LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8021 27.02.2015 Datum des Originals: 27.02.2015/Ausgegeben: 04.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3095 vom 30. Januar 2015 der Abgeordneten Birgit Rydlewski, Frank Herrmann und Torsten Sommer PIRATEN Drucksache 16/7866 Kleine Anfrage zur Kommunikation zwischen Sicherheitsbehörden in NordrheinWestfalen betreffend reisende Gewalttäter Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3095 mit Schreiben vom 27. Februar 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den Abendstunden des 18.01.2015 gedachten in Köln ca. 150 Menschen der Opfer des Bombenanschlags in der Kölner Probsteigasse im Jahr 2001, der dem NSU zugerechnet wird. Während dieser Mahnwache zum 14. Jahrestag des Anschlags, die in direkter Nähe zum damaligen Tatort stattfand, versuchte eine Gruppe von ca. 50 Neonazis und Hooligans zu der Gedenkkundgebung zu gelangen. Der Polizei gelang es, 30 Personen dieser Gruppe erst 400 m vor dem Kundgebungsort zu stoppen. Nach Aussagen der Presse waren einige dieser Personen bewaffnet, vermummt und offensichtlich auf die Begehung von Gewalttaten vorbereitet. So berichtet die Kölnische Rundschau in ihrer Online-Ausgabe vom 19.01.2015 Die teils vermummten Männer hatten offenbar vor, die Teilnehmer der Gedenkfeier zu überfallen. Die Polizisten einer Hundertschaft fanden einen Elektroschocker in der Kleidung eines Mannes, gegen ihn wurde eine Strafanzeige gestellt. Die Waffe wurde ebenso sichergestellt wie Pfefferspray und mit Quarzsand gefüllte Handschuhe bei weiteren Hooligans. Manche Personen hatten Schutzkleidung am Körper, offenbar zum Schutz vor Schlägen bei der Auseinandersetzung. Einige der mutmaßlichen Gewalttäter waren mit der Bahn aus dem Ruhrgebiet (Essen und Oberhausen) angereist, andere waren in einem Autokonvoi aus dem Bergischen Land (Wuppertal) gekommen, teilte die Polizei mit. „Keiner kam aus Köln“, sagte ein Beamter der Rundschau. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8021 2 Weiter heißt es: Aufmerksame Beamte einer Hundertschaft, die zum Schutz der Mahnwache eingesetzt war, hatten verdächtige Personen im Gereonsviertel bemerkt. Sie konnten die Männer rund 400 Meter von der Veranstaltung entfernt stoppen. Quelle: www.rundschau-online.de/koeln/probsteigasse-polizei-verhindert-hooligan-angriff-nurknapp ,15185496,29612646.html Laut Pressemitteilung der Polizei Essen vom 18.01.2015 auf deren Facebook-Seite hatte die Polizei zuvor in Essen 88 Personen aus dem Hooligan-/Neonazi-Milieu mit einem Platzverweis belegt. Quelle: www.facebook.com/Polizei.NRW.E Da auch bei vielen anderen Demonstrationen in Nordrhein-Westfalen gewaltbereite Teilnehmer oft aus dem ganzen Land zum jeweiligen Kundgebungsort anreisen und sich ebenso oft die Sicherheitsbehörden vor Ort völlig überrascht von dieser Tatsache zeigen – in diesem Zusammenhang sei an den desaströsen Verlauf der HoGeSa-Demonstration in Köln im Oktober letzten Jahres erinnert – stellt sich die Frage nach der Kommunikationsstruktur der Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen. Vorbemerkung der Landesregierung Für den 18.01.2015 wurde durch eine Privatperson für die Gruppierung „HoGeSa“ ein Aufzug mit Kundgebungen zum Thema "Keine Islamisierung Deutschlands, gegen radikale Salafisten" für die Essener Innenstadt mit erwarteten 2.000 Teilnehmern angemeldet. Mit Verfügung vom 09.01.2015 wurde diese Versammlung durch das Polizeipräsidium Essen als zuständiger Versammlungsbehörde verboten, weil ein unfriedlicher Versammlungsverlauf zu erwarten war. Durch die Anmelderin wurden keine Rechtsmittel gegen die Verfügung eingelegt und die Versammlungsanmeldung zurückgezogen. Im Bereich der Essener Innenstadt wurden am 18.01.2015 im Zeitraum 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr ca. 100 potenzielle Teilnehmer an der verbotenen Versammlung der Gruppierung „HoGeSa“ festgestellt. 15 Personen wurden in diesem Zusammenhang durch die Polizei in Gewahrsam genommen; 88 Personen erhielten nach Personalienfeststellung Platzverweise für das Essener Stadtgebiet. Eine Person wurde aufgrund eines bestehenden Haftbefehles festgenommen. Mehrere gefährliche Gegenstände wurden sichergestellt. Das Polizeipräsidium Essen informierte unter anderem alle Kreispolizeibehörden in Form von Lagemeldungen über den Einsatzverlauf. Dem Polizeipräsidium Essen lagen keine Erkenntnisse vor, dass Personen nach Köln reisen könnten, um sich zu der nachfolgend dargestellten versammlungsrechtlichen Veranstaltung zu begeben. Ebenfalls für den 18.01.2015, 17.30 bis 20.00 Uhr, wurde durch eine Privatperson eine Kundgebung für die Kölner Innenstadt (Probsteigasse) zum Thema „14. Jahrestag des neonazistischen Anschlages Probsteigasse“ mit erwarteten 80 Teilnehmern angemeldet. Diese Kundgebung verlief unter Beteiligung von ca. 120 Personen im Zeitraum 17.30 bis 19.00 Uhr störungsfrei. Im Rahmen des Informationsaustauschs wurde dem Polizeipräsidium Köln am 18.01.2015 gegen 17.00 Uhr bekannt, dass ca. 20 Personen des rechten Spektrums beabsichtigten sollen, sich im Bahnhof Köln-Deutz zu treffen und sich möglicherweise zu der Versammlung in der Probsteigasse zu begeben. Vor diesem Zeitpunkt lagen dem Polizeipräsidium Köln keine Erkenntnisse über beabsichtigte Störungen der Versammlung vor. Aufklärungsmaßnahmen wurden unverzüglich veranlasst. Gegen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8021 3 18.30 Uhr wurde durch einen Zeugen mitgeteilt, dass ca. 50 Angehörige des rechten Spektrums die U-Bahn-Haltestelle Appellhofplatz verlassen haben sollen und sich in Richtung Friesenplatz begäben. Einsatzkräfte konnten die tatsächlich 29 Personen umfassende Gruppe am Appellhofplatz aufnehmen und hielten diese im Bereich Christophstraße/Gereonsdriesch an. Die Personen wurden durchsucht und ihre Personalien festgestellt. Bei der Durchsuchung wurde Schutzbewaffnung und ein Elektroschocker aufgefunden und sichergestellt. Ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz wurde eingeleitet. Unter den angetroffenen Personen befanden sich drei Personen, die in Essen Platzverweise erhalten hatten. Es liegen keine Informationen vor, aus welchen Orten die Angehörigen der Gruppe angereist sind. Festgestellt werden konnte jedoch, dass die Personen in Nordrhein-Westfalen (insbesondere aus Köln), RheinlandPfalz , dem Saarland und Bremen wohnhaft sind. Durch das konsequente Einschreiten der Polizeipräsidien Essen und Köln wurden mögliche gewalttätige Aktionen verhindert. 1. Welche Informationen hatte die Polizei in Köln darüber, dass zur Gedenkfeier am 18.01.2015 auch gewalttätige und bewaffnete Störer/innen aus dem rechtsextremen Umfeld aus ganz Nordrhein-Westfalen anreisen würden? Siehe Vorbemerkungen. 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung - insbesondere im Hinblick auf die am selben Tag in Essen ausgesprochenen Platzverweise - darüber vor, aus welchen Orten die Mitglieder der in Köln festgesetzten Personengruppe angereist waren? Siehe Vorbemerkungen. 3. Wie kommunizieren Polizei- und Sicherheitsbehörden (lokale Polizeibehörden, Bundespolizei, Landesamt für Verfassungsschutz) in Nordrhein-Westfalen die Tatsache, dass reisende mutmaßliche Gewalttäter ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich verlassen und in den örtlichen Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde einreisen? Anlassbezogen tauschen Polizeidienststellen im Vorfeld, während und im Nachgang versammlungsrechtlicher und sonstiger Veranstaltungen (beispielsweise bei allen transitrelevanten Spielen der unterschiedlichen Fußballligen) standardisiert oder einzelfallbezogen Informationen aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sicherheitsstörungen auf An- und Abreisewegen nicht ausgeschlossen werden können. Dabei werden im Rahmen rechtlicher Möglichkeiten auch die Erkenntnisse der für die Sicherheit im Bahnverkehr zuständigen Bundespolizei und der Verfassungsschutzbehörden erhoben. Darüber hinaus nehmen das Landeskriminalamt NRW und die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze im Rahmen ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf einsatzrelevante Informationen Bündelungs- und Steuerungsfunktionen wahr. Sofern es insbesondere bei versammlungsrechtlichen Veranstaltungen einsatztaktisch erforderlich ist, richten einsatzführende Polizeibehörden im Vorfeld standardisierte Ersuchen um die Durchführung von taktischen Maßnahmen bzw. um Erkenntnismitteilung an andere LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8021 4 Polizeibehörden. Diese Ersuchen können sowohl landes- als auch bundesweit erfolgen. Sie umfassen abhängig vom Einsatzanlass  Aufklärungsmaßnahmen, unter anderem an Treff- und Sammelpunkten, bekannten Abfahrtsorten und Fahrtstrecken potenzieller Gewalttäter sowie  im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten unter anderem o Maßnahmen zur Unterbindung der Abreise sowie zur Verhinderung/Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, o Sicherstellungen/Beschlagnahmen von Waffen und gefährlichen Gegenständen, die von potenziellen Teilnehmern mitgeführt werden sowie o die Durchführung von Beweissicherungsmaßnahmen. Wenn die jeweilige Einsatzlage dazu Anlass gibt, richten die einsatzführenden Polizeibehörden oder das Landeskriminalamt NRW darüber hinaus Informationssammel- und Auswertestellen ein, um alle landes- und ggf. bundesweiten Informationen zusammenzuführen. Unabhängig von diesen standardisierten Maßnahmen treffen die Polizeibehörden die anlassbezogen erforderlichen polizeilichen Maßnahmen und tauschen einsatzrelevante Erkenntnisse unmittelbar untereinander aus. Sofern rechtlich zulässig und erforderlich können unter anderem auch Platzverweise, Ingewahrsamnahmen, Meldeauflagen, Bereichsbetretungsverbote und vorläufige Festnahmen gegen potenzielle oder erkannte reisende Gewalttäter angeordnet werden. Eine Begleitung von potenziellen Gewalttätern erfolgt durch die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden nur im begründeten Einzelfall. 4. Wie sieht ganz grundsätzlich die Kommunikationsstruktur zwischen Polizei- und Sicherheitsbehörden in NRW betreffend mutmaßliche reisende Gewalttäter aus? Siehe Antwort zu Frage 3. 5. Gibt es ein Konzept zur überörtlichen Beobachtung, Begleitung und Kontrolle reisender mutmaßlicher Gewalttäter an den jeweiligen Demonstrationstagen? Siehe Antwort zu Frage 3.