LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8235 23.03.2015 Datum des Originals: 19.03.2015/Ausgegeben: 25.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3130 vom 11. Februar 2015 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/7936 Endet der elektronische Rechtsverkehr in der nordrhein-westfälischen Justiz am Drucker der Posteingangsstellen? Der Justizminister hat die Kleine Anfrage 3130 mit Schreiben vom 19. März 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ministerpräsidentin Kraft erklärte im Rahmen ihrer Jahresauftaktpressekonferenz vom 15.01.2015 sowie im Rahmen ihrer Regierungserklärung vom 29.01.2015, dass NordrheinWestfalen beim Thema Digitalisierung der „place to be“ werden solle. Wie das Magazin FOCUS am 07.02.2015 berichtete, steht der Weg der nordrhein-westfälischen Justiz ins digitale Zeitalter derzeit jedoch „auf Stand-by“. Nach FOCUS-Recherchen lasse ein Konzept für die geplante IT-Zentralisierung der Gerichte und Staatsanwaltschaften in NordrheinWestfalen weiter auf sich warten. Ein hochrangiger Beamter wird dazu mit folgendem Satz zitiert: „Da ist seit einem Jahr nichts passiert“. Dabei habe Justizminister Kutschaty Anfang 2014 ein IT-Dienstleistungsressort beim OLG Köln installiert, das zügig Pläne vorlegen sollte, damit in den Gerichtssälen bald keine Aktenberge mehr anfielen, sondern alles nur noch via PC laufe. Dazu habe man sogar einen Leitenden Oberstaatsanwalt auf den neu geschaffenen Chefposten eines OLG-Vizepräsidenten „gehievt“. Der Spitzenbeamte habe sich jedoch monatelang krankgemeldet. „Bis heute fehlt ein Konzept“, so ein Insider gegenüber FOCUS. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8235 2 1. Wie viele Bedienstete sind in das Anfang 2014 beim OLG Köln eingerichtete ITDienstleistungsressort eingebunden? (Bitte Anzahl und Besoldungsgruppe der Mitarbeiter angeben.) Dem zentralen IT-Dienstleisters der Justiz des Landes NRW (ITD) sind sukzessive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugeordnet worden. So sind beispielsweise die Stellen der Dezernatsleiterinnen und -leiter nach vorheriger Durchführung der Ausschreibungen im Februar und März 2015 besetzt worden. Die nachfolgend aufgeführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören den jeweils in Klammern angegebenen Besoldungs- bzw. Entgeltgruppen an und sind mit unterschiedlichen Arbeitskraftanteilen für den ITD tätig (Stand 02.03.2015): - 1 Leiter des ITD (R 4) - 6 Dezernatsleiterinnen und -leiter (R 2 / TV-L 15 (hD)) - 2 Sachgebietsleiter (A 13 (gD)) - 2 Sachbearbeiterinnen (A 11 / A 9) - 3 Systembetreuerinnen und -betreuer (TV-L 10) - 2 Mitarbeiterinnen Service-Einheit (TV-L 5) - 1 richterlicher Mitarbeiter (R 1). Zudem sind die bei dem Oberlandesgericht Köln eingerichtete Zentrale ITBeschaffungsstelle der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (ZIB) und die Zentrale Pflegestelle für das Textsystem Justiz und das Formularwesen NRW (ZeTeF) am 15.11.2014 in die Organisation des ITD überführt worden. Dadurch sind folgende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen Arbeitskraftanteilen dem ITD zugeordnet worden: - 1 Technischer Leiter (TV-L 14 (hD)) - 1 Leiterin der Verfahrenspflegestelle (R 1) - 1 richterlicher Mitarbeiter (R 1) - 2 stellvertretende Sachgebietsleiter (A 12, A 11) - 22 Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter (A 13, A 12, A 11, A 10, A 9, A 8, A 6, TV-L 9, TV-L 8) - 5 Administratoren (A 11, A 9, TV-L 10 (gD)). 2. Wie lange war der - laut FOCUS - auf den neu geschaffenen Chefposten eines OLG-Vizepräsidenten „gehievte“ Leitende Oberstaatsanwalt seit der Einrichtung des IT-Dienstleistungsressorts dienstunfähig? Seit der Einrichtung des ITD zum 01.01.2014 war der mit seiner Leitung betraute Vizepräsident des Oberlandesgerichts Köln vom 24.02.2014 bis zum 03.03.2014 wegen eines grippalen Infekts und in der Zeit vom 10.11.2014 bis zum 16.01.2015 in Folge eines operativen Eingriffs und darauf beruhender Folgewirkungen dienstunfähig erkrankt. Diese Mitteilung erfolgt auf ausdrücklichen Wunsch des Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Köln und mit dessen ausdrücklicher Zustimmung zur Weiterleitung dieser vertraulichen personenbezogenen Daten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8235 3 3. Welche Ergebnisse hat das IT-Dienstleistungsressort seit seiner Einrichtung Anfang 2014 konkret erarbeitet? (Bitte einzeln tabellarisch auflisten.) - Rahmenbetriebskonzept ITD Justiz NRW - Migrationskonzept für die Überführung von Gerichten und Justizbehörden vom dezentra- len in den künftigen zentralen Rechenzentrumsbetrieb - Maßnahmen- und Ablaufplan zur technischen Ertüchtigung des künftigen Rechenzent- rums am Standort Münster - Konzept für eine Erfassung des Personaleinsatzes im IT-Betrieb der Justiz - Feinkonzepte für folgende ITD-Dezernate:  Planung und Koordination  Anwenderbetreuung  Verträge und Beschaffung  Anwendungsmanagement  Technischer Betrieb und Rechenzentrum - Entwürfe von Fachkonzepten für folgende Bereiche:  Change-Management  Releasemanagement  Anforderungsmanagement - Gutachten zur Festlegung der grundsätzlichen Technologieelemente (Virtualisierungsplattform , Applikationsvirtualisierungsplattform, Managementplattform) - Gutachten zu den Architekturmodellen einer künftigen IT-Struktur der Justiz NRW - Einrichtung des Prototypen einer Rechenzentrumsumgebung (Testumgebung) - Aufbau einer Betriebsplattform für den Pilotbetrieb auf dem Rechenzentrumsprototypen - Ausschreibung eines Handelspartnervertrages für Microsoft-Produkte - Ausschreibung eines Handelspartnervertrages für Citrix-Produkte - Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für ein Fachverfahren zur Lehrgangsunterstützung für die Fachhochschule für Rechtspflege - Amtliche Formulare zur Umsetzung der Verordnung über die Vergütung der Gerichts- vollzieher (GVVergVO) 4. Endet der elektronische Rechtsverkehr in der nordrhein-westfälischen Justiz der- zeit noch am Drucker der Posteingangsstellen? In der nordrhein-westfälischen Justiz ist der elektronische Rechtsverkehr bisher in folgenden Bereichen eröffnet: 1. Fachgerichtsbarkeiten (alle Gerichte der Finanz-, Verwaltungs-, Sozial- und Arbeitsge- richtsbarkeit) 2. Automatisiertes Mahnverfahren 3. Registersachen 4. Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG (Landgericht Köln) 5. Verfahren in Beschwerdeverfahren gemäß § 335a Handelsgesetzbuch (Landgericht Bonn) 6. Anmeldungen zum Vereinsregister. Die verpflichtende elektronische Aktenführung ist noch nicht angeordnet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8235 4 5. Inwiefern kann die nordrhein-westfälische Justizverwaltung im Vergleich zu den Justizverwaltungen anderer Bundesländer schon heute als „place to be“ bezeichnet werden? Die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen ist längst auf dem digitalen Weg. Bereits seit dem 1. Januar 2004 gibt es das elektronisch geführte Handelsregister landesweit. Dabei beträgt zum Beispiel die durchschnittliche Bearbeitungszeit elektronisch beantragter Ersteintragungen gerade noch 16 Stunden. Über Gerichtstermine kann man sich schon heute bequem mit dem Smartphone per App informieren. Die nordrhein-westfälische Justiz ist im digitalen Bereich auch europaweit aktiv. Von hier aus wird für die gesamte Europäische Union die Infrastruktur für ein europäisches Justizportal aufgebaut. Dazu gehören insbesondere auch europäische Register wie das Handels- und Unternehmensregister und die Insolvenzregister. Nordrhein-Westfalen leitet zudem mehrere von der Europäischen Kommission geförderte EJustice -Projekte. Besondere Bedeutung kommt insoweit dem europäischen Großprojekt "e-CODEX" (eJustice Communication via Online Data Exchange) zu, an dem 15 europäische Staaten sowie die europäischen Dachorganisationen der Notare und Anwälte teilnehmen und welches federführend durch die Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen geleitet wird. Ziel des Projektes ist es, sowohl den grenzüberschreitenden elektronischen Zugang zum Recht für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen in Europa zu verbessern als auch die elektronische Zusammenarbeit von Einrichtungen der Justiz innerhalb von Europa zu fördern. Durch die Schaffung allgemein anerkannter Standards soll eine europaweite Interoperabilität geschaffen werden. e-Sens (Elecronic Simple European Networked Services) ist ein von der Europäischen Kommission initiiertes Pilotgroßprojekt, für das die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen ebenfalls federführend ist. Das Projektziel ist der Aufbau einer europaweit anwendbaren, digitalen Infrastruktur für rechtssichere und grenzüberschreitende Online-Dienste, welche Bürgerinnen und Bürgern, der Privatwirtschaft und Verwaltungen zur Verfügung stehen und von diesen genutzt werden. Im Rahmen dieses Projektes entwickeln mehr als einhundert Partner in zwanzig europäischen Ländern Bausteine für kompatible elektronische Ausweise, Signaturen und Dokumente.