LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8031 02.03.2015 Datum des Originals: 27.02.2015/Ausgegeben: 05.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3046 vom 19. Januar 2015 der Abgeordneten Monika Pieper PIRATEN Drucksache 16/7765 Inklusion: Missbräuchlicher Einsatz von Sonderpädagoginnen als heimliche Vertretungsreserve ? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3046 mit Schreiben vom 27. Februar 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vermehrt erreichen mich Nachrichten, nach denen die Doppelbesetzung im inklusiven Unterricht aufgelöst wird, um die sonderpädagogisch qualifizierte Lehrkraft im Vertretungsunterricht in anderen Klassen einzusetzen. In Einzelfällen übersteigt die Zeit im Vertretungsunterricht mehr als die Hälfte der verpflichtend zu erteilenden Unterrichtsstunden. 1. Welche Kenntnis hat die Landesregierung über diese Entwicklung? 2. Wie steht die Landesregierung zu einer solchen Praxis? 3. In welchem Rahmen und Umfang hält die Landesregierung es für vertretbar, sonderpädagogisch qualifizierte Lehrkräfte, die für das gemeinsame Lernen an allgemeinen Schulen sind, als Vertretungslehrkraft im Fachunterricht einzusetzen ? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8031 2 5. Wie will die Landesregierung eine angemessene sonderpädagogische Förderung in den Schulen des gemeinsamen Lernens gewährleisten, wenn die hierfür vorgesehene Doppelbesetzung oftmals zugunsten von Vertretungsunterricht aufgegeben wird? Aus Gründen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 3 und 5 zusammen beantwortet . Mit dem Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes sollen Lehrkräfte für Sonderpädagogik nicht nur in den Grundschulen, sondern auch in den weiterführenden Schulen grundsätzlich Teil des Kollegiums der allgemeinen Schule werden. Da die allgemeinen Schulen für alle Schülerinnen und Schüler – auch für jene mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung – zudem Stellen nach dem Grundbedarf (Schüler/Lehrer-Relation der Schulform ) erhalten, sind die Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung vom Grundsatz her zusätzliches Personal zur Sicherstellung der sonderpädagogischen Förderung im Gemeinsamen Lernen. Wie die Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung konkret eingesetzt werden, entscheidet die Schulleitung auf der Basis des schulischen Konzeptes der Schule. Dies findet meist in Form von Doppelbesetzungen oder äußeren Differenzierungen statt. Da Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung neben ihren sonderpädagogischen Fachrichtungen aber auch Unterrichtsfächer studiert haben, können und sollen sie durchaus auch Unterricht in Klassen des Gemeinsamen Lernens für alle Schülerinnen und Schüler geben. Ob in Situationen, in denen Vertretungen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung erfolgen müssen, auch Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung aus ansonsten praktizierten Doppelbesetzungen herausgenommen werden, entscheidet die Schulleitung – in der Regel in Absprache mit den Lehrkräften. Aus Sicht der Landesregierung sollte dabei darauf geachtet werden, dass die Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung dann möglichst auch in Klassen mit Gemeinsamen Lernen eingesetzt werden. Die Landesregierung hat sich bei ihren Konzepten für die Entwicklung inklusiver Schulangebote wissenschaftlich beraten lassen. Das Gutachten von Prof. Ulf Preuss-Lausitz und Prof. Klemm aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass zwei Varianten denkbar sind. Die Landesregierung hat sich für die personalintensivere Variante entschieden, die jedoch keine durchgehende Doppelbesetzung in allen Klassen mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf vorsieht. Auch aus schulfachlichen Gründen muss nicht zwangsläufig – wie es die Fragestellung suggeriert – eine durchgehende Doppelbesetzung mit einer Lehrkraft für Sonderpädagogik und einer Lehrkraft mit einem anderen Lehramt eingerichtet werden. Renommierte Wissenschaftler betonen, dass die gemeinsame Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern der allgemeinen Schule und Lehrkräften für Sonderpädagogik vor allem dann effektiv ist, wenn der Unterricht gemeinsam geplant wird. Das gemeinsame Planen und Vorbereiten entfalte eine wesentlich breitere Wirkung auf die Kultur von Unterricht, als dies durch das gemeinsame Unterrichten möglich sei. Zudem wird die Förderung und Unterstützung der Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung nicht ausschließlich durch die Lehrkraft für Sonderpädagogik geleistet. Die Verantwortung obliegt allen Lehrkräften der Schule und wird von diesen gemeinsam gewährleistet und getragen. Inklusion ist nicht ausschließlich eine sonderpädagogische Aufgabe. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8031 3 4. Durch welche Maßnahmen versucht die Landesregierung zu verhindern, dass Sonderpädagogen für Vertretungsunterricht aus der Doppelbesetzung herausgezogen werden? Ein vorrangiges Ziel der Landesregierung ist es, Unterrichtsausfall zu verhindern bzw. so gering wie möglich zu halten. So stehen den Schulen 4.000 Stellen gegen Unterrichtsausfall, für Vertretungsaufgaben und für besondere Förderaufgaben zur Verfügung. Mit diesen Stellen erhalten die Schulen zusätzliches Potenzial, um ihre schulinternen Vertretungskonzepte zu optimieren und damit den vorgesehenen Unterricht sowie differenzierte Förderangebote zu realisieren. Darüber hinaus steht den Grundschulen eine bei den Schulämtern angesiedelte Vertretungsreserve in Höhe von 900 Stellen zur Verfügung. Zudem sind im Haushalt Flexible Mittel für Vertretungsunterricht in Höhe von rund 52 Mio. Euro vorgesehen. Auch die Mittel aus freien Stellen bzw. aus Stellen, deren Stelleninhaberinnen oder Stelleninhaber temporär keine Besoldungsmittel erhalten (z. B. wegen Elternzeit ), können für die Beschäftigung von Vertretungslehrkräften eingesetzt werden.