LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7741 14.01.2015 Datum des Originals: 12.01.2015/Ausgegeben: 19.01.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2942 vom 27. November 2014 der Abgeordneten Nicolaus Kern und Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/7436 Wie steht die Landesregierung der Gründung der Gefangenen-Gewerkschaft gegenüber? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 2942 mit Schreiben vom 12. Januar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 21. Mai dieses Jahres gründete sich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel die Gefangenen Gewerkschaft (Berliner Morgenpost vom 31.05.2014). Die Ziele der neu gegründeten Arbeitnehmervertretung für Häftlinge sind die Zahlung des Mindestlohns für die verrichtete Arbeit während der Freiheitsstrafe sowie eine Rentenversicherung für die Gefängnisinsassen, welche einer Beschäftigung in der Zeit der Haft nachgingen. Welche Schwierigkeiten eine fehlende Zahlung in die Rentenkasse nach sich ziehen kann erläutert das ARD-Magazin „Kontraste“ vom 30.10.2014. Demnach werden viele Häftlinge doppelt bestraft, da sie in der Zeit der Haft, trotz ihrer geleisteten Arbeit, nicht in die Rentenkasse einzahlen und somit häufig in späteren Jahren mit Altersarmut konfrontiert werden. Dies wiederspräche jedoch dem Resozialisierungsgedanken, wonach eine Straftat nur einmal zu bestrafen sei. Gegen Arbeitslosigkeit nach der Haft sind die Häftlinge jedoch geschützt, da die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Verlaufe der Gefängnisstrafe weiter gezahlt werden. In einer Pressemitteilung vom 07.08.2014 teilte der Sprecher der Gefangenen Gewerkschaft, Oliver Rast, mit, dass auch in der JVA Willich in Nordrhein-Westfalen die Gründung einer Arbeitnehmervertretung vorangetrieben, jedoch von der Gefängnisleitung behindert wird. So sollen Unterlagen – Unterschriftenlisten sowie Briefpapier mit dem Gewerkschaftslogo – beschlagnahmt worden sein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7741 2 1. Wie ist die Position der Landesregierung bezüglich einer Gewerkschaft für Gefangene? Die kollektive Mitverantwortung der Gefangenen ist derzeit in § 160 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) abschließend geregelt. Jede anderweitige vereinsrechtlich organisierte Mitbestimmung von Gefangenen ist bisher nicht vorgesehen. 2. Aus welchem Grund wurden die Unterlagen der Gefangenen-Gewerkschaft in Willich beschlagnahmt? Eine Beschlagnahme hat nicht stattgefunden. Vielmehr wurden dem Gefangenen, der sich als Sprecher der - in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel gegründeten - Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)“ in Nordrhein-Westfalen bezeichnet, Unterlagen zur Mitgliedergewinnung sowie weitere Infomaterialien zur Weitergabe an andere Gefangene zugesandt. Briefpapier mit Gewerkschaftslogo und Unterschriftenlisten werden dem Gefangenen ausgehändigt. 3. Welche Überlegungen gibt es seitens der Landesregierung, um entlassene Häftlinge, die in ihrer Haftzeit gearbeitet haben, vor einem Abrutschen in die Altersarmut zu schützen? Dass Strafgefangene, die in der Justizvollzugsanstalt arbeiten, nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, ist aus Sicht der Landesregierung nicht die wesentliche Ursache für eventuelle spätere Altersarmut. Es gibt vielfältige Gründe für ihre Altersarmut, darunter insbesondere die Erwerbsbiographie der/des Einzelnen vor und nach der Haft, da sie die Höhe einer eventuellen Rentenanwartschaft maßgeblich beeinflusst. Der Landesregierung ist jedoch bewusst, dass es sich bei ehemaligen Strafgefangenen um eine besonders armutsgefährdete Personengruppe handelt. Daher werden derzeit verschiedene Maßnahmen geprüft, die ein Abrutschen in die Altersarmut verhindern sollen. 4. Geht die Landesregierung mit der Aussage konform, dass aufgrund der jetzigen Perspektivlosigkeit im Alter eine Rückfälligkeit der Häftlinge befördert wird? Nein. 5. Stimmt die Aussage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im ARD- Magazin „Kontraste“ vom 30.10.2014, dass die Umsetzung der Regelung der Rentenbeiträge für Häftlinge, die bereits 1976 vom Bundestag beschlossen wurde, bislang an finanziellen Vorbehalten der Länder scheitert? Nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) ist eine Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherung zwar vorgesehen. Die entsprechenden Bestimmungen (§§ 190 bis 193 StVollzG) müssten jedoch gemäß § 198 Abs. 3 StVollzG erst durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden. Dies ist bisher nicht geschehen. Die Regelung des § 198 Abs. 3 StVollzG ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 01.07.1998 (2 BvR 441/90 u. a.) zum Arbeitsentgelt der Gefangenen u. a. ausgeführt, dass weder das LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7741 3 Resozialisierungsgebot noch der Gleichbehandlungsgrundsatz eine Einbeziehung von Gefangenen in die gesetzlichen Sozialversicherungen fordert. Es hat in seiner Entscheidung ausdrücklich die Relevanz der hierdurch eintretenden Kostenfolgen betont. Soweit behauptet wird, die Einbeziehung der Strafgefangenen in die Sozialversicherung sei bisher an finanziellen Vorbehalten der Länder gescheitert, sind der Landesregierung weder entsprechende Vorstöße des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales noch ablehnende Äußerungen der Länder bekannt.