LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8022 27.02.2015 Datum des Originals: 27.02.2015/Ausgegeben: 04.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3079 vom 29. Januar 2015 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/7850 Entwicklung der Bewerberzahlen und Neueinstellungen für den Beruf des Richters und Staatsanwalts in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2014 Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 3079 mit Schreiben vom 27. Februar 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Nachwuchsgewinnung im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst ist für die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen von herausragender Bedeutung (vgl. Vorlage 16/1642). Ein funktionierendes Rechtssystem ist auf Dauer nur zu gewährleisten, wenn sich ausreichend gut qualifizierte Bewerber für die Stelle eines Richters oder Staatsanwalts in der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen bewerben. Arbeitsbelastung und Besoldung müssen auch in der Justiz in einem angemessenen Verhältnis stehen, da Bewerber ihre Zukunft sonst zunehmend in der Privatwirtschaft oder in Großkanzleien suchen. Wenn aber die besten Köpfe für den Staatsdienst nicht mehr zu gewinnen sein sollten, könnte die Qualität unseres Rechtssystems darunter mittelfristig nachhaltig leiden. Die landeseinheitlichen Einstellungsvoraussetzungen ergeben sich für die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften aus einem Erlass vom 29.06.1999 (2201 - I.A 86), vgl. Drs. 16/6825. Danach sollen grundsätzlich nur solche Bewerberinnen und Bewerber zu einem Einstellungsverfahren geladen werden, welche die zweite juristische Staatsprüfung mit mindestens 9,0 Punkten (vollbefriedigend) abgeschlossen haben. Daneben können auch solche Bewerberinnen und Bewerber geladen werden, die in der zweiten juristischen Staatsprüfung weniger als 9,0 Punkte, aber mehr als 7,75 Punkte erreicht haben und sich darüber hinaus durch besondere Eigenschaften auszeichnen. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn eine Bewerberin oder ein Bewerber besondere, durch den Lebensweg und die berufliche Entwicklung nachgewiesene persönliche Fähigkeiten und Leistungen aufweist und hierdurch aus dem Bewerberfeld herausgehoben wird. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8022 2 Bewerberinnen und Bewerber für die Sozialgerichtsbarkeit sollen mindestens ein juristisches Staatsexamen mit der Note "vollbefriedigend" bestanden haben. Bei einschlägiger Berufserfahrung oder besonders engem Bezug zum Sozialrecht - etwa durch eine entsprechende Autoren- bzw. Dozententätigkeit oder eine abgeschlossene Ausbildung zum Fachanwalt für Sozialrecht - kann eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erfolgen, wenn im Schnitt in beiden Staatsexamina mindestens 7,75 Punkte erzielt wurden (http://www.lsg.nrw.de/behoerde/Stellen/Richter/index.php). Bewerberinnen und Bewerber für die Arbeitsgerichtsbarkeit sollen in der Regel mindestens das zweite juristische Staatsexamen mit der Note „vollbefriedigend“ bestanden haben und einen besonderen Bezug zum Arbeitsrecht vorweisen können (vgl. die jeweiligen Merkblätter der Landesarbeitsgerichte Düsseldorf, Hamm und Köln für die Bewerbung um Einstellung in den richterlichen Dienst der Arbeitsgerichtsbarkeit). Bewerberinnen und Bewerber für die Finanzgerichtsbarkeit sollen neben der Befähigung zum Richteramt über mindestens dreijährige Erfahrungen aus einer steuerrechtlichen Berufstätigkeit oder in der Justiz verfügen. Bewerberinnen und Bewerber, die bisher nicht im öffentlichen Dienst tätig waren, werden bei Bewährung – zunächst im Richterverhältnis auf Probe – in der Regel nach drei Jahren in das Richterverhältnis auf Lebenszeit übernommen. Bewerberinnen und Bewerber, die Beamtinnen oder Beamte des höheren Dienstes der Finanzverwaltung auf Lebenszeit sind, können bei Bewährung – zunächst im Richterverhältnis kraft Auftrags – in der Regel nach einem Jahr mit der Übernahme in das Richterverhältnis auf Lebenszeit rechnen. Es können sich auch Richterinnen und Richter aus anderen Gerichtsbarkeiten – möglichst mit steuerrechtlichen Kenntnissen – bewerben (vgl. JMBl. NRW 2011, Seite 340). 1. Für wie viele Richter- und Staatsanwaltsstellen waren im Jahr 2014 Neueinstellungen vorzunehmen (bitte auch nach den einstellenden Obergerichten und Generalstaatsanwälten getrennt darstellen)? Die Prognose des Einstellungsbedarfs ist wegen der zahlreichen zu berücksichtigenden Variablen dynamisch und wird deshalb insbesondere in den großen Geschäftsbereichen kontinuierlich fortgeschrieben. Zu bestimmten Stichtagen erstellte Bedarfsprognosen geben den tatsächlichen Einstellungsbedarf nur unzureichend wieder und werden regelmäßig nicht dokumentiert. Nach den von mir eingeholten Berichten der Mittelbehörden war die Zahl der Neueinstellungen indes regelmäßig bedarfsgerecht. Den Einstellungsbedarf des Jahres 2014 bitte ich, der beigefügten Übersicht (Anlage 1) zu entnehmen. 2. Wie viele Bewerbungen sind 2014 auf diese Stellen eingegangen (bitte auch nach den einstellenden Obergerichten und Generalstaatsanwälten getrennt darstellen, bitte differenziert nach Noten der zweiten juristischen Staatsprüfung und Frauen/Männern)? Die im Jahr 2014 jeweils eingegangenen Bewerbungen ergeben sich aus der anliegenden Zusammenstellung (Anlage 2). Ergänzend wird angemerkt, dass bei der Besetzung von Planstellen zum Teil auch auf Bewerbungen zurückgegriffen wird, die in Vorjahren eingegangen sind, sofern die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8022 3 Bewerberinnen und Bewerber ihr mittel- bzw. langfristiges Einstellungsinteresse bekundet und ihr Einverständnis zu einer Aufbewahrung ihrer Bewerbungsunterlagen erklärt haben. 3. Wie viele Neueinstellungen sind 2014 tatsächlich vorgenommen worden (bitte auch nach den einstellenden Obergerichten und Generalstaatsanwälten getrennt darstellen, bitte differenziert nach Noten der zweiten juristischen Staatsprüfung und Frauen/Männern)? Die im Jahr 2014 erfolgten Neueinstellungen bitte ich der beigefügten Übersicht (Anlage 3) zu entnehmen. 4. Über jeweils welche besonderen Eigenschaften verfügten die in 2014 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften eingestellten Bewerberinnen und Bewerber, die in der zweiten juristischen Staatsprüfung weniger als 9,0 Punkte, aber mehr als 7,75 Punkte erreicht haben (bitte nach Kategorien, z.B. Note erste juristische Staatsprüfung, Promotion, besondere Berufserfahrung, etc.)? Nach dem für die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Staatsanwaltschaften geltenden Erlass vom 29.06.1999 können auch Bewerberinnen und Bewerber zum Auswahlgespräch eingeladen werden, die weniger als 9,0 Punkte, aber mehr als 7,75 Punkte im zweiten juristischen Staatsexamen erreicht haben und sich durch besondere persönliche Eigenschaften auszeichnen. Hierunter fallen z.B. Bewerberinnen und Bewerber, die sich im zweiten Staatsexamen „unter Wert geschlagen“ haben, d.h. ihnen wurden erheblich bessere Leistungen im Abitur, im Studium, im ersten Staatsexamen, in der Referendarzeit oder in Arbeitsgemeinschaften bescheinigt. Ebenso fallen hierunter Bewerberinnen und Bewerber mit besonderen, durch den Lebensweg und die berufliche Entwicklung nachgewiesenen persönlichen Fähigkeiten und Leistungen, die die Persönlichkeit einer Richterin oder eines Richters bzw. einer Staatsanwältin oder eines Staatsanwalts positiv prägen. Welche den Vorgaben des vorgenannten Erlasses entsprechende Kriterien für die Einstellung der Bewerberinnen und Bewerbern mit einer Notenscala von 7,76 bis 8,99 Punkten im zweiten Staatsexamen im Jahr 2014 jeweils ausschlaggebend waren, ergibt sich aus der anliegenden Übersicht (vgl. Anlage 4). 5. Welche Gesichtspunkte waren gegebenenfalls jeweils bei den 2014 eingestellten Bewerberinnen und Bewerbern in der Sozialgerichtsbarkeit, der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit, die die zweite juristische Staatsprüfung nicht mit „vollbefriedigend“ bestanden haben, für die Einstellung maßgeblich? Im Jahr 2014 wurden in der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit keine Bewerberinnen und Bewerber eingestellt, die die zweite juristische Staatsprüfung nicht mit „vollbefriedigend“ bestanden haben (vgl. hierzu auch Anlage 3). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8022 4 In der Sozialgerichtsbarkeit wurden insgesamt sieben Bewerberinnen und Bewerber eingestellt, die diese Voraussetzung nicht erfüllen. In die Auswahlentscheidung, die zu ihrer Einstellung führte, wurden im Wesentlichen folgende Faktoren einbezogen:  erfolgreich absolvierter Fachanwaltslehrgang für Sozialrecht  Tätigkeit als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt in einer Kanzlei mit sozialrechtlicher Ausrichtung  Berufstätigkeit bei einem Sozialversicherungsträger  Wahlstation bei einem Sozialgericht bzw. einem Sozialversiche- rungsträger  Dissertation bzw. wissenschaftliche Tätigkeit im Sozialrecht.