LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/7995 26.02.2015 Datum des Originals: 26.02.2015/Ausgegeben: 03.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3061 vom 21. Januar 2015 der Abgeordneten Birgit Rydlewski und Michele Marsching PIRATEN Drucksache 16/7822 Kleine Anfrage zu Straf- und Gewalttaten gegen Geflüchtete in Nordrhein-Westfalen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3061 mit Schreiben vom 26. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im vergangenen Jahr haben sich Straf- und Gewalttaten gegen Einrichtungen für Geflüchtete und gegen Geflüchtete selbst gehäuft. In NRW gab es dabei in mehreren Städten nicht nur Straf- und Gewalttaten auf Geflüchtete „von außen“, sondern auch von eigentlich zu deren Betreuung zuständigen Personen, die dann letztlich zu Ermittlungen gegen die Betreiber des Flüchtlingsheims geführt haben. Vorbemerkung der Landesregierung Die statistische Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK) erfolgt bundesweit einheitlich auf der Grundlage des im Jahr 2001 von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder beschlossenen Definitionssystems „Politisch motivierter Kriminalität“. Der PMK werden danach Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie - den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7995 2 - sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung bzw. eines ihrer Wesensmerkmale, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes zum Ziel haben, - durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, - gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Darüber hinaus gehören Straftaten gemäß §§ 80-83, 84-86a, 87-91, 94-100a, 102-104a, 105-108e, 109-109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB als Staatsschutzdelikte zur PMK, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Die Straftaten werden unter einem der Phänomenbereiche „Politisch motivierte KriminalitätLinks “, „Politisch motivierte Kriminalität-Rechts“, „Politisch motivierte Ausländerkriminalität“ oder „Sonstige/nicht zuzuordnen“ erfasst. Der Kriminalpolizeiliche Meldedienst „Politisch motivierte Kriminalität“ (KPMD-PMK) liefert als Verlaufsstatistik zeitnah eine detaillierte Übersicht über das polizeilich relevante Geschehen im Bereich der PMK. Die Fallzahlen im Bereich der PMK sind eine Zusammenstellung aller der Polizei bekannt gewordenen, politisch motivierten strafrechtlichen Sachverhalte unter Beschränkung auf ihre erfassbaren, wesentlichen Inhalte. Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet. Diese Themenfelder sind in einem bundeseinheitlichen Katalog festgelegt und bilden somit die Grundlage für die einheitliche Erfassung und Auswertung. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des BKA hat derzeit den Auftrag, das Definitionssystem PMK und den Themenfeldkatalog zur KTA-PMK unter Einbeziehung von Expertenwissen aus den Bereichen Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu überprüfen. 1. Welche Informationen liegen zu Straf- und Gewalttaten gegen Einrichtungen für Geflüchtete in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Januar 2013 vor? (Bitte listen Sie diese nach den folgenden Kriterien auf: a) Datum b) Adresse c) Objektart (z. B.: spezifische Gebäude wie z. B. Flüchtlingsheim, KiTa, Bildungseinrichtung; allgemein: Ein- und Mehrfamilienhaus, Wohngebäude oder Bürokomplex, Kfz, Mülltonne, etc.) d) Straftatbestand (Sachbeschädigung (Hakenkreuz etc.), Sonstiges, wenn ja, welcher Straftatbestand?) e) Personenschaden, wenn ja, in welchem Ausmaß? f) Ermittlungsstand g) zuständige Staatsanwaltschaft und Aktenzeichen) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7995 3 2. Welche Informationen liegen zu Straf- und Gewalttaten gegen Geflüchtete in Nordrhein-Westfalen seit dem 1. Januar 2013 vor? (Bitte listen Sie diese nach den folgenden Kriterien auf: a) Datum b) Ort c) Wegen welcher Straftat(en) wurde/wird ermittelt? d) Personenschaden, wenn ja, in welchem Ausmaß? e) Ermittlungsstand f) zuständige Staatsanwaltschaft und Aktenzeichen) „Straf- und Gewalttaten gegen Geflüchtete“ bzw. „Straftaten gegen Einrichtungen für Geflüchtete“ bildet das Definitionssystems PMK nicht ab. Straftaten in diesem Zusammenhang werden hierin am ehesten unter dem Themenfeld “Ausländer-/Asylthematik“ erfasst. Diese Straftaten richten sich jedoch nicht zwangsläufig gegen die entsprechenden Personen oder Objekte, sondern können auch im Zusammenhang mit dem Thema begangen worden sein. Eine Differenzierung der unter diesem Themenfeld erfassten Straftaten nach den geforderten Kriterien ist in der Kürze der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit weder umzusetzen noch darstellbar. Zur Beantwortung wurden daher zunächst alle Straftaten des KPMD-PMK, die unter dem Themenfeld “Ausländer-/Asylthematik“ statistisch erfasst sind, für den Berichtszeitraum erhoben. Ausländer Links Rechts Sonstige/ Nicht zuzuordnen Gesamt Deliktsgruppen Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Tötungsdelikte (einschließlich Versuche) 0 0 0 0 0 Branddelikte 0 0 2 0 2 Sprengstoffdelikte 0 0 0 0 0 Landfriedensbruchdelikte 0 0 1 0 1 Gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr etc. 0 0 0 0 0 Körperverletzungsdelikte 0 1 3 2 6 Widerstandshandlungen 0 2 0 0 2 Raub 0 0 0 0 0 Erpressung 0 0 0 0 0 Freiheitsberaubung 0 0 0 0 0 Sexualdelikte 0 0 0 0 0 Zwischensumme Gewaltdelikte 0 3 6 2 11 Bedrohungen/Nötigungen 2 1 3 0 6 Sachbeschädigungen 0 32 14 1 47 Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB 0 0 9 0 9 Volksverhetzungen 0 0 62 0 62 Störung des öffentlichen Friedens 1 0 1 0 2 Beleidigungen 0 2 6 0 8 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7995 4 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 0 0 0 0 0 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 0 12 2 2 16 sonstige Straftaten 0 5 6 0 11 Summe Gesamt 3 55 109 5 172 Tabelle „Straftaten der PMK zum Themenfeld „Ausländer/Asylthematik“ im Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2014 nach Deliktsgruppen und Phänomenbereich“ Dem Themenfeld “Ausländer-/Asylthematik“ ist seit dem 01.01.2014 das Unterthema „gegen Asylbewerberunterkünfte“ zugeordnet. Für das Jahr 2014 wurden 29 Straftaten statistisch erfasst, die im Zusammenhang mit diesen Einrichtungen begangen wurden. Ausländer Links Rechts Sonstige/ Nicht zuzuordnen Gesamt Deliktsgruppen Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl Tötungsdelikte (einschließlich Versuche) 0 0 0 0 0 Branddelikte 0 0 1 0 1 Sprengstoffdelikte 0 0 0 0 0 Landfriedensbruchdelikte 0 0 0 0 0 Gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr etc. 0 0 0 0 0 Körperverletzungsdelikte 0 0 2 0 2 Widerstandshandlungen 0 0 0 0 0 Raub 0 0 0 0 0 Erpressung 0 0 0 0 0 Freiheitsberaubung 0 0 0 0 0 Sexualdelikte 0 0 0 0 0 Zwischensumme Gewaltdelikte 0 0 3 0 3 Bedrohungen/Nötigungen 2 0 1 0 3 Sachbeschädigungen 0 1 6 1 8 Verstöße gegen §§ 86, 86a StGB 0 0 7 0 7 Volksverhetzungen 0 0 3 0 3 Störung des öffentlichen Friedens 0 0 0 0 0 Beleidigungen 0 0 1 0 1 Verstöße gegen das Vereinsgesetz 0 0 0 0 0 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz 0 0 0 0 0 sonstige Straftaten 0 0 4 0 4 Summe Gesamt 2 1 25 1 29 Tabelle „Straftaten der PMK zum Themenfeld „gegen Asylbewerberunterkünfte“ im Zeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2014 nach Deliktsgruppen und Phänomenbereich“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7995 5 3. Wie sieht die Landesregierung die Entwicklung von Straf- und Gewalttaten gegen Geflüchtete in Nordrhein-Westfalen in den letzten 10 Jahren? Das Definitionssystem PMK bildet „Straf- und Gewalttaten gegen Geflüchtete“ nicht ab. Unter dem Themenfeld „Ausländer-/Asylthematik“ wurden in den letzten zehn Jahren nachfolgende Straftaten erfasst: Tabelle „Straftaten der PMK zum Themenfeld „Ausländer/Asylthematik“ im Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2014“ 4. Wie schätzt die Landesregierung insgesamt das Gefahrenpotenzial für Geflüchtete in Nordrhein-Westfalen ein? Die Zahl von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung nach Deutschland flieht, steigt aufgrund der anhaltenden weltweiten Konflikte seit geraumer Zeit stark an. Ein Rückgang der Flüchtlingszahlen ist derzeit nicht absehbar. Dieses Thema greifen insbesondere Rechtsextremisten auf. Ihr Ziel ist es, mediale Aufmerksamkeit zu erlangen, in dem sie die in Teilen der Bevölkerung vorhandenen Ängste und Vorbehalte gegenüber Zuwanderern durch gezielte Agitation verstärken. Entsprechend fanden in den vergangenen Monaten auch in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Demonstrationen und Proteste statt, die überwiegend durch rechtsextremistische Anmelder organisiert wurden. Wenngleich der Zulauf in NordrheinWestfalen vergleichsweise gering war, werden Flüchtlinge auch zukünftig im Fokus der rechtsextremistischen Szene stehen. 5. Welche Maßnahmen hält die Landesregierung seitens der zuständigen Behörden von Stand und Land für notwendig, um solche Straf- und Gewalttaten zukünftig besser entgegenwirken zu können? Die nordrhein-westfälische Landesregierung verurteilt Straftaten jeder Art. Sie trifft eine Vielzahl von Maßnahmen, um den Schutz aller in Nordrhein-Westfalen lebender Menschen vor Straftaten zu gewährleisten. Um den Schutz für Flüchtlinge zu gewährleisten und eine menschenwürdige Betreuung sicherzustellen, gelten für die Zentralen Unterbringungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen seit Oktober 2014 einheitliche Qualitätsstandards. Diese erstrecken sich insbesondere auf die Unterbringung und Betreuung sowie auf die Bewachung der Einrichtungen. Hierzu ist 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Straftaten insg. 11 13 13 16 11 8 18 44 52 120 Gewaltdelikte 0 0 0 1 4 0 1 4 5 6 11 13 13 16 11 8 18 44 52 120 1 4 1 4 5 6 1 10 100 1000 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/7995 6 auch eine umfassende Sicherheitsüberprüfung aller Sicherheitsbediensteten in Flüchtlingsunterkünften vorgeschrieben. Darüber hinaus wurde eine Verbindungsstelle der Polizei bei der Bezirksregierung Arnsberg eingerichtet, um den Informationsaustausch zwischen der Bezirksregierung und der Polizei zu optimieren, dem Ministerium und den sonstigen Beteiligten jederzeit das polizeilich relevante Lagebild zu vermitteln und eine zielgerichtete Aufgabenwahrnehmung zu gewährleisten. Zur Einschätzung und Bewertung der Gefährdung für Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge oder gegen Flüchtlinge selbst erheben die Sicherheitsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen fortlaufend sicherheitsrelevante Erkenntnisse. Diese sind Grundlage der Beurteilung der Gefährdungslage und darauf basierender Schutzmaßnahmen. Die Beurteilung der Gefährdungslage wird von den Kreispolizeibehörden vorgenommen. Um Straftaten gegen Flüchtlinge nachhaltig zu begegnen, bedarf es nach Auffassung der Landesregierung einer zielgerichteten Bekämpfung des Rechtsextremismus. Insoweit stellt diese Aufgabe einen Schwerpunkt der nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden dar. Die Landesregierung hat hierzu bereits 2011 ein 8-Punkte-Programm zur Bekämpfung des Rechtsextremismus/-terrorismus eingeführt, das neben umfassenden repressiven Elementen auch einen deutlichen Schwerpunkt auf die Prävention des Rechtsextremismus legt. Die Förderung und der Ausbau weiterer Präventionsmaßnahmen, u. a. im Bereich der PMKRechts , sind ein Anliegen der Landesregierung und werden auch zukünftig nachhaltig vorangetrieben.