LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7873 04.02.2015 Datum des Originals: 04.02.2015/Ausgegeben: 09.02.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2991 vom 16. Dezember 2014 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/7639 Landeseigene Unternehmen umgehen Grunderwerbssteuer – Hat der Eigentümer Land tatsächlich keinen Einfluss auf seine Unternehmen und entspricht das Vorgehen den moralischen Ansprüchen der Landesregierung? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 2991 mit Schreiben vom 4. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Medienberichten umgehen landeseigene Unternehmen und ihre Geschäftspartner die Zahlung der Grunderwerbssteuer, indem sie ein Schlupfloch nutzen: Objekte werden nicht gänzlich verkauft, sondern nur zu 94,9%. Die restlichen 5,1% werden zunächst in einer Beteiligungsgesellschaft geparkt und nach Ablauf einer 5-Jahresfrist gezahlt. So lässt sich die Zahlung der Grunderwerbssteuer umgehen. In einer ersten Reaktion erklärte der Finanzminister, die Landesregierung könne selbst dem Management landeseigener Unternehmen "keine Handlungsanweisungen im Einzelfall vorschreiben, soweit sie sich an geltende Gesetze halten". Aus ethischen Gesichtspunkten sei "ein derartiges Geschäftsgebaren aber keinen Deut besser als bei Privatunternehmen". Konkret geht es beispielsweise um die bislang im Besitz der Portigon AG befindlichen Grundstücke an der Herzogstraße 15, der Friedrichstraße 56, der Elisabethstraße 65 und der Friedrichstraße 62-80. Diese wurden im Rahmen eines sog. Share-Deals im Frühjahr 2014 an Blackstone veräußert (vgl. Vorlage 16/1692 und 16/1798). Aus den öffentlichen Vorlagen geht zudem hervor, dass mit Kabinettbeschluss vom 2. Juli 2013 die Landesregierung den Minister für Inneres und Kommunales ermächtigte, einen Mietvertrag für die Bürogebäude in Düsseldorf, Friedrichstraße 62-80, mit der Portigon AG LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7873 2 abzuschließen. Der Mietvertrag wurde im August 2013 geschlossen. Er hat die Laufzeit von 20 Jahren. Der Veräußerungsprozess erfolgte erst nach Abschluss des Mietvertrages. Mietvertraglich ist zudem zwischen der Portigon AG und dem MIK vereinbart, dass ein Verkauf der Liegenschaft nur mit schriftlicher Zustimmung des MIK möglich ist. Der Eigentümervertreter des Landes führt einerseits Klage, dass die Entscheidung der Portigon ethisch angreifbar sei , stimmt andererseits aber im Aufsichtsrat zu. Für jeden einfachen Bürger, jede junge Familie und alle ehrlichen Steuerzahler, die zukünftig die um 30 Prozent erhöhte Grunderwerbssteuer zahlen müssen, ist das doppelzüngige Vorgehen der Landesregierung skandalös. 1. Wie viele Steuereinnahmen sind dem Land NRW seit 2010 bisher durch das Umgehen der Grunderwerbsteuer durch Geschäftspraktiken der Landesbetriebe entgangen? (Bitte tabellarisch auflisten: Landesbetrieb, Geschäftspartner, verkauftes oder gekauftes Objekt, Kaufsumme, entgangene Steuereinnahme.) Es wird davon ausgegangen, dass der Fragesteller mit „Landesbetriebe“ die im Landesbesitz stehenden Gesellschaften meint. Die Beteiligungsverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen ist dezentral organisiert und wird aufgabenbezogen vom jeweils fachlich zuständigen Ministerium wahrgenommen. Die erbetenen Informationen liegen dem Finanzministerium NRW daher nur teilweise vor und können in der für die Beantwortung von Kleinen Anfragen vorgegebenen Frist nicht zur Verfügung gestellt werden. Zudem unterliegen die steuerlichen Verhältnisse jeglicher natürlicher oder juristischer Personen dem Steuergeheimnis gem. § 30 AO. 2. Ist es nach Auffassung der Landesregierung gerecht die Grunderwerbsteuer auf 6,5% zu erhöhen, während die landeseigenen Betriebe durch Steuertricksereien die Zahlung umgehen? Die Grunderwerbsteuer knüpft von ihrer Konzeption her an den zivilrechtlichen Übergang des Grundstücks an. Die Übertragung von Grundstücken unterliegt grundsätzlich der Grunderwerbsteuer und zwar unabhängig davon, ob natürliche Personen oder juristische Personen bzw. „Konzerne“ diese erwerben oder veräußern. Nach dieser Grundkonzeption ist der Erwerb der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht grunderwerbsteuerbar, weil sich mit dem Übergang der Gesellschaftsanteile das zivilrechtliche Eigentum der Gesellschaft an ihren Grundstücken gerade nicht verändert. Seit 1999 behandelt das Grunderwerbsteuergesetz in besonderen Fällen auch den Übergang von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften (sog. share deal) als steuerbar, um Umgehungsgestaltungen einzuschränken. Diese Verschärfung durch die damalige rotgrüne Bundesregierung führte dazu, dass bei einer Veräußerung von mindestens 95 % der Gesellschaftsanteile 100 % der Grundstücke der Grunderwerbsteuer unterworfen werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7873 3 Vorher hat es ausgereicht durch eine Veräußerung von 99 % der Anteile die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Die Landesregierung hat sich in der Vergangenheit wiederholt dafür eingesetzt und setzt sich auch aktuell dafür ein, die Ergänzungstatbestände so zu fassen, dass Umgehungsgestaltungen weitmöglich eingeschränkt werden. Das kann aber aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht unbeschränkt ausgedehnt werden, sondern darf nur besonders herausgehobene Fälle erfassen, in denen mit dem Anteilsübergang auch die Sachherrschaft über die gesellschaftseigenen Grundstücke wechselt. Auch in diesem Fall prüft die Landesregierung, ob es rechtlich vertretbare Möglichkeiten für eine gesetzliche Verschärfung gibt, um Umgehungstatbestände bei der Grunderwerbssteuerpflicht möglichst zu verhindern oder zumindest noch weiter zu erschweren. 3. Was antwortet die Landesregierung jungen Familien zu diesem Sachverhalt, denen solche Machenschaften nicht erlaubt sind? Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer betrifft alle Steuerzahlende in gleicher Weise und keineswegs nur junge Familien. Mit den bestehenden Regelungen sind Besteuerungslücken bei Anteilsübertragungen an grundstücksbesitzenden Gesellschaften bereits zum großen Teil geschlossen worden. Im Rahmen des rechtlich Machbaren wird die Landesregierung sich für eine weitere Verschärfung des Gesetzes einsetzen. 4. Warum hat die Landesregierung als Eigentümervertreterin in dem konkreten Fall der Veräußerung der Portigon-Immobile an Blackstone sich nicht gegen eine Veräußerung im Zuge eines Share-Deals ausgesprochen? Die Portigon AG (vormals WestLB AG) muss ihre Geschäftsaktivitäten nach dem Beschluss der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011 abwickeln. Dazu gehört auch die Veräußerung des Immobilienbestandes im vorhandenen Marktumfeld. Das dem Verkauf zugrunde liegende Transaktionsmodell ist marktüblich. In ihren finalen Angeboten hatten die vier bestplatzierten Bieter als Transaktionsstruktur einen share deal unterstellt. Die Landesregierung kritisiert, dass solche Umgehungstatbestände möglich sind, weist aber darauf hin, dass die Vorgehensweise zur Zeit noch legal ist. 5. Wie wird die Landesregierung die Geschäftspraktiken ihrer landeseigenen Unternehmen zukünftig unterbinden? Soweit sich die landeseigenen Unternehmen an geltende Gesetze halten, können den Geschäftsleitungen, die dem Wohle der Gesellschaften verpflichtet sind, seitens der Landesregierung keine dem entgegenstehenden Handlungsanweisungen erteilt werden. Deswegen prüft die Landesregierung, ob es rechtlich vertretbare Möglichkeiten für eine gesetzliche Verschärfung gibt, um Umgehungstatbestände bei der Grunderwerbssteuerpflicht möglichst zu verhindern oder zumindest noch weiter zu erschweren.