LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8140 11.03.2015 Datum des Originals: 10.03.2015/Ausgegeben: 16.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3127 vom 10. Februar 2015 des Abgeordneten Lukas Lamla PIRATEN Drucksache 16/7921 Verkehrssicherheit und berauschende Mittel Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3127 mit Schreiben vom 10. März 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Verkehrssicherheit ist in unserem Land ein hohes Gut, welches es zu schützen gilt. Gleichzeitig hat die individuelle Mobilität für den einzelnen Bürger in unserer Gesellschaft eine große Bedeutung, da eine Fahrerlaubnis häufig für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit vorausgesetzt wird. Damit kommt der Fahrerlaubnis eine existenzsichernde Bedeutung zu, und ein Verlust dieser ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 2002 (1BvR 2062/96 RnNr. 51) nur dann verfassungskonform, wenn sich aus dem Verhalten des Adressaten ein höheres Risiko für die Verkehrssicherheit ergibt, wie allgemein an einen Fahrerlaubnisinhaber gestellt wird. Zur Durchsetzung der Verkehrssicherheitsziele sind „Rauschfahrten“ über Straf- und Ordnungsrechtliche Normen (§316, 315 StGB und § 24a StVG) geregelt, die durch Androhung von Sanktionen (u.a. Entzug der Fahrerlaubnis gem. §69 StGB, bei „Trunkenheitsfahrt“) verhindert werden sollen. Bei Missachtung des Nüchternheitsgebotes im Ordnungswidrigkeitenbereich ist als „erzieherische“ Maßnahme ein Fahrverbot von vier Wochen vorgesehen, im Wiederholungsfall sieht der Bußgeldkatalog sogar ein dreimonatiges Fahrverbot vor. Diese Rechtsnormen gelten für Alkohol und andere berauschende Mittel gleichermaßen, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Im weiteren ist im Straßenverkehrsgesetz in Verbindung mit der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) geregelt, dass nur die Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen zugelassen werden LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8140 2 dürfen, die über die notwendige körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügen, und nicht wiederholt oder in erheblichem Maße gegen Rechtsvorschriften verstoßen haben, wie z.B. Rauschfahrten. Die verfassungsgemäße Auslegung der Fahrerlaubnisverordnung fällt gem. §73 Abs.1 FeV den obersten Landesbehörden zu. Vorbemerkung der Landesregierung Die Teilnahme am Straßenverkehr unter der Einwirkung von Alkohol oder anderer berauschender Mittel ist eine der folgenschwersten Unfallursachen. 272 Verkehrstote, 4.963 Schwerverletzte und 14.658 Unfälle mit Personenschaden wurden in den letzten fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen hierdurch verursacht. Die Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr genießt bei der Landesregierung eine sehr hohe Priorität. Die Fachstrategie Verkehrsunfallbekämpfung sieht daher seit 2008 einen deutlichen Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahmen in diesem Bereich vor. Die Fachstrategie konzentriert sich zur Verringerung der Verkehrsunfälle mit schweren Folgen insbesondere auf die Bekämpfung der Ursachen - Geschwindigkeit, Alkohol/Drogen sowie Missachtung der Insassensicherungspflicht. Die Polizei Nordrhein-Westfalen verwendet seit vielen Jahren Speichelvortests zur Erkennung des Drogenkonsums bei Fahrzeugführern. Seit Ende 2009 sind alle Kreispolizeibehörden mit Speichel- und Urindrogenvortests ausgestattet. Im Rahmen der zentralen polizeilichen Fortbildung werden die Themen Verdachtsgewinnung und Beweissicherung bei der Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln vermittelt. Diese Fortbildung wird seit 2011 durch sogenannte Realkontrollen optimiert. Die sich daraus ergebenden kontinuierlich verstärkten Maßnahmen der Polizei gegen die Hauptunfallursache „andere berauschende Mittel“ (2010: 7.825/2014: 16.176) führen damit zu einem deutlich erhöhten Entdeckungsrisiko. 1. Wie hoch ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen (z.B. Druidstudie) das rela- tive Unfallrisiko mit bewusstseinsverändernden Substanzen (Bitte aufschlüsseln nach: Alkohol 0,5 Promille BAK Vollblut, Alkohol 1,05 Promille BAK Vollblut, Cannabis THC unter 5ng/ml Blutserum, Cannabis THC über 10ng/ml Blutserum)? Verstöße gegen das Verbot des Führens von Kraftfahrzeugen nach dem Konsum von Alkohol oder der Einnahme anderer berauschender Mittel liegen im Ordnungswidrigkeitenrecht dann vor, wenn eine relevante Menge der in Betracht kommenden Substanzen im Körper der Betroffenen nachgewiesen wird. Für den Alkoholkonsum liegt die Grenze bei 0,5 Promille Alkohol im Blut beziehungsweise 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft. Bei Cannabis (THC) beträgt der Grenzwert 1 ng/ml im Blut. Die im Rahmen der von der Europäischen Kommission initiierten DRUID-Studie (Driving under the Influence of Drugs, Alcohol and Medicines) angestellten Untersuchungen gehen davon aus, dass aus wissenschaftlicher Sicht für alle psychoaktiven Substanzen – einschließlich Alkohol - gleiche Maßstäbe gelten sollten und empfehlen in Übereinstimmung mit der EU („Commission Recommendation 2001/115/EC of 17 January 2001“) vergleichbare Wirkungen wie bei 0,5 Promille Alkohol im Blut („0,5 g/L BAC“) als Risikomaßstab zu nehmen. Die strafbewehrte Trunkenheit im Verkehr liegt ab einem Gehalt von 1,1 Promille Alkohol im Blut (absolute Fahrunsicherheit) oder einer mit Ausfallerscheinungen verbundenen Alkoholisierung von mehr als 0,3 Promille Alkohol im Blut (relative Fahrunsicherheit) vor. Da es bei Cannabis bislang an einem wissenschaftlich begründbaren Beweisgrenzwert zur Annahme der absoluten Fahrunsicherheit fehlt, sind hier die Grundsätze für den Nachweis der relativen Fahrunsicherheit anzuwenden. Es kommt insoweit also darauf an, ob weitere Beweisanzeichen vorliegen, die die Annahme der Fahrunsicherheit rechtfertigen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8140 3 2. Wie viele Unfälle (mit Personenschäden, mit Todesfolge) wurden durch Rauschfahrten im Zeitraum zwischen dem 01.01.2013 und dem 31.12.2013 in NRW registriert ? (Bitte aufschlüsseln nach: durch Alkoholeinfluss, durch „andere berauschende Mittel“ gem. Anlage zum §24a StVG) Im Jahr 2013 ereigneten sich 2.407 Verkehrsunfälle mit Personenschaden mit der Ursache „Alkohol“, 52 davon verliefen tödlich. Im selben Zeitraum gab es 354 Unfälle mit Personenschaden mit der Ursache „andere berauschende Mittel“, acht davon verliefen tödlich. 3. Wie viele Verstöße gegen §24a StVG wurden im Zeitraum zwischen dem 01.01.2013 und dem 31.12.2013 durch die Polizei zur Anzeige gebracht? (Bitte aufschlüsseln nach: wegen Alkohol, wegen „andere berauschende Mittel“ gem. Anlage zum §24a StVG) Im Jahr 2013 wurden von der Polizei 6.385 Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG wegen „Alkoholeinfluss“ und 10.159 wegen der Einnahme „anderer berauschender Mittel“ angezeigt . 4. In wie vielen Fällen wurde nach Bekannt werden eines Verstoßes gegen §24a StVG, die Fahrerlaubnis wegen „fehlendem Trennungsvermögen“ durch die zuständige Fahrerlaubnisbehörde im Zeitraum zwischen dem 01.01.2013 und dem 31.12.2013 gänzlich entzogen? (Bitte aufschlüsseln nach: bei Alkohol mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 8.2 FeV, bei Cannabis mit Verweis auf Anlage 4 Punkt 9.2.2) Entsprechende Daten stehen seitens der Fahrerlaubnisbehörden (Kreise und kreisfreie Städte ) in Nordrhein-Westfalen oder dem Kraftfahrt-Bundesamt nicht zur Verfügung. 5. In wie vielen Fällen wurde die Entziehung der Fahrerlaubnis im Zeitraum zwi- schen dem 01.01.2013 und dem 31.12.2013 bei feststehender Nichteignung (fehlendes Trennungsvermögen) durch die Verwaltungsbehörden mit sofortiger Wirkung (§80 Abs.2 Nr.4 VwGO Gefahrenabwehr) angeordnet, so dass die Klage keine aufschiebende Wirkung entfaltet (wenn möglich bitte nach Rauschmittelart aufschlüsseln)? Siehe Antwort zu Frage 4.