LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7929 17.02.2015 Datum des Originals: 13.02.2015/Ausgegeben: 20.02.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3036 vom 15. Januar 2015 der Abgeordneten Henning Höne und Susanne Schneider FDP Drucksache 16/7752 Veggie-Day, Plastiktütenverbot und nun „Quengelfreie Kassen“ – Wo mündet vernünftige Verbraucherschutzpolitik in staatliche Bevormundungspolitik? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 3036 mit Schreiben vom 13. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die allgemeinen Tendenzen der Politik, den Menschen vorzuschreiben, was gut und schlecht für sie sein soll, greifen immer weiter um sich. Im letzten Bundestagswahlkampf waren es die Grünen, die einen verpflichtenden „fleischfreien Tag“ festsetzen wollten. Auf europäischer Ebene will man ein Plastiktütenverbot umsetzen und im Deutschen Bundestag wollen CDU/CSU und SPD die Süßigkeiten aus dem Kassenbereich der Supermärkte verbannen. In einem Antrag fordern diese Fraktionen, dass man gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Lebensmitteleinzelhandel „darauf hinwirken [wolle,] dass ´quengelfreie´ (süßigkeitenfreie ) Kassen im Supermarkt angeboten werden“ (Vgl. Deutscher Bundestag - 18. Wahlperiode , Drucksache 18/3726). „Politik und Staat können und wollen den Menschen keinen bestimmten Lebensstil vorgeben “, betonen die Koalitionsfraktionen im gleichen Antrag. Es drängt sich dennoch unmissverständlich der Eindruck auf, dass der Staat massiv in das Verbraucherverhalten eingreifen möchte und dem Handel immer mehr Vorschriften machen will, wie er seine Waren anzuordnen hat. Das Problem des zunehmenden Übergewichtes bei Kindern ist aber vielschichtiger, als dass es durch eine Produktplatzierung im Supermarkt gelöst werden könne. Richtig ist, dass Politik aufklärend dazu beitragen kann, zu einem gesunden Lebensstil anzuregen . Die einseitige Verbannung von verschiedenen Gütern im Einzelhandel betrachten wir jedoch als nicht zielführend. Es ist zudem ein Eingriff in die unternehmerischen Freiheitsrechte in der sozialen Marktwirtschaft, Waren entsprechend frei anzubieten. Im Kassenbe- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7929 2 reich liegen zum Beispiel oft auch kleinere Verpackungseinheiten von alkoholischen Getränken . Auch da ist ein verantwortungsvoller Umgang der Verbraucherinnen und Verbraucher für einen gesunden Lebensstil zwingende Voraussetzung. Werden diese im nächsten Schritt als nicht wünschenswert von der Politik deklariert und entsprechend in weit entfernte Ecken im Supermarkt angeboten? Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung verfolgt eine differenzierte Strategie der Verbraucherpolitik. Dafür liefert unter anderem das Kompetenzzentrum Verbraucherforschung NRW (KVF NRW), ein Kooperationsprojekt der Landesregierung mit der Verbraucherzentrale NRW, wissenschaftliche Grundlagen. Eine Erkenntnis des KVF NRW ist, dass Kinder und Jugendliche als eine wichtige Gruppe unter den „verletzlichen Verbrauchern“ für Unternehmen eine wichtige Zielgruppe sind und zugleich besonders anfällig für die Manipulation ihrer Kaufentscheidungen sind. Um Kinder im Konsumalltag zu schützen, ist ein Mix aus gesetzlichen Regelungen und insbesondere die Stärkung ihrer Konsumkompetenz notwendig, welche die Landesregierung auf vielfältige Weise fördert. Zur Verringerung der Verwendung von Kunststofftüten ist auf Europäischer Ebene eine politische Einigung erfolgt. Das Ziel dieses europäischen Richtlinienvorschlags, Maßnahmen zur Erhöhung der Ressourceneffizienz durch Abfallvermeidung und zur Reduzierung der Vermüllung der Meere durch Plastikabfälle zu ergreifen, sieht die Landesregierung grundsätzlich als sinnvoll an. Neben solchen umwelt- und ressourcenpolitisch notwendigen Regelungen stehen Vorschläge mit empfehlendem Charakter im Vordergrund. Damit alternative Konsumentscheidungen möglich werden können, müssen sie allerdings auf ein tatsächlich vorhandenes Angebot treffen. So setzt sich die Landesregierung mit praktischen Maßnahmen – z.B. in der Gemeinschaftsverpflegung – für die Möglichkeit ein, eine gesunde und nachhaltige Auswahl treffen zu können („healthy choices“) . 1. Inwiefern sieht die Landesregierung in einer entsprechenden Umsetzung dieser Forderung von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag einen Eingriff in die unternehmerischen Freiheitsrechte der sozialen Marktwirtschaft? Die Landesregierung verfolgt primär den Ansatz, mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Handel in einen Dialog zu treten, um mögliche Kooperationen und Vereinbarungen auszuloten . So hat sich im Bereich Lebensmittelverschwendung der Runde Tisch „Neue Wertschätzung für Lebensmittel“ in NRW als feste Institution etabliert und bewährt; mit dem Verein „5amTag e.V.“ arbeiten Partner aus Wirtschaft, Gesundheit und öffentlicher Hand an einer Förderung des Obst- und Gemüsekonsums. Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen im Bundestag , „gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Lebensmittelhandel darauf hinzuwirken , dass ‘quengelfreie‘ (süßigkeitenfreie) Kassen in Supermärkten angeboten werden “, stellt nach Auffassung der Landesregierung ebenfalls ein solches Dialogangebot dar und ist nicht als Eingriff zu werten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7929 3 2. Inwiefern sieht die Landesregierung den Vorschlag, Süßigkeiten aus den Kassenbereichen von Supermärkten zu verdrängen, als zielführend an, um auf eine gesunde Ernährung hinzuwirken? Es gibt eine Fülle bewährter und von der Landesregierung eingesetzter Maßnahmen, um eine gesunde Ernährung zu fördern. Auf die beispielhafte Aufzählung in der Antwort auf Frage 5 wird verwiesen. Die Verdrängung von Süßigkeiten aus den Kassenbereichen könnte diese ggf. ergänzen. 3. Mit welchen quantitativen Mehrbelastungen rechnet die Landesregierung für das Land Nordrhein-Westfalen, um die Umsetzung eines Verbotes von Süßigkeiten im Kassenbereich von Supermärkten effektiv zu kontrollieren? Da kein Verbot geplant ist, sind die in der Frage unterstellten Mehrbelastungen nicht ersichtlich . 4. Falls die Landesregierung diesen Vorschlag positiv bewertet: Bei welchen weite- ren Waren sieht die Landesregierung Handlungsbedarf, in die Produktplatzierung im Einzelhandel einzugreifen? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Verbraucherinnen und Verbraucher über einen gesunden Lebensstil entsprechend aufzuklären und sie für einen solchen zu sensibilisieren? Die Landesregierung setzt bei der Förderung eines gesunden und nachhaltigen Ernährungsverhaltens auf ein vielschichtiges Maßnahmenbündel. Bei dem Ziel, einen gesundheitsförderlichen Lebensstil zu verankern, sind zwei parallele Ansatzpunkte von besonderer Bedeutung : Einerseits ist die Ernährungsbildung, d.h. die Aufklärung darüber, welche Zusammenhänge zwischen dem (individuellen) Ernährungsverhalten und der Gesundheit bestehen, wichtig, andererseits muss ebenso eine gesundheitsförderliche Veränderung von Alltagssituationen und Lebenswelten („Verhältnisprävention“) angestrebt werden, damit Maßnahmen erfolgreich sind. Nachfolgend sind beispielhaft einige maßgebliche Initiativen der Landesregierung dargestellt. 1. Vernetzungsstelle Schulverpflegung NRW Die Vernetzungsstelle Schulverpflegung wird bereits seit mehreren Jahren vom Um- weltministerium und dem Schulministerium Nordrhein-Westfalen sowie dem Bund gefördert . Hauptaufgabe der Vernetzungsstelle Schulverpflegung ist die Beratung und Unterstützung von Schulen, Schulträgern und weiteren für die Verpflegung zuständigen Akteuren rund um das Thema gesunde Ernährung in der Schule. Trägerin ist die Verbraucherzentrale NRW. Neben Veranstaltungen, Fortbildungen und Workshops bietet die Vernetzungsstelle auch Unterrichtsmaterialien an, vernetz die relevanten Akteure und informiert über neuste Erkenntnisse und Entwicklungen auf diesem Gebiet. Sie bietet Entscheidungshilfe bei wichtigen Fragen und gibt Handlungsempfehlungen heraus. 2. Kita gesund und lecker LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7929 4 Das Informationsportal zur gesunden Kita-Verpflegung ergänzt die Arbeit der Vernetzungsstelle Schulverpflegung. Das Projekt soll dazu beitragen, eine gesunde Verpflegung in Kindertagesstätten zu implementieren und von klein auf für ein gesundes Ernährungsverhalten zu werben. Bereits die Jüngsten sollen für leckere und frische Lebensmittel begeistert werden. 3. EU-Schulobst- und -gemüseprogramm NRW Seit 2010 beteiligt sich Nordrhein-Westfalen am europäischen Schulobst- und - gemüseprogramm. Mittlerweile profitieren über 1000 Grund- und Förderschulen von den kostenlosen Obstlieferungen. Flankierende Maßnahmen wie Unterrichtseinheiten oder Materialien sollen dabei die Zielsetzung des Programmes unterstützen. Ebenso wie die Aktivitäten der Vernetzungsstelle Schulverpflegung setzt dieses Programm sowohl bei der Verhaltensprävention als auch bei der Verhältnisprävention an. 4. EU-Schulmilchprogramm NRW Milch und Milchprodukte sind ein wertvoller Bestandteil eines gesunden Pausenfrühstücks . Daher setzt sich NRW seit vielen Jahren für eine optimale Umsetzung des EUSchulmilch -programms ein und unterstützt durch gezielte Fördermaßnahmen die Information über den Wert der Schulmilch für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Insgesamt besteht für über 15.000 schulische Einrichtungen und Kindergärten das Angebot , Schulmilch zu beziehen; im Bundesvergleich wird in NRW am meisten Schulmilch getrunken. 5. Unterrichtsmodul zum Thema Lebensmittelverschwendung Das Modul soll für Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen eine Hilfestellung sein, das Thema Wertschätzung und Verschwendung von Lebensmitteln als einen Beitrag zur nachhaltigen Ernährungsbildung im Unterricht zu behandeln. 6. Klimagesunde Schulverpflegung Ein Leitfaden zur Umsetzung einer gesunden, schmackhaften und klimafreundlichen Schulverpflegung an Schulen, der aufzeigt, welche Schritte hierfür gegangen und welche Kriterien zu berücksichtigen sind. 7. LandFrauen NRW Die LandFrauen NRW gehen seit vielen Jahren als qualifizierte Ernährungsbotschafte- rinnen an nordrhein-westfälische Schulen und besprechen mit den Schülerinnen und Schülern, was zu einer gesunden Ernährung dazu gehört und wie man eine solche täglich umsetzt. Im Rahmen des EU-Schulobst- und -gemüse-programms sowie des Schulmilchprogramms sind die Unterrichtseinheiten der LandFrauen NRW zu einem gesunden Schulfrühstück Teil des flankierenden Maßnahmenpaketes. 8. Anerkannter Bewegungskindergarten mit dem Pluspunkt Ernährung Dieses von der Landesregierung geförderte Projekt ist Teil der Landesinitiative „Präven- tion von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter“. In dem Projekt werden die Bereiche „gesunde Ernährung“ und „Bewegung“ miteinander verbunden. Das Projekt, welches in der Qualifizierung von ErzieherInnen in Kindertageseinrichtungen ansetzt, bildet somit eine wichtige Grundlage für eine möglichst frühe Etablierung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils. 9. Ernährungsportal NRW LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7929 5 Das Internet-Angebot bietet einen einfachen Zugang zu einer Fülle verlässlicher, wissenschaftlich abgesicherter und unabhängiger Informationen rund um das Thema Ernährung . Verbraucherinnen und Verbraucher (fast) jeder Altersgruppe und die interessierte Fachöffentlichkeit finden auf einen Blick Informationen u.a. über Ernährung und Gesundheit, nachhaltige Ernährung, Lebensmittelsicherheit, Hygiene, Essen und Trinken in Kita und Schule. Über eine NRW-Karte können zudem Ansprechpersonen von Gesundheitsämtern bis zu qualifizierten Ernährungsberaterinnen vor Ort gefunden werden .