Platz dient der Wahrnehmung des Hausrechts und wird unter Einhaltung der Bestimmungen des Landesdatenschutzgesetzes durchgeführt. Der Erfassungsbereich der im öffentlichen Raum angebrachten - für Dritte gut erkennbaren - Kameras ist so eingegrenzt, dass schutzwürdige Interessen Unbeteiligter nicht berührt werden. Die Frage, ob die im Bereich der Fußgängerzone an den Laternenmasten angebrachten Kameras an die Hauswand des Justizministeriums versetzt werden müssen, wird derzeit geprüft und mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI NRW) abgestimmt. Zwischenzeitlich wurde - um die Videoüberwachung für Dritte noch auffälliger zu gestalten - die Anbringung von entsprechenden Kennzeichnungsschildern beauftragt. Die Montage erfolgt voraussichtlich Anfang bis Mitte Januar 2015. 3. Wie lauten die technischen Rahmendaten der installierten Überwachungssyste- me? Die Videoüberwachungsanlage des Justizministeriums besteht aus 7 steuerbaren, aber im Sichtfeld technisch begrenzten Speed-Dome-Kameras und 5 feststehenden Kameras. Die Bilder der Kameras werden für maximal 3 Tage aufgezeichnet. In der Zeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen werden im Falle unberechtigter Zutrittsversuche sog. Alarmbilder zur beauftragten Wachgesellschaft übertragen. 5. Wie oft wurden die 2.750 Videoüberwachungsanlagen, die die Landesbehörden betreiben und die durch die Große Anfrage 7 (Drs. 16/4627) abgefragt wurden, bereits von Datenschutzbeauftragten nach datenschutzrechtlichen Bestimmungen überprüft? Soweit mit der Überprüfung von 2.750 Videokameras bei Landesbehörden oder Landeseinrichtungen die Aufgabe des LDI NRW zur Überwachung der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften nach § 22 Abs. 1 DSG NRW gemeint ist, liegen der Landesregierung keine Zahlen vor. Der LDI NRW ist eine völlig unabhängige Behörde und nicht Teil der Landesregierung .