LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7940 17.02.2015 Datum des Originals: 17.02.2015/Ausgegeben: 20.02.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3035 vom 13. Januar 2015 der Abgeordneten Ilka von Boeselager und Andrea Milz CDU Drucksache 16/7715 Gescheiterter Bombenanschlag am Bonner Hauptbahnhof: Welche sicherheitspolitischen Konsequenzen hat die Landesregierung seit dem 10.12.2012 gezogen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3035 mit Schreiben vom 17. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen , Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der versuchte Bombenanschlag am Hauptbahnhof der Bundesstadt Bonn, 10.12.2012, hat auch dazu geführt, dass die Frage, wo, inwieweit und in wessen Verantwortung eine Videoüberwachung des öffentlichen Raums geboten ist, in das Zentrum der öffentlichen Diskussion gerückt ist. Gerade im Blick auf die Situation in der Bundesstadt Bonn wurde und wird diese Diskussion aus verschiedener Richtung zusätzlich angeregt: Zum Beispiel durch Presseberichterstattung über die mögliche Entwicklung innerstädtischer „No-Go-Areas“ und Forderungen aus Reihen der Polizeigewerkschaft GdP nach dem Einsatz von VideoÜberwachung auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes an besonders gefährdeten Orten (vgl. zum Beispiel: General-Anzeiger, Bonn, 28.01.2014: „Polizei widerspricht Gefährdungsszenarios“). Ebenso angeregt wird die Diskussion durch den Umstand, dass die Täter-Ermittlung im Zusammenhang mit dem versuchten Bombenanschlag am Bonner Hauptbahnhof zentral auf die Aufzeichnung der Überwachungskamera eines bahnhofsnahen Fast-Food-Restaurants gestützt wurde, da laut Presseberichterstattung zum Tatzeitpunkt die Bahn „das fragliche Areal zwar teilweise per Video beobachtet – die Bilder aber nicht aufgezeichnet“ habe (Die Welt, 17.12.2012: „Streit um Videoüberwachung nach Bonner Bahnhofs-Bombe“). In diesem Punkt ist vor allen Dingen das Einschreiten des Datenschutzbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen diskussionserheblich. Exemplarisch befürchtet der Kölner Stadt-Anzeiger in der Ausgabe vom 06.01.2015 in dem Beitrag „Schnellrestaurant muss Kamera abnehmen: „Durch die Feststellung des Datenschutzbeauftragten, die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7940 2 Aufnahmen seien rechtswidrig, könnte die Bundesanwaltschaft ihren wichtigsten Beweis verlieren.“ In der Öffentlichkeit entsteht vor diesem Hintergrund der aktuelle Eindruck, dass man aus „dem Fall der Bonner Bombe […] anscheinend gelernt“ habe, sich aber „dennoch in beamtendeutsche Phrasen“ flüchte (General-Anzeiger, Bonn, 05.01.2015: „Videotechnik am Bahnhof soll abschrecken). Landespolitisch wurden Nachfragen nach der Relevanz einer Video-Überwachung im öffentlichen Raum und an nordrhein-westfälischen Bahnhöfen verschiedentlich mit dem Hinweis auf die eigene Unzuständigkeit beantwortet. So bescheidet der Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NordrheinWestfalen zu der Kleine Anfrage des Abgeordneten Theo Kruse vom 24. Juni 2014, Drucksache 16/6175, unter anderem: „In der Kleinen Anfragen wird um eine umfassende, technisch detaillierte Darstellung der in nordrhein-westfälischen U-Bahnhöfen installierten Videokameras gebeten. Die Daten liegen der Landesregierung nicht vor und müssten zunächst gesondert erhoben werden. Eine Auskunftsverpflichtung der Landesregierung gegenüber dem Landtag kann aber nur da bestehen , wo sie die Aufstellung von Videokameras selbst vornimmt, verantwortet oder eine unmittelbare Aufsichtsverantwortung gegenüber den aufstellenden Stellen besitzt. Da sich derartige Infrastrukturanlagen in der Zuständigkeit der Verkehrsunternehmen bzw. der Städte als ÖPNV-Aufgabenträgerinnen und Eigentümerinnen der Verkehrsanlagen befinden, wird eine Auskunftsverpflichtung der Landesregierung nicht angenommen.“ Der nordrhein-westfälische Minister für Inneres und Kommunales, Ralf Jäger, wird hinsichtlich des auf Bundesebene projektierten Ausbaus für zehn zentrale Bahnhöfe in der Bundesrepublik – darunter Köln – zitiert: “Ich gehe davon aus, dass der Bund und die Bahn beim Ausbau der Videotechnik in den Bahnhöfen zu einer vernünftigen Lösung kommen werden“ vgl. u. a.: http://www.ad-hoc-news.de/csu-innenexperte-videoueberwachung-aufbahnhoefen -soll--/de/News/40702058?emdere [09.01.2015]. Demgegenüber bleiben infolge des versuchten Bombenanschlags am Bonner Hauptbahnhof die sicherheitspolitischen Konsequenzen, die die Landesregierung selbst gezogen hat, unscharf : namentlich auch im Blick auf die Situation in der Bundesstadt Bonn und namentlich in puncto Videoüberwachung. 1. Welche polizeiorganisatorischen Konsequenzen hat die Landesregierung aus dem versuchten Bombenanschlag am Hauptbahnhof Bonn gezogen? Größere Einsatz- und Schadenslagen bewältigen die Kreispolizeibehörden grundsätzlich im Rahmen einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO), die insbesondere von einheitlicher Führung und lageabhängig vorstrukturierten Einsatzabschnitten unter Festschreibung standardisierter Arbeitsabläufe und Kommunikation geprägt ist. BAO sind durch die Polizeibehörden für unterschiedliche Einsatzanlässe hinsichtlich Art, Umfang und Intensität der Maßnahmen sowohl für Sofortlagen als auch für zeitlich vorhersehbare Lagen vorbereitet und trainiert. Die taktischen Vorgaben für die Polizei ergeben sich aus der bundesweit gültigen Polizeidienstvorschrift (PDV) 100 VS-NfD. Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen hat darüber hinaus für besondere Einsatzlagen - u.a. für Anschläge - einen Landesteil NRW zur PDV 100 erlassen. Dieser regelt in - Teil I - VS-NfD („Einsatzleitlinie Einsatz der Polizei bei Anschlägen, Gefahr von Anschlägen, Größeren Gefahren - und Schadenslagen, Katastrophen“) Verantwortlichkeiten und taktische Maßnahmen zur Einsatzbewältigung, so dass ein reibungsloses und professionelles Zusammenwirken der beteiligten Polizeidienststellen gewährleistet ist. Die handlungsleitenden Dienstvorschriften LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7940 3 unterliegen einer regelmäßigen Überprüfung und Anpassung, um insbesondere Naht- und Schnittstellen fortlaufend zu minimieren und routinierte Arbeitsabläufe sicherzustellen. Gewonnene Einsatzerfahrungen fließen in die Evaluation und Modifizierung der Vorschriftenlage ein. Dadurch erfolgen auch gemeinsame Einsatzbewältigungen verschiedener Behörden und Organisationen auf Basis einer allen Beteiligten bekannten Vorschriftenlage. Diese Verfahrensweise hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Im Nachgang zu dem versuchten Anschlag am Bonner Hauptbahnhof war weder eine Veränderung der Vorschriftenlage noch eine sonstige organisatorische Veränderung erforderlich. 2. Mit welchem Ergebnis ist die Landesregierung, auch gegenüber der Deutschen Bahn und/oder dem Bund aktiv geworden, um die Sicherheit an den Bahnsteigen mit den Instrumenten der Videoüberwachung und -aufzeichnung zu verbessern? Die Deutsche Bahn AG und die Bundesregierung schlossen Ende 2013 eine Grundsatzvereinbarung zu Ausbau und Modernisierung der Videoüberwachung und -aufzeichnung an Bahnhöfen. Die Landesregierung hält an meiner in der Vorbemerkung der Fragestellerinnen zitierten Aussage hinsichtlich des auf Bundesebene projektierten Ausbaus fest und sieht daher keinen Anlass, in diesen Dialog zwischen Bund und Bahn mit Vorschlägen an die Gesprächspartner einzugreifen. 3. Mit welchen konkreten Maßnahmen wurden die Strukturen der Partnerschaft und Kooperation zwischen der Polizei und der Bundespolizei als Konsequenz des versuchten Bombenanschlags am Hauptbahnhof Bonn ausgebaut? Unabhängig vom Einsatz der Polizei anlässlich des Anschlagsversuchs in Bonn stimmen sich die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen und die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin regelmäßig und anlassunabhängig über Einsatzlagen ab, die beide Zuständigkeitsbereiche betreffen. Im konkreten Fall fand eine standardisierte Nachbereitung des Einsatzes statt. Es wurden keine strukturellen Mängel in der Zusammenarbeit festgestellt, die konkrete Maßnahmen zur Optimierung der Zusammenarbeitsstrukturen erforderlich gemacht hätten. 4. Welche detaillierten Kenntnisse hat die Landesregierung von dem aktuellen Sachstand bezüglich der Einrichtung eines gemeinsamen Hauses der Sicherheit am Bonner Hauptbahnhof? Mit der "Gemeinsamen Anlaufstelle Bonner Innenstadt (G.A.B.I.)" arbeiten die Bundesstadt Bonn und das Polizeipräsidium Bonn in einer erfolgreichen Ordnungspartnerschaft zusammen . Zur Stärkung der Zusammenarbeit in allen ordnungs- und sicherheitsrechtlichen Problemen in der Bonner Innenstadt wird eine Ausweitung dieser Ordnungspartnerschaft um die Bundespolizei als weiteren Netzwerkpartner angestrebt. Planungen zur Neugestaltung des Bahnhofsplatzes in Bonn sehen einen Neubau für eine gemeinsame Unterbringung der Ordnungspartner vor - ein „Haus der Sicherheit“. Auf der Grundlage einer Machbarkeitsstudie der Deutschen Bahn AG wurde im Oktober 2014 eine Planungsvereinbarung zwischen der DB AG sowie der Bundespolizei und der Bundesstadt Bonn als künftigen Mietern geschlossen . Die Ergebnisse der Planungen und der Kostenermittlung der DB AG liegen noch nicht vor und sind abzuwarten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7940 4 5. Wie beurteilt die Landesregierung im konkreten Fall und in Abwägung der erheblichen Rechtsgüter das Ermessen des Datenschutzbeauftragten des Landes, nach dem die Kamera des Bonner Fast-Food-Restaurants deinstalliert werden musste? Die Datenschutzaufsicht wird auch für den nicht-öffentlichen Bereich vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW als unabhängige, nicht zur Landesregierung gehörende Behörde wahrgenommen. Aufgrund des Zuständigkeitsbereichs der Landesregierung beschränkt sich die Beantwortung zu Kleinen Anfragen auf Maßnahmen der Behörden der Landesverwaltung, einschließlich der kommunalen Behörden - soweit diese der Fach- und Rechtsaufsicht der Landesverwaltung unterliegen. Insofern ist eine Beantwortung der Frage nicht möglich.