LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8065 04.03.2015 Datum des Originals: 04.03.2015/Ausgegeben: 09.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3109 vom 30. Januar 2015 der Abgeordneten Astrid Birkhahn CDU Drucksache 16/7884 Auswahlverfahren bei der Platzvergabe zum Referendariat im Lehramtsberuf: Wie kann mehr Transparenz geschaffen werden? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3109 mit Schreiben vom 4. März 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Abschluss des Ersten Staatsexamens besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich bundesweit für den Vorbereitungsdienst (Referendariat) für Lehrämter zu bewerben. Für die Einstellung sowie die Ausbildung und Prüfung im reformierten 18-monatigen Vorbereitungsdienst gilt die Ordnung für den Vorbereitungsdienst und zweite Staatsprüfungen (OVP) vom 10.04.2011 in Verbindung mit dem Lehrerausbildungsgesetz (LABG) vom 12.05.2009. Bei der Vergabe des Seminarorts ist grundsätzlich vorgesehen, dass Ortswünsche nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Zu welchem Seminarort ein Bewerber oder eine Bewerberin zugewiesen wird, hängt unter anderem von den Sozialpunkten ab. Im Bewerbungsverfahren können schwerwiegende soziale Gesichtspunkte in Form von Sozialpunkten zur Begründung einer Ortsgebundenheit geltend gemacht werden. Die Seminarortvergabe und die Verteilung der Sozialpunkte sind in Nordrhein-Westfalen jedoch sehr intransparent und sorgen bei den Anwärterinnen und Anwärtern für große Irritationen. 1. Wie viele Sozialpunkte waren mindestens nötig, um dem Wunschseminarort zu- geteilt zu werden? In dem Verfahren zur Verteilung der Bewerberinnen und Bewerber auf die Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung hängt es von dem Bewerberfeld und den vorhandenen Ausbil- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8065 2 dungskapazitäten im jeweiligen Verfahren ab, ob und inwieweit die Ortswünsche der Bewerberinnen und Bewerber Berücksichtigung finden können. Auftretende Konkurrenzen um einen gewünschten Ausbildungsplatz werden entsprechend den rechtlichen Vorgaben der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung (OVP) vom 10.04.2011 (GV. NRW. S. 218), die die dafür maßgeblichen Kriterien und deren Wertigkeit festlegen, entschieden . Danach sind die Ausbildungsplätze zunächst unter Berücksichtigung schwerwiegender sozialer Gesichtspunkte, die in Form von sog. Sozialpunkten in das Verfahren eingehen , und danach nach Fächerkombinationsgruppen und bei gleichem Rang nach Losentscheid zu verteilen. Im IT-gestützten Seminareinweisungsverfahren erhalten regelmäßig auch Bewerberinnen und Bewerber, die über keinen sog. Sozialpunkt verfügen, eine erstwunschgerechte Zuweisung eines Ausbildungsstand-ortes, wie auch im Seminareinweisungsverfahren zum Einstellungstermin 01.05.2015. Der Anteil an Bewerberinnen und Bewerbern ohne Sozialpunkte am Bewerberaufkommen beträgt im laufenden Verfahren 47,7 %. Dem steht mit 71,5 % auch in diesem Verfahren ein hoher Prozentsatz an erstwunschgerechten Zuweisungen von Ausbildungsstand - orten gegenüber. Weiteren 12,2 % der Bewerberinnen und Bewerbern konnte eine Zuweisung an den von ihnen an zweiter Stelle genannten Ortswunsch ermöglicht werden. 2. Wie verteilen sich die Sozialpunktkriterien anteilig auf die Bewerberinnen und Bewerber? (Bitte nach Regierungsbezirken jeweils zum letzten Einstellungstermin aufschlüsseln) Das Seminareinweisungsverfahren ist kein auf die einzelnen Regierungsbezirke bezogenes, sondern ein landesweites Verfahren. Die Vergabe von Sozialpunkten folgt in diesem Verfahren nicht bestimmten Quoten, sondern erfolgt - kriterienorientiert - stets am Einzelfall der Bewerberin oder des Bewerbers. Nach der landesweiten Auswertungsstatistik zum Seminareinweisungsverfahren 01.05.2015 verteilen sich die in der Zuständigkeit der Bezirksregierungen anerkannten schwerwiegenden sozialen Gesichtspunkte auf die 4.939 Bewerberinnen und Bewerber, die ein Einstellungsangebot erhalten haben, wie nachstehend aufgeführt. Schwerwiegende soziale Gründe Anteil Bewerberinnen /Bewerbern mit Einstellungsangebot 1. Alleinige Verantwortung bzw. Mitpflege für einen an- erkannten Pflegefall 2,13% 2. Mitgliedschaft in einer gewählten Vertretung kommu- naler Gebietskörperschaften (z.B. Ratsmandat bei einer Kommune) 0,36% 3. Alleinstehende(r) mit minderjährigem Kind oder min- derjährigen Kindern im eigenen Haushalt 0,97% 4. Minderjähriges Kind 5,26% 5. Zwei minderjährige Kinder 1,90% 6. Drei oder mehr minderjährige Kinder 0,67% LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8065 3 7. Kinder mit nachgewiesenen gesundheitlichen oder erzieherischen Problemen 0,10% 8. Ehe bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft 13,95% 9. Ortsgebundenes Ausbildungsverhältnis oder Be- schäftigungsverhältnis der Partnerin / des Partners nach Nummer 8 8,83% 10. Schwerbehinderung bzw. gleichgestellte Bewerbe- rinnen und Bewerber 0,85% 11. Sonstige soziale Gründe nach Anerkennung durch die Bezirksregierung (u. a. langjährige ehrenamtliche Tätigkeit, eheähnliche Gemeinschaften) 37,84% 3. Inwieweit wird bei der Vergabe des Seminarortes die individuelle fachliche Vor- qualifikation beispielsweise durch Tutorentätigkeit, Nachhilfe, etc. berücksichtigt ? Nach dem Willen des Verordnungsgebers kann bei der Verteilung der Ausbildungsplätze an den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung nur eine durch schwerwiegende soziale Gesichtspunkte bedingte Ortsgebundenheit Berücksichtigung finden. Eine Tutorentätigkeit oder die Erteilung von Nachhilfeunterricht fällt nicht in diese berücksichtigungsfähige Kategorie . Sofern dem Vorbereitungsdienst Zeiten einer beruflichen Tätigkeit vorausgehen, die nach Art und Umfang geeignet ist, die für das angestrebte Lehramt erforderlichen Fähigkeiten zu vermitteln, eröffnen die ausbildungsrechtlichen Vorgaben die Möglichkeit einer Anrechnung auf die Dauer des Vorbereitungsdienstes (§ 7 Abs. 2 OVP). Die genannten Voraussetzungen können im Falle einer dem Vorbereitungsdienst vorausgehenden Vertretungslehrertätigkeit gegeben sein. Die Ausbildungsbehörde prüft auf Antrag, ob im Einzelfall unter Berücksichtigung des erreichten Ausbildungsstandes eine Verkürzung des Vorbereitungsdienstes in Betracht kommen kann. 4. Warum wird das Fächerangebot bei der Zuweisung nicht berücksichtigt? Die Zuweisung zu einem Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung setzt in jedem Einzelfall voraus, dass die für die Ausbildung in der jeweiligen Fächerkombination erforderlichen Ausbildungsressourcen zur Verfügung stehen. Den Zuweisungsentscheidungen gehen deshalb die folgenden Schritte voraus: Die lokalen Einstellungsmöglichkeiten für die verschiedenen Fächer und Fächerkombinationen werden in der Vorbereitung zu einem Einstellungsverfahren in den Vorbereitungsdienst im ersten Schritt bilanziert und zum Bewerbungsstart in Form der lehramtsspezifischen Übersichten (sog. Kreuzchenlisten) veröffentlicht. Die Bewerberinnen und Bewerber entnehmen aus der für ihr jeweiliges Lehramt maßgeblichen Übersicht dann die für ihre Fächerkombination möglichen Ausbildungsstandorte und benennen bis zu vier Wunschorte im Rahmen ihrer Bewerbung. Für das IT-gestützte Seminareinweisungsverfahren werden die fächerspezifischen Ausbildungskapazitäten an den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) in das IT- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8065 4 gestützte Seminareinweisungsverfahren übernommen. Im Seminareinweisungsverfahren werden sodann in Umsetzung der Bestimmungen der OVP die Ausbildungsplätze zunächst unter Berücksichtigung schwerwiegender sozialer Gesichtspunkte, die in Form von sog. Sozialpunkten in das Verfahren eingehen, und danach nach Fächerkombinationsgruppen und bei gleichem Rang nach Losentscheid verteilt. Abhängig vom Rangplatz im Bewerberfeld wird für jeden Bewerber und jede Bewerberin im IT-gestützten Verfahren geprüft, ob die vorhandenen Fächerkapazitäten die Zuweisung eines wunschgerechten Ausbildungsstandortes zulassen. Die zum Zwecke der Verteilung nach den Fächerkombinationsgruppen zu ermittelnde Rangfolge der Fächerkombinationsgruppen wird von der Anzahl der Ausbildungsplätze, die landesweit für jedes Fach zur Verfügung stehen, bestimmt (§ 21 Abs. 2 OVP). Das Fach mit der geringsten Ausbildungskapazität steht an erster Stelle, das Fach mit der höchsten Ausbildungskapazität steht an letzter Stelle. Mit der Bildung einer Rangfolge bei den Fächerkombinationsgruppen wird flankierend sichergestellt, dass bei der Verteilung der Ausbildungsplätze die Fächerkombinationen vorrangig geprüft werden, in denen nur eine geringe Anzahl an Ausbildungsplätzen zur Verfügung steht. 5. In welcher Weise kann die Landesregierung den Zuweisungsprozess künftig transparenter und qualifikationsorientierter gestalten? Die Verteilung der Bewerberinnen und Bewerber auf die Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung erfolgt in einem landesweit einheitlichen IT-gestützten Verfahren gemäß den Vorgaben der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Staatsprüfung (OVP). Die einschlägigen Regelungen zur Verteilung der Ausbildungsplätze (§§ 17ff) legen Zielsetzung, Verfahrensschritte, die maßgeblichen Kriterien sowie deren Wertigkeit im Einzelnen fest. Der Verordnungsgeber hat auch die bei der Verteilung der Ausbildungsplätze insbesondere zu berücksichtigenden schwerwiegenden sozialen Gesichtspunkte benannt. Bewerberinnen und Bewerbern können auf die geltenden Vorgaben für das Seminareinweisungsverfahren im Bewerbungsportal SEVON (www.sevon.nrw.de) zugreifen. Der ebenfalls im Bewerbungsportal veröffentlichten Information „Hinweise für die Bewerberinnen und Bewerber “ sind darüber hinaus erläuternde Hinweise zum Verfahrensablauf sowie eine Übersicht zur Anzahl der nach allgemeiner Verwaltungspraxis für schwerwiegende soziale Gesichtspunkte zuerkannten Sozialpunkte zu entnehmen, die die Sozialpunktvergabe in der Zuständigkeit der Bezirksregierungen auch in dieser Hinsicht offenlegt. Die Entscheidungen über die Zuweisung eines Ausbildungsstandortes werden nach klaren Kriterien in einem geregelten Verfahrensablauf getroffen und im Einzelnen dokumentiert, so dass jede Entscheidung - auch im Rahmen rechtlicher Überprüfungen - nachvollzogen werden kann. Die Anforderungen, die an ein transparentes Verfahren zu stellen sind, werden damit in vollem Umfang erfüllt. Mit der eröffneten Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen eine vorausgehende berufliche Tätigkeit unter Berücksichtigung des erreichten Ausbildungsstandes auf die Dauer des Vorbereitungsdienstes anzurechnen, wird einem individuellen Qualifikationsvorsprung bereits Rechnung getragen. Die Möglichkeiten für eine Erweiterung der für die Zuweisungsentscheidung maßgeblichen Kriterien sind ausgeschöpft.