LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7867 03.02.2015 Datum des Originals: 03.02.2015/Ausgegeben: 06.02.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3013 vom 8. Januar 2015 der Abgeordneten Kai Abruszat, Ralf Witzel, Holger Ellerbrock und Dietmar Brockes FDP Drucksache 16/7704 STEAG-Deal – Welche kommunalaufsichtlichen Bedenken hat die Landesregierung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3013 mit Schreiben vom 3. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ende 2010 verabschiedete der nordrhein-westfälische Landtag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linkspartei das rot-grüne „Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts“. Kurze Zeit später diente dieses Gesetz einem Stadtwerkekonsortium der hochverschuldeten Ruhrgebietskommunen Dortmund, Bochum, Essen, Duisburg, Dinslaken und Oberhausen als Rechtsgrundlage, um unter dem Deckmantel der örtlichen Daseinsvorsorge den internationalen Energiekonzern STEAG zu kaufen (fünftgrößter Stromproduzent Deutschlands). Seither wird die rot-grüne Norm auch als „Lex-STEAG“ bezeichnet. Unabhängig davon, inwieweit sich die Übernahme eines Energiekonzerns als Maßnahme der örtlichen Daseinsvorsorge interpretieren lässt, stellte sich hinsichtlich des Unternehmenskaufs die Frage, ob das internationale Geschäft der STEAG (z.B. Atom-UBoote Endlagerung in Murmansk) überhaupt mit geltendem Kommunalrecht vereinbar ist. Dies sollte im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens der Bezirksregierung Düsseldorf (zuständige Kommunalaufsichtsbehörde) geklärt werden. Aus unbekannten Gründen erstreckte sich dieses Verfahren trotz des erheblichen öffentlichen, wissenschaftlichen und politischen Interesses an diesem Präzedenzfall über mehrere Jahre und wurde erst Ende Dezember 2014 zum Abschluss gebracht. In einem Bericht der Landesregierung, der den Landtag aufgrund etlicher bislang unbeantworteter Nachfragen diverser Abgeordneter am 22.12.2014 unter der Vorlagennummer 16/2559 erreichte, wird überblicksartig dargelegt, dass die Bezirksregierung Düsseldorf „nach einem Abwägungsprozess im Ergebnis davon abgesehen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7867 2 [hat], hinsichtlich der Gesellschaftsverträge […] kommunalaufsichtliche Bedenken zu erheben“. Informationen darüber, um welche Bedenken es sich konkret handelt und warum von einer Beanstandung abgesehen wird, enthält die Vorlage nicht bzw. kaum. Darüber hinaus wird weder darauf eingegangen, warum sich der Genehmigungsprozess über einen so langen Zeitraum erstreckt hat, noch wird begründet, warum die Landesregierung hingenommen hat, dass die Entscheidung erst soweit nach der Vertragsschließung erfolgte, dass eine eventuell gebotene Rückabwicklung aufgrund der damit verbundenen Verluste für das Stadtwerkekonsortium als unzumutbar eingestuft werden musste. Parallel zum Genehmigungsverfahren der Bezirksregierung Düsseldorf hat die FDPLandtagsfraktion den wissenschaftlichen Dienst des Landtags NRW darum gebeten, ein Gutachten mit dem Titel: „Zur Vereinbarkeit der Beteiligung von Gemeinden in schwieriger Haushaltslage an Unternehmen der Energiewirtschaft mit § 107a GO NRW“ ausarbeiten zu lassen. Für diesen Auftrag konnte der renommierte Rechtsprofessor Dr. Oebbecke von der Universität Münster gewonnen werden. Sein Gutachten liegt dem Landtag als Information 16/134 seit dem 25.10.2013 vor. Im Ergebnis werden ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des STEAG-Kaufs mit § 107a Abs. 1 GO NRW geäußert. In Leitsatz 20 des Gutachtens heißt es hierzu: „Dagegen steht der Erwerb im Hinblick auf die Aufwandstragfähigkeit und die Risikotragfähigkeit bei den Städten in schwieriger Haushaltslage nicht in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit und wäre deshalb mit § 107a Abs. 1 GO unvereinbar“ (Oebbecke 2013, S. 34). 1. Aus welchen konkreten Gründen hat das kommunalaufsichtliche Genehmigungsverfahren zum STEAG-Kauf mehrere Jahre in Anspruch genommen? Der von einem kommunalen Stadtwerkekonsortium erworbene STEAG-Konzern umfasst neben der Konzerngesellschaft und sechs dazu gehörigen Dachgesellschaften eine dreistellige Anzahl von weiteren Gesellschaften mit unterschiedlichen Unternehmensgegenständen. Allein dieser Umstand verdeutlicht die Komplexität des zu prüfenden Sachverhalts, der daher zunächst Sachverhaltsaufklärungsmaßnahmen der Bezirksregierung Düsseldorf erforderlich machte. In rechtlicher Hinsicht warf das Verfahren entsprechend der Komplexität des Sachverhalts zahlreiche schwierige Rechtsfragen auf, was wiederum zu einem erhöhten Erörterungsbedarf mit den anzeigenden Kommunen führte. Zudem ergab sich durch den zweigeteilten Erwerb des Konzerns - dieser erfolgte zwar auf der Grundlage eines einheitlichen Vertrages, aber gleichwohl in zwei Tranchen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und auf der Grundlage unterschiedlicher Vertragsdetails - im Laufe des Verfahrens eine veränderte Sachlage, die neue Sachverhalts- und Rechtsfragen aufwarf. Hinsichtlich der von der Bezirksregierung erbetenen Informationen und Stellungnahmen ergab sich bei den anzeigenden Kommunen ein interner Koordinierungsbedarf. All diese Umstände zusammengenommen haben zu dieser ungewöhnlich langen Verfahrensdauer geführt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7867 3 2. Welchen genauen Wortlaut hat die in der Vorlage 16/2559 erwähnte „abschließende Verfügung“ der Bezirksregierung Düsseldorf zum STEAG-Kauf vom 18.12.2014? Die Verfügung vom 18.12.2014 hat folgenden Wortlaut: „im Hinblick auf die mit Bericht des Oberbürgermeisters der Stadt Duisburg vom 17.03. bzw. 27.05.2014 in Ihrer Namen zugeleiteten Gesellschaftsverträge der a) STEAG GmbH b) STEAG Power Minerals GmbH c) STEAG Energy Services GmbH d) STEAG Fernwärme GmbH e) STEAG New Energies GmbH f) STEAG Power Saar GmbH g) Fernwärme-Verbund Saar GmbH h) MINERALplus Gesellschaft für Mineralstoffaufbereitung und Verwertung mbH sehe ich davon ab, kommunalaufsichtliche Bedenken zu erheben. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden, sogenannten „wirtschaftlich nachrangigen“ Unterbeteiligungen des STEAG Konzerns haben Sie zugesagt, um bestehenden gemeindewirtschaftsrechtlicher Regelungen zur Anbindung dieser Gesellschaften an die Räte der beteiligten Kommunen Genüge zu tun, stringente und fortdauernde Berichtspflichten dieser Gesellschaften gegenüber den kommunalen Vertretern in den Organen der KSBG und der STEAG GmbH zu garantieren. Um dem kommunalverfassungsrechtlichen Leitbild einer möglichst engen Anbindung des Konzerns und seiner Gesellschaften an die Organe der beteiligten Kommunen und dem Interesse an einer marktgerechten Führung des STEAG-Konzerns Rechnung zu tragen, bin ich bereit, die beabsichtigte Verfahrensweise unbeanstandet zu lassen, wobei die Begründung einer stringenten und fortdauernden Berichtspflicht gegenüber den Räten der beteiligten Gebietskörperschaften kurzfristig umzusetzen ist. Vorsorglich weise ich auf folgende Punkte hin: Mir ist zum einen bewusst, dass eine (erzwungene) Rückabwicklung des Erwerbs der STEAGGmbH und ihrer Beteiligungen zum jetzigen Zeitpunkt mit erheblichen Verlusten für das Stadtwerke-Konsortium Rhein-Ruhr verbunden wäre und diese Unternehmen nachhaltig schädigen würde. Zum anderen konnte der Erwerb des STEAG-Konzerns einschließlich seiner Beteiligungen seinerzeit nur einheitlich erfolgen. Auch wenn der Unternehmenserwerb in zwei zeitlich deutlich voneinander getrennten Tranchen erfolgt ist, so liegt doch ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, bei dem die einzelnen Bestandteile des Vertragswerks einer unterschiedlichen kommunalaufsichtlichen Bewertung nicht zugänglich sind. Von daher kann dahinstehen, ob der mit dem Erwerb des Konzerns untrennbar verbundene Erwerb aller über 100 STEAG-Beteiligungen im In- und Ausland bei isolierter Betrachtung überhaupt bestätigungs- bzw. genehmigungsfähig wäre. Das Ergebnis meiner Abwägung darf nicht zum Anlass genommen werden, die grundsätzliche Anwendung der GO NRW in Bezug auf die STEAG-GmbH sowie ihrer Tochtergesellschaften als mehrheitlich im kommunalen Besitz befindlichen Konzern in Frage zu stellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7867 4 Ich bitte, diese Verfügung dem Rat Ihrer Kommune zur Kenntnis zu geben und mit dem Rat ein geeignetes Procedere für eine stringente Berichtspflicht festzulegen.“ 3. Laut Vorlage 16/2559 weist die Bezirksregierung Düsseldorf darauf hin, dass eine erzwungene Rückabwicklung des STEAG-Kaufs zum jetzigen Zeitpunkt mit erheblichen Verlusten für das Stadtwerkekonsortium verbunden wäre. Inwieweit hat die Bezirks- und damit die Landesregierung ihre Aufsichtspflicht gegenüber den Kommunen verletzt, indem sie bei der Prüfung des STEAG-Kaufs den „point of no return“ für eine Rückabwicklung verstreichen lassen hat? Anhaltspunkte für eine Verletzung der Aufsichtspflicht sind nicht ersichtlich. Einen entsprechenden Vorwurf haben auch die anzeigepflichtigen Kommunen nicht erhoben. 4. Welche konkreten „kommunalaufsichtlichen Bedenken“ hat die Bezirksregierung Düsseldorf hinsichtlich des STEAG-Kaufs, die sie laut Vorlage 16/2559 nach „einem Abwägungsprozess“ nun nicht erheben will? In dem Bericht der Landesregierung an den Ausschuss für Kommunalpolitik vom 22.12.2014, Vorlagennummer 16/2559, werden die wesentlichen und tragenden Elemente der Verfügung vom 18.12.2014 wiedergegeben. Danach beruht die abschließende Entscheidung auf einem Abwägungsprozess. Es wird dabei dahingestellt gelassen, „ob der mit dem Erwerb des Konzerns untrennbar verbundene Erwerb aller über 100 STEAG-Beteiligungen im In- und Ausland bei isolierter Betrachtung überhaupt bestätigungs- bzw. genehmigungsfähig wäre.“ Die gemeindewirtschaftsrechtlichen Bestätigungs- bzw. Genehmigungsvoraussetzungen ergeben sich im Wesentlichen aus den Regelungen der §§ 107a und 108 GO NRW. Die Landesregierung beabsichtigt nicht, den Tenor der abschließenden Verfügung der Bezirksregierung vom 18.12.2014 durch nachträgliche Festlegungen in seinem Charakter zu verändern oder mit einem neuen charakterändernden Bedeutungsgehalt zu unterlegen. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Zulässigkeit des STEAG-Deals hinsichtlich des im Gutachten von Prof. Dr. Oebbecke kritisierten Missverhältnisses von Aufwands- und Risikotragfähigkeit zur Leistungsfähigkeit kaufbeteiligter Stärkungspaktkommunen? Die Landesregierung hat bereits mit der Vorlage 16/1415 vom 20. November 2013 die angesprochene Thesen des Gutachtens vom Prof. Dr. Oebbecke bewertet. Hierauf wird verwiesen.