LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8024 02.03.2015 Datum des Originals: 27.02.2015/Ausgegeben: 05.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3076 vom 27. Januar 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/7846 Sicherheitslücken in Stadien – WDR deckt gravierende Mängel auf Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3076 mit Schreiben vom 27. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft , Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das WDR Magazin „sport inside“ hat am 26.01.2015 in einem 10-minütigen Beitrag gravierende Sicherheitsverstöße während eines Risikospiels auf Schalke dokumentiert. Ein Reporter hatte sich verdeckt beworben und wurde umgehend eingesetzt. So kam nun heraus, dass Mitarbeiter der externen privaten Sicherheitsfirma „Securitas“ offenbar die Veltins Arena schützen, ohne zuvor eine Einweisung oder Schulung erhalten und ohne ein Führungszeugnis vorgelegt zu haben. Der Beitrag zeigt, dass sich das ungeschulte, unerfahrene und unüberprüfte Personal an mehreren sensiblen sicherheitsrelevanten Stellen sich selbst überlassen wurde. Innenminister Ralf Jäger sieht den Verein und den DFB in der Verantwortung. Im Beitrag spricht er von „klaren Vereinbarungen“ an die sich die Vereine zu richten haben. GdP-Landeschef Arnold Plickert kommentiert im Beitrag das Geschehen als „absolut fahrlässig “ und fordert, dass Ordner und Sicherheitspersonal in Stadien 36-24 Stunden vor einem Spiel den Behörden zu einer Überprüfung namentlich gemeldet werden sollen, damit man den Einsatz von vorbestraften Tätern ausschließen könne. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8024 2 1. An welche „klaren Vereinbarungen“ / Richtlinien hat sich ein Fußballverein bzw. der DFB zu halten? Der Betreiber eines Fußballstadions mit mehr als 5.000 Besucherplätzen hat nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften ein Sicherheitskonzept aufzustellen und mit den für Sicherheit oder Ordnung zuständigen Behörden, insbesondere der Polizei, der Brandschutzdienststelle und den Rettungsdiensten, abzustimmen (§ 43 Verordnung über Bau und Betrieb von Sonderbauten des Landes Nordrhein-Westfalen - Sonderbauverordnung - SBauVO). Im Sicherheitskonzept sind unter anderem die Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes gestaffelt nach Besucherzahlen und Gefährdungsgraden sowie die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und die Sicherheitsdurchsagen festzulegen. Beauftragt der Betreiber eines Stadions bzw. der Veranstalter von Fußballspielen selbständig Gewerbetreibende, die Bewachungsdienstleistungen anbieten, so unterliegen die Gewerbetreibenden den Vorschriften der Gewerbeordnung (GewO) und der darauf basierenden Verordnung über das Bewachungsgewerbe (BewachV). Gemäß § 34a GewO ist die Ausübung des Bewachungsgewerbes erlaubnispflichtig. Erlaubnisvoraussetzungen sind die persönliche und wirtschaftliche Zuverlässigkeit der bzw. des Gewerbetreibenden sowie die Teilnahme an einer Unterrichtung durch eine Industrie- und Handelskammer. Bevor Gewerbetreibende Wachpersonen in ihrem Betrieb mit Bewachungsaufgaben beschäftigen, müssen sie diese gemäß § 9 Absatz 3 Satz 1 BewachV der zuständigen Ordnungsbehörde melden und gleichzeitig Nachweise zur persönlichen Zuverlässigkeit sowie zur Unterrichtung dieser Personen vorlegen. Vereinseigenes Personal fällt nicht in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung. Als gemeinsame Vereinbarung aller an der Gewährleistung von Sicherheit bei Fußballspielen beteiligten Netzwerkpartnern führt das Nationale Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) ergänzend zu diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Ordnungsdienst wie folgt aus: „Für die Sicherheit am Veranstaltungsort ist in erster Linie der Veranstalter verantwortlich. Um einen sicheren und ordnungsgemäßen Veranstaltungsverlauf zu gewährleisten, haben die Vereine einen Ordnungsdienstleiter und einen Ordnungsdienst einzusetzen. (…) Der Einsatz des Ordnungsdienstes richtet sich nach dem Sicherheitskonzept und ist vor- und nachzubereiten. (…) Es sind ausreichend weibliche und männliche Ordnungsdienstkräfte einzusetzen. Die Anzahl richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten und den im Sicherheitskonzept getroffenen Feststellungen unter besonderer Berücksichtigung der erwarteten Lage. Die Stärke des Ordnungsdienstes und die Zusammenarbeit sind mit der Polizei abzustimmen . Der Ordnungsdienst an besonders sicherheitsrelevanten Orten der Platzanlage, die in Absprache mit der Polizei festgelegt werden, ist an Personen zu übergeben, die besonders qualifiziert sind (§34 a GewO). (….)“ Ergänzend zu der bestehenden Vorschriftenlage sowie den vereinbarten Ausführungen im NKSS regelt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in seinen „Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen“ den Einsatz von Ordnungsdiensten analog bzw. trifft konkretisierende und zum Teil über die beschriebenen Erfordernisse hinausgehende, verbindliche Vorgaben. In Bezug auf die Eignung von Ordnern ist zu nennen: „Als geeignet gelten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsdienstes nur, wenn sie vor ihrem Einsatz an / in einer Platzanlage aus Anlass einer Fußballveranstaltung ausreichend über ihre Rechte, Pflichten sowie Aufgaben, Abläufe und die wesentlichen Problemfelder während eines Fußballeinsatzes unterrichtet worden sind und ihre Eignung durch eine fachkundige Person festgestellt worden ist. Die Unterrichtung umfasst für den allgemeinen Ordnungsdienst mindestens 10 Stunden (…) und soll sich an dem Beschulungskonzept des DFB ausrichten.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8024 3 Die Vereine erkennen die Richtlinien im Rahmen des saisonbezogenen Lizensierungsverfahrens der Fußballverbände an. 2. Welche nordrhein-westfälischen Vereine halten sich an die Richtlinien? Eine landesweit standardisierte, zentrale Erfassung von festgestellten Verstößen oder Abweichungen von Vereinbarungen erfolgt nicht. 3. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den dokumentierten Si- cherheitsverstößen? Die Landesregierung thematisiert strukturelle oder wiederkehrende Problemstellungen in direkten Gesprächen mit Vertretern der Fußballverbände und in den Gremien der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK). Die IMK befasste sich wiederholt mit der Qualifizierung von Ordnungskräften bei Fußballspielen und forderte unter anderem nachdrücklich zuletzt in ihrer 196. Sitzung (am 6. und 7. Dezember 2012) eine verbesserte Umsetzung geltender Standards von den Fußballverbänden . Der DFB hat diesen Forderungen Rechnung getragen und ein Zertifizierungsverfahren für das Sicherheitsmanagement der Vereine erarbeitet, das sich derzeit in einer Pilotphase befindet. Darüber hinaus hat die IMK unter Vorsitz des Landes NRW in ihrer 200. Sitzung (am 11. und 12 Dezember 2014) die Bedeutung eines kontingentierten und personalisierten Ticketings bei besonders risikobehafteten Spielbegegnungen betont, um gewalttätigen Auseinandersetzungen entgegen zu wirken. Hierzu erörtert die Landesregierung mit den Fußballverbänden Umsetzungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang sind auch weitere Forderungen der Landesregierung zu nennen, die den Zuständigkeitsbereich der Veranstalter betreffen, wie zum Beispiel eine Veränderung der Vergabepraxis von (Auswärtsdauer-) Karten sowie verstärkte Maßnahmen der Sportgerichtsbarkeit. Im Rahmen von regelmäßigen Dienstbesprechungen mit den Polizeiführern Fußball wurden und werden diese weiterhin insbesondere für das Themenfeld Ordner sensibilisiert, um im Einzelfall auf örtlicher Ebene auf eine konforme Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften und Vereinbarungen durch die Vereine hinzuwirken. Zudem bereiten sich die einsatzführenden Polizeibehörden intensiv auf jede stattfindende Fußballbegegnung vor. Neben der aktiven Beteiligung am standardisierten polizeilichen Informationsaustausch gehören hierzu auch die Teilnahme an Sicherheitsbesprechungen, die Abstimmung mit den Netzwerkpartnern und die Einbindung in den Informationsaustausch der beteiligten Sicherheits- und Fanbeauftragten. Dieser Erkenntnisaustausch ist in der Fortschreibung des NKSS, die zum Jahr 2012 unter Federführung des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen erfolgte, geregelt und dient unter anderem dazu Risiken und Problemstellungen frühzeitig zu erkennen sowie die notwendige Zusammenarbeit abzustimmen. Die Bauaufsichtsbehörde hat die Möglichkeit, dem Betreiber eines Fußballstadions (Versammlungsstätte ) Maßnahmen aufzugeben, wenn Vorgaben aus dem Sicherheitskonzept zum Betrieb der baulichen Anlage nicht eingehalten werden und dadurch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entsteht. Einen Bedarf zur Änderung von Bauvorschriften sieht die Landesregierung daher nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8024 4 Eine Arbeitsgruppe des Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“ befasst sich unter Koordination des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sowie unter Beteiligung Nordrhein -Westfalens derzeit mit einer Überarbeitung des Bewachungsrechts, die auch die Möglichkeiten zur Optimierung der gewerberechtlichen Aufsicht betrifft. 4. Wie kontrolliert die Landesregierung die Einhaltung von Sicherheitsstandards? Im Baugenehmigungsverfahren zur Errichtung eines Fußballstadions mit mehr als 5.000 Besucherplätzen prüft die Bauaufsichtsbehörde, ob ein Sicherheitskonzept rechtzeitig vor Aufnahme der Nutzung der Versammlungsstätte in der von der SBauVO festgelegten Qualität vorliegt. Für die Einhaltung des Sicherheitskonzeptes im laufenden Betrieb ist der Betreiber verantwortlich. Nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften sind Fußballstadien (Versammlungsstätten) in Zeitabständen von höchstens drei Jahren von den Bauaufsichtsbehörden zu prüfen (§ 10 Verordnung über die Prüfung technischer Anlagen und wiederkehrende Prüfungen von Sonderbauten - Prüfverordnung - PrüfVO NRW). Dabei ist auch die Einhaltung der Betriebsvorschriften zu überwachen. Dies beinhaltet die erneute Prüfung, ob ein geeignetes Sicherheitskonzept des Betreibers vorliegt. Die Einhaltung der sich aus der GewO und der BewachV ergebenden Anforderungen wird darüber hinaus durch die örtlichen Ordnungsbehörden überwacht. Ferner stimmt der Veranstalter seine Maßnahmen anlassbezogen zu jeder Spielbegegnung in Sicherheitsbesprechungen mit den örtlichen Sicherheitsbehörden ab. Auffälligkeiten werden zunächst im Rahmen von Nachbereitungen oder im örtlichen Netzwerk, insbesondere den Örtlichen Ausschüssen Sport und Sicherheit (ÖASS) thematisiert. Diesen Abstimmungsprozessen des Sicherheitskonzeptes mit den beteiligten Sicherheitsbehörden unterliegt auch der FC Schalke 04. 5. Wird die Landesregierung den Vorschlag umsetzen, künftig Sicherheitspersonal 36-24 Stunden vor Spielbeginn zu überprüfen? Im Rahmen der in der Antwort zur Frage 3 benannten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Bewachungsrechts wird unter anderem die Option der Einführung einer bundesrechtlichen Registrierungspflicht für Bewachungsunternehmen, einschließlich des hier beschäftigten Personals, geprüft. Ein solches Register würde es erleichtern, auch kurz vor Beginn einer Großveranstaltung eine Vielzahl gemeldeter Bewachungspersonen zu überprüfen .