LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7924 17.02.2015 Datum des Originals: 13.02.2015/Ausgegeben: 20.02.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3014 vom 8. Januar 2015 der Abgeordneten Ingola Schmitz FDP Drucksache 16/7705 Erweist sich die Umsetzung der „Verbraucherbildung in der Schule“ durch das Schulministerium als ebenso „monoperspektivisch“, „geistig verengt“ und „normativ “, wie von vielen Wissenschaftlern zuvor befürchtet? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3014 mit Schreiben vom 13. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vor einigen Monaten ist intensiv über die Frage der Vermittlung ökonomischer Kenntnisse gestritten worden. Die FDP-Fraktion hatte im Anschluss an den von Schülerinnen und Schülern , Lehrerinnen und Lehrern und Schulleitungen als sehr erfolgreich bewerteten Modellversuch an Realschulen die Einführung eines Faches „Wirtschaft“ zunächst für Realschulen und den Realschulbildungsgang an Sekundarschulen gefordert, zu dem neben z.B. dem theoretischen Verständnis unserer Wirtschaftsordnung selbstverständlich auch der wichtige Aspekt der Verbraucherbildung zählt. Bei dieser Frage geht es nicht zuletzt darum, jungen Menschen gute Startbedingungen für eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Doch wurde die Einführung eines solchen Faches von Rot-Grün abgelehnt und als „Trostpreis“ lediglich ein Wahlpflichtfach ermöglicht. Gleichzeitig wurde von SPD, CDU und Grünen „Verbraucherbildung “ sowie damit begleitend „Revis“ weitgehend undifferenziert allen Schulen übergestülpt. Dies wurde in der Anhörung von wissenschaftlicher Seite z.B. für die „Normativität des Lebensentwurfs“ kritisiert, die sich letztlich auch in dem rot-grünen Anspruch widerspiegelt , dass Schülerinnen und Schüler „Lebensstile zu erlernen“ hätten. Eine der hierbei diskutierten Fragen stellte insbesondere dar, ob bei der Ausgestaltung als „Verbraucherbildung“, die z.B. von Gesundheit, Ernährung oder Medienbildung bis hin zu ökonomischen Kenntnissen reichen soll, irgendeines der Felder angemessen unterrichtet wird. Auch stellt sich die Frage, ob die Ausrichtung auf die wichtigen – aber eben nicht einzigen – Verbraucheraspekte im Rahmen der ökonomischen Bildung nicht zu einseitig ist. In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurden vor einigen Monaten u.a. zu die- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7924 2 sen Debatten im Landtag bekanntermaßen kritische Wissenschaftler zitiert, die vor einer „monoperspektivischen“ Ausrichtung und einer Verengung des „geistigen Horizonts“ durch das nun gewählte rot-grüne Vorgehen warnten. Ebenfalls wurde in dem Presseartikel z.B. davor gewarnt, dass durch eine Konzeption der Verbraucherbildung als „reine Lebenshilfe“ zudem nicht dem Bildungsauftrag allgemeinbildender Schulen entsprochen würde. Daher wäre in der Nachbetrachtung der parlamentarischen Debatten wichtig, wie nun eigentlich eine Umsetzung erfolgt. Hierzu werden auf der Seite des Ministeriums für Schule und Weiterbildung unter der Rubrik „Verbraucherbildung an Schulen“ nun vier Handlungsfelder dargestellt: Finanzen, Marktgeschehen und Verbraucherrecht, Ernährung und Gesundheit, Medien und Information und Nachhaltiger Konsum. Allerdings fragt man sich dann, wer z.B. die außerschulischen Bildungspartner und Akteure bei der Vermittlung sind. Hierzu werden aufgeführt: „•Fair Trade e.V. •Deutscher LandFrauenverband e.V., für das Rheinland: http://www.rheinischelandfrauen .de/ , für Westfalen/Lippe http://www.wllv.de/ •Lernort Bauernhof, Stadt und Land, http://www.stadtundland-nrw.de/ •TransFair – Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der „Dritten Welt“ e.V. http://www.fairtrade-deutschland.de/ •Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. http://www.vzbv.de/ •Verbraucherzentrale NRW e.V. http://www.vz-nrw.de/bildung •Stiftung Warentest http://www.test.de/“ Zweifelllos sind alle diese Partner honorig und können für Schülerinnen und Schüler in vielen Feldern interessante Kenntnisse vermitteln und Diskursmöglichkeiten eröffnen. Allerdings drängt sich durch die geringe Anzahl und die „Ausrichtung“ der außerschulischen Partner tatsächlich der Eindruck auf, dass genau die „Schlagseite“, die einseitige Verengung auf eine „reine Lebenshilfe“ stattfindet. Dieser Eindruck wird durch die dort unter der Rubrik „Einige aktuelle Projekte und Materialien zur Verbraucherbildung an Schulen“ aufgeführten Aspekte noch unterstrichen. Zum Zeitpunkt der Abfassung der Kleinen Anfrage ist dort z.B. ein sehr deutliches „Übergewicht“ beim Schwerpunkt „Essen“ zu erkennen. Dass auch dieses Thema sehr wichtig ist, ist vollkommen unbestritten. Dennoch scheinen sowohl die eingeschränkte rot-grüne Auswahl der außerschulischen Partner als auch die aufgeführten Projekte und Materialien genau die befürchtete „monothematische Verengung“ einerseits als auch die – insbesondere von Grünen favorisierte – Normativität bei Lebensentwürfen anderseits zu unterstreichen . Vorbemerkung der Landesregierung Verbraucherbildung in der Schule orientiert sich an den Grundsätzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie ist daher eines von fünf Leitprojekten zur Umsetzung der UNDekade „Bildung und nachhaltige Entwicklung“, über die die Landesregierung am 14.2.2012 beschlossen hat. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7924 3 Inhaltlich beruht Verbraucherbildung in der Schule im Wesentlichen auf dem Beschluss der KMK vom 12.9.2013 zur „Verbraucherbildung an Schulen“. Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat am 18.3.2014 zwei Beschlüsse zur Verbraucherbildung gefasst (Drs. 16/3223 und Drs. 16/5307), die beide im Rahmen des vom Ministerium für Schule und Weiterbildung und Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur - und Verbraucherschutz gemeinsam getragenen Leitprojektes „Verbraucherbildung an Schulen“ berücksichtigt werden, das in Kürze beginnen soll. Wichtige Grundlagen sind Anknüpfungspunkte in mehreren Fächern und in der Vergangenheit bewährte Konzepte wie beispielsweise das in einem bundesweiten Projekt entwickelte Konzept REVIS („Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in allgemein bildenden Schulen“). Seit dem 1.8.2014 kommt in den Realschulen das Wahlpflichtfach Politik-ökonomische Grundbildung (PöG) hinzu, das die Ergebnisse des Modellversuchs „Wirtschaft an Realschulen “ auch unter den Aspekten der Verbraucherbildung weiterentwickelt. Darüber hinaus wird der gesamte Bereich ökonomischer Grundbildung auch in anderen Zusammenhängen behandelt, insbesondere im Bereich der in Nordrhein-Westfalen systematisch ausgebauten Berufs- und Studienorientierung in den Schulen. Ein zentrales Instrument ist in diesem Rahmen das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“. 1. Nach welchen Kriterien wählt die Landesregierung die außerschulischen Partner im Rahmen der „Verbraucherbildung an den Schulen“ aus? Grundsätzlich entscheiden Schulen eigenverantwortlich über die Aus-wahl von Partnern. Die auf dem Bildungsportal des Ministeriums für Schule und Weiterbildung genannten Partner haben sich bei der Begleitung von Schulen zu Fragen der Verbraucherbildung bewährt. Voraussetzung für eine Aufnahme in das Portal ist die Gemeinwohlorientierung der Partner. 2. Ist die Aufnahme weiterer außerschulischer Partner geplant (wenn ja, welcher)? Es handelt sich nicht um eine abgeschlossene Aufstellung. Die Aufstellung kann im Verlauf des oben genannten Leitprojekts schrittweise erweitert werden. Konkrete Planungen gibt es zurzeit nicht. 3. Warum sieht die Landesregierung unter Beachtung der genannten außerschuli- schen Partner und Projekte/ Materialien, die sich nahezu ausschließlich auf Verbraucheraspekte konzentrieren, keine „monoperspektivische Schieflage“ im Bereich der Vermittlung ökonomischer Kenntnisse? Grundlage der Verbraucherbildung in der Schule ist wie auch bei jedem anderen in der Schule behandelten Themenfeld der „Beutelsbacher Konsens“ zur politischen Bildung. Es gelten das Gebot der Kontroversität, das Überwältigungsverbot und die Orientierung an den Schülerinnen und Schülern. Schülerinnen und Schüler werden unter Berücksichtigung ihrer Begegnung mit verbraucherrelevanten Sachverhalten im Alltag auf ihre Rolle als Verbraucherinnen und Verbraucher, Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Unternehmerinnen und Unternehmer vorbereitet. Ziel ist es, Schülerinnen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7924 4 und Schüler zu befähigen, auch in der Gesellschaft strittige Sachlagen zu bewerten und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen zu können. 4. Wo genau werden bei den genannten Projekten / Materialien neben den wichtigen Verbraucheraspekten, die hier u.a. – und selbstverständlich begrüßenswerterweise – z. B. durch die Verbraucher-zentralen vermittelt werden, umfassende ökonomische Kenntnisse vermittelt? Verbraucherbildung und ökonomische Grundbildung bedingen einander und bauen aufeinander auf. Hierzu gehört die Vermittlung von Konsumkompetenzen beispielsweise im Hinblick auf Güter und Dienstleistungen, Produktinformationen und Produktkennzeichnung, Werbung und Marketingstrategien. Für den Bereich Finanzen, Marktgeschehen und Verbraucherrecht können u.a. Finanzprodukte, Produkt- und Dienstleistungsmärkte, Lohn bzw. Einkommen, Vermögensbildung, private Absicherung und Altersvorsorge, Verträge, Geld und Zahlungsverkehr behandelt werden. 5. Warum kann die Landesregierung den Eindruck nicht nachvollziehen, dass die Themen- und Partnerauswahl, die für alle Schülerinnen und Schüler eigentlich die Mündigkeit und das Wissen steigern soll, teilweise einen ausgesprochen starken Schwerpunkt bei grünen parteipolitischen Überzeugungen zu haben scheint? Es gibt keine Hinweise, dass die genannten Themen nur von einzelnen Parteien behandelt würden. Die genannten Partner arbeiten ausnahmslos parteiunabhängig und parteiübergreifend . Die in der Fragestellung enthaltene Annahme ist daher gegenstandslos.