LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8026 02.03.2015 Datum des Originals: 27.02.2015/Ausgegeben: 05.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3087 vom 28. Januar 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/7858 Realisierung „fiktiver Risiken“ aus Franken-Krediten für die Kommunen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3087 mit Schreiben vom 27. Februar 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach der Freigabe des Wechselkurses des Franken gegenüber dem Euro wurden die Folgen für die kommunalen Haushalte in den Blick genommen, da insbesondere nordrheinwestfälische Kommunen Fremdwährungskredite in Milliarden-Euro-Höhe aufgenommen hatten . Laut Medienberichten wurde von Kämmerern von drohenden Verlusten in dreistelliger Millionen-Höhe gesprochen. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger hat Berichte über hohe Verluste von Kommunen durch Kredite in Fremdwährungen wie dem Schweizer Franken in der Sitzung des Kommunalausschusses am 23. Januar zurückgewiesen. Dies sei derzeit nicht absehbar, da noch völlig offen sei, ob und in welcher Höhe zusätzliche Kreditkosten für die betroffenen kommunalen Haushalte eintreten könnten. Der Innenminister erklärte dass die genannten kommunalen Verluste „völlig fiktiv“ seien. Am 31.12.2014 beliefen sich, nach Angaben des Innenministeriums die Fremdwährungskredite der NRW-Kommunen auf rund 1,4 Milliarden Euro, der Großteil in Schweizer Franken. Wie hoch genau die in Franken gezeichneten Fremdwährungskredite der Kommunen konkret sind, ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht zu quantifizieren. Die Bundesbank gibt die bundesweite Höhe der Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Franken zum November 2014 mit 1,779 Milliarden Euro an. Hier ist jedoch nicht nur die Rede von Kommunen, sondern auch die Verschuldung des Bundes und der Bundesländer spielen hier hinein. In keinem anderen Bundesland sind die Kommunen in dieser Größenordnung von FrankenKrediten betroffen. In Schleswig-Holstein und Brandenburg haben Kommunen keinerlei Fremdwährungskredite, in Hessen ist lediglich ein Kreis betroffen. Selbst die regional an die Schweiz grenzenden Kommunen in Baden-Württemberg sind lediglich mit 66 Millionen Euro LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8026 2 in Schweizer Franken verschuldet. Nach Angaben des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen stellt Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Vergleich zwei Drittel aller Kommunen mit Fremdwährungskrediten. Nach dem Kurssturz des Euro sei die Schuldenlast der Stadt Essen über Nacht um 65 Millionen Euro gestiegen – wenn die Kredite morgen zurückgezahlt werden müssten oder wenn sie zum heutigen Kurs bilanziert werden müssten. Von den rund 3,4 Milliarden Euro an Schulden sind gegenwärtig 450 Millionen in der Schweiz gezeichnet – und müssen in Schweizer Franken zurückgezahlt werden. Aktuell stehen in Essen keine Rückzahlungen an, aber im kommenden Monat müssten rund 60 Millionen Franken umgeschuldet werden. Im städtischen Finanzausschuss wurde jetzt eine Verlägerung dieses Kredits als Schweizer-Franken-Kredit genehmigt. Kritisch könnte es im Herbst werden, wenn eine Tranche über 330 Millionen Schweizer Franken fällig wird. Ähnlich ist die Situation der Stadt Lünen. Schon Ende Januar muss sie einen fünf Jahre alten Kredit über fast 40 Millionen Schweizer Franken zurückzahlen. Auf Basis des aktuellen Wechselkurses wäre das ein riesiges Verlustgeschäft. Auf 14,4 Millionen Euro bezifferte Lünens Kämmerer den drohenden Verlust aus diesem Kredit. Ein zweiter Kredit über 25,64 Millionen Schweizer Franken wird zum 15. Juli 2015 fällig. Auch diesen möchte die Stadt verlängern. Ansonsten droht aus diesem Kredit ein Verlust von 5,6 Millionen Euro, auf Basis des aktuellen Wechselkurses. 1. Worin sieht die Landesregierung die Gründe, dass vor allem nordrhein- westfälische Kommunen einen Großteil der Schweizer Kredite aller Kommunen bundesweit aufgenommen haben? Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor, auf die eine seriöse Bewertung gestützt werden könnte - siehe Vorbemerkung zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3078. 2. Wie bewertet es die Landesregierung, dass im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen in andern Ländern ausdrücklich vor den Risiken und vor der Aufnahme von Fremdwährungskrediten gewarnt wurde? 3. Wie bewertet die Landesregierung ein ausdrückliches Abraten von kommunalen Fremdwährungskrediten, wie es das Schleswig-Holsteinische Innenministerium bereits durchgeführt hatte? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Auf die Risiken, die mit der Aufnahme von Krediten in fremder Währung verbunden sind, weisen die nordrhein-westfälischen Landesregierungen seit langer Zeit hin - siehe Vorbemerkung zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3078. Im Übrigen gibt die Landesregierung keine Bewertungen zur Amtsführung oder zu einzelnen Maßnahmen anderer Landesregierungen ab. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8026 3 4. Wie bewertet die Landesregierung ihre Aussage von „fiktiven Verlusten“ der Kommunen, angesichts der Fälligkeit von Franken-Krediten zum Beispiel der Stadt Lünen bereits im Januar, der Stadt Bochum im März und der Stadt Essen zum Großteil bereits im Sommer diesen Jahres? Ob und in welcher Höhe sich bei den einzelnen Kommunen Verluste durch die Kursentwicklung des Schweizer Franken realisieren werden, hängt von einer Reihe von Einzelheiten und Entwicklungen ab, die nicht vollständig bekannt sind und zum Teil auch zurzeit nicht feststehen . Die - sehr unterschiedlichen - Zahlen, die in der öffentlichen Berichterstattung genannt werden, sind deshalb nicht belastbar. 5. Wie will die Landesregierung kommunalaufsichtlich mit drohenden Verlusten aus Fremdwährungskrediten in den betroffenen Kommunen umgehen? Soweit einschlägige Fälle auftreten, wird es Aufgabe der örtlich zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde sein, die Details zu klären und zu bewerten - siehe Vorbemerkung zur Antwort auf die Kleine Anfrage 3078.