LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7886 05.02.2015 Datum des Originals: 05.02.2015/Ausgegeben: 10.02.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3023 vom 9. Januar 2015 der Abgeordneten Ralf Witzel und Holger Ellerbrock FDP Drucksache 16/7721 Rot-grüne Annahmen zu Effekten der erneuten Grunderwerbsteuererhöhung – Prognostiziert die Landesregierung einen Zusammenbruch der Märkte oder sinkende Immobilienpreise infolge der beschlossenen Verdoppelung der Steuerbelastung? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3023 mit Schreiben vom 5. Februar 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Fraktionen von SPD und Grünen haben soeben innerhalb von drei Jahren das zweite Mal eine drastische Erhöhung der Grunderwerbsteuer, diesmal um 30%, beschlossen. Seit der letzten Anhebung im Jahr 2011 wird damit der Steuersatz nahezu verdoppelt. Bereits ohne die weitere Steuererhöhung hat sich das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer nach Angaben des Finanzministers im Ist wie folgt entwickelt (siehe LT-Vorlage 16/2478): 2010 2011 2012 2013 1,069 Mrd. 1,26 Mrd. 1,568 Mrd. 1,713 Mrd. Basierend auf dem vor der Erhöhung im Dezember noch niedrigeren Grunderwerbsteuersatz von 5% hat der Finanzminister das Grunderwerbsteueraufkommen für das neue Jahr 2015 bei seiner Haushaltsaufstellung mit landesweit 1,943 Mrd. Euro prognostiziert. Durch die Steuersatzerhöhung um 30% auf 6,5 Prozentpunkte werden die Steuereinnahmen aus der Grunderwerbsteuer nach Angaben der regierungstragenden Fraktionen nun um 400 Mio. Euro auf 2,343 Mrd. Euro ansteigen. (Quellen: Finanzminister in LT-DS 16/6990 und Antrag SPD/Grüne in LT-DS 16/7600). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7886 2 Der Finanzminister hat für die Landesregierung dieses Vorhaben der regierungstragenden Fraktionen ausdrücklich unterstützt und der zahlenmäßigen Berechnung des steuerlichen Mehrertrags, die mehrfach in seiner Gegenwart so vorgetragen worden ist, zu keiner Zeit widersprochen. Rein logisch ist fraglich, wie diese Berechnung zustande kommt und welche Prämissen ihr zugrunde liegen. Unter der Annahme unveränderter Bedingungen zur Steuerschätzung des Finanzministers müsste eine 30%-ige Steuersatzerhöhung auch zu einem um 30% höheren Steuereinnahmevolumen führen, also für das Jahr 2015 zu 2,526 Mrd. Euro (1,3 x 1,943 Mrd. Euro). Die rot/grüne Annahme eines steuerlichen Ertrags von „nur“ 2,343 Mrd. Euro liegt also im Ergebnis um beachtliche 182,9 Mio. Euro unter dem Zahlenwert, der sich unter ansonsten identischen Bedingungen aus der reinen Steuersatzanpassung ergibt. Das Grunderwerbsteueraufkommen hängt rein sachlogisch dominant von zwei Faktoren ab: der Immobilienpreisentwicklung und der Transaktionshäufigkeit. Da die Steuererhöhung nicht sinkende Liegenschaftspreise bewirkt, scheint die Regierungsseite als Konsequenz aus der Grunderwerbsteuererhöhung eine direkte negative Marktreaktion bei Verkaufsvorgängen zu antizipieren, die bei rund 200 Mio. Euro jährlich liegt. Auch der sicherlich zu verzeichnende Effekt von eigentlich erst später beabsichtigten Erwerbsprozessen, die steuerbedingt auf ein Datum bis zum 31. Dezember 2014 vorgezogen worden sind, vermindert nicht im Jahr 2015 das Steueraufkommen, da die Grunderwerbsteuerbescheide für die noch im Dezember 2014 vollzogenen Transaktionen erst im Jahr 2015 ergehen und daher in aller Regel nicht mehr im Jahr 2014 kassenwirksam geworden sein dürften. Aufgrund vorgezogener Erwerbsprozesse, die nun zu steuerlichem Ertrag im Jahr 2015 führen, dürfte nachlaufend eher mit einer noch höheren Steuereinnahme in 2015 zu rechnen sein, was wiederum dazu führt, dass die für die obige Negativlücke von 200 Mio. Euro angenommen Voraussetzungen noch größer sind als dieser saldierte Betrag. Die bisherige Entwicklung legt eher die Vermutung nahe, dass der steuerliche Mehrertrag aus der Grunderwerbsteuererhöhung aus politischen Gründen eher bewusst derart niedrig angegeben worden ist, um die berechtigte Verärgerung in der Bevölkerung nicht noch mehr zu provozieren. Die Konsequenzen aus dieser rot/grünen Grunderwerbsteuererhöhung liegen auf der Hand: Das auch ohne eine Steuersatzanhebung bereits stark steigende Steueraufkommen aus dem Erwerb von Grundstücken und Gebäuden wird vor allem durch die leistungsbereiten Privatpersonen sowie kleinere und mittlere Unternehmer erbracht, die einen immer größeren Teil ihres bereits zuvor versteuerten erarbeiteten Einkommens bzw. Gewinns beim Liegenschaftskauf noch einmal doppelt versteuern müssen. Da zugleich insbesondere in Ballungsregionen die Immobilienpreise stark gestiegen sind, wird diese real zu tragende Belastung für breite Bevölkerungsteile immer größer. Im europäischen Vergleich ist der Anteil an selbstgenutztem Wohneigentum in NordrheinWestfalen leider nur gering. Dabei wäre durchaus eine größere Vermögensbildung von Arbeitnehmerhaushalten zur Lebensalterssicherung gesellschaftlich absolut wünschenswert. Die rot/grüne Grunderwerbsteuererhöhung konterkariert aber diese Zielsetzung ausdrücklich. Die fatalen Konsequenzen der erneuten Grunderwerbsteuererhöhung sind in der Praxis deutlich gravierender als der bloße steuerliche Mehrbetrag. Da die Kredite der Banken an realem Eigentum abgesichert werden müssen und natürlich nicht an Steuerentrichtungen, erhöht sich die Fremdkapitalaufnahme und damit zugleich die Zinssatzhöhe. Ferner wird die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7886 3 Ansparphase vor einer Kaufentscheidung gleich um mehrere Jahre verlängert. Aufgrund beider Effekte, der steigenden Immobilienpreise und der höheren Zinskosten werden aus zunächst einigen wenigen tausend Euro steuerlicher Mehrbelastung schnell beachtliche fünfstellige Euro-Beträge, die über die Gesamtlaufzeit einer Immobilienfinanzierung zusätzlich von Käufern aufgebracht werden müssen. Ferner steht eine erneut stark steigende Grunderwerbsteuer diametral der zunehmenden beruflichen Notwendigkeit entgegen, sich zum Zwecke des eigenen Arbeitsplatzerhalts auch räumlich verändern zu müssen und in Folge dessen seinen Wohnort zu verlegen. Völlig kontraproduktiv ist die rot/grüne fast Verdoppelung des Steuersatzes aber auch für zahlreiche politische Ziele wie die Wohnraumförderung, die energetische Sanierung des Wohnungsbestandes und Investitionen in vorhandene Bausubstanz. Im Ergebnis werden durch Marktanpassungsprozesse ferner Kaufinteressenten in urbane Randbereiche verdrängt , was wiederum eine Zunahme für zurückzulegende Wegstrecken bedeutet und Infrastrukturausbau in der Peripherie erfordert. Ferner ist die von der Landesregierung stets bestrittene mittelbare Auswirkung einer Steuererhöhung auf steigende Mieten eine irreale Annahme. Selbst die ökonomisch hoch problematische Mietpreisbremse wirkt nicht für Vermietungen im Erstbezug neuerrichteter Liegenschaften . In ungewöhnlicher Klarheit hat die fast vollständige Anzahl der Sachverständigen bei der Expertenanhörung des Landtags von der erneuten Grunderwerbsteuererhöhung abgeraten und mit zahlreichen Expertisen die gravierenden Fehlsteuerungen fundiert belegt, die die Konsequenz der rot-grünen Beschlüsse in der Praxis sind (siehe dazu auch detaillierte Ausführungen in APr 16/761). Nordrhein-Westfalen darf auch im Standortwettbewerb der Bundesländer nicht noch mehr an der Steuerschraube drehen und trauriger bundesweiter Spitzenreiter bei der Steuerbelastung für die breite Mitte unserer Gesellschaft sein. Vor dem Hintergrund der dargestellten finanziellen und gesellschaftlichen Nachteile, die sich zahlreich aus der Grunderwerbsteuererhöhung ergeben, sollte die Landesregierung nun dem Parlament gegenüber präzise ihre eigenen fiskalischen und sonstigen Annahmen zu der von ihr eindeutig unterstützten Mehrbelastung der nordrhein-westfälischen Bevölkerung darlegen und ihre eigenen Prognosen zur Steueraufkommensentwicklung transparent darstellen. 1. Falls die Landesregierung die von den regierungstragenden Fraktionen angege- benen 400 Mio. Euro Steuermehrertrag nicht als realistisch annimmt: Welche eigenen Berechnungen und Annahmen zu Steuermehreinnahmen infolge der Grunderwerbsteuererhöhung sieht der Finanzminister als realistisch an? (bitte ggf. abweichende eigene Prognosen präzise darlegen) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7886 4 2. Falls sich die Landesregierung der Prognose von voraussichtlichen 400 Mio. Euro anschließt: Welche konkreten einzelnen Erklärungen nimmt der Finanzminister dafür an, dass sich die von ihm im Haushaltsentwurf mit 1,943 Mrd. Euro prognostizierten Steuereinnahmen nicht um den Faktor 1,3 des erhöhten Steuersatzes erhöhen? (eigene Berechnungen und Prämissen bitte präzise darlegen) Die Landesregierung sieht die von den Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angegebenen 400 Mio. Euro Steuermehreinnahmen infolge der Grunderwerbsteuererhöhung als eine realistische Größenordnung an. Die Landesregierung geht nicht davon aus, dass es infolge der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Erhöhung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer zu negativen Auswirkungen auf die Anzahl der Verkaufsvorgänge kommt. Es ist indes nicht auszuschließen, dass aufgrund des sehr niedrigen Zinsniveaus für die Anlage von Veräußerungserlösen das Interesse am Verkauf einer Immobilie abnimmt. In Anbetracht der Vielzahl der in den letzten Jahren bereits erfolgten Transaktionen muss daher damit gerechnet werden, dass die Anzahl verkaufsbereiter Eigentümer einen Rückgang verzeichnen wird, wenn aus ihrer Sicht andere Anlageformen keine geeignete Alternative darstellen , es sei denn, dieser Effekt würde durch eine entsprechend höhere Preiserwartung ausgeglichen. 3. Mit welchen Grunderwerbsteuereinnahmen im Ist ist das Jahr 2014 abgeschlos- sen worden? (falls noch nicht final vorliegend beispielsweise nach Zahlen des vorläufigen Haushaltsabschlusses) Die Ist-Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer des Jahres 2014 belaufen sich auf 1.918.187.586,90 Euro. 4. Welche einzelnen der oben dargestellten oder eigenen sonstigen gesellschaftli- chen Auswirkungen der Grunderwerbsteuererhöhung hält die Landesregierung für plausibel? Hinsichtlich der vorgetragenen gesellschaftlichen Auswirkungen der Grunderwerbsteuererhöhung argumentieren die Fragesteller mit sehr pauschalen Aussagen. Die dabei vorgenommene Verallgemeinerung der gemutmaßten gesellschaftlichen Auswirkungen sieht die Landesregierung als nicht plausibel an. 5. Schließt die Landesregierung ihre politische Unterstützung für eine denkbare weitere Grunderwerbsteuererhöhung zur Erreichung der Schuldenbremse aus? Die Landesregierung geht nicht von einer weiteren Grunderwerbsteuererhöhung zur Erreichung der Schuldenbremse aus.