LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8278 25.03.2015 Datum des Originals: 25.03.2015/Ausgegeben: 30.03.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3183 vom 26.02.2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/8042 Was unternimmt der Innenminister zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Niederzier? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3183 mit Schreiben vom 25. März 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der Rat der Gemeinde Niederzier hat eine Resolution an die Landesregierung verabschiedet und dem Innenminister zukommen lassen, in der das Kommunalparlament nachdrücklich und dringend Hilfe bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rund um den Tagebau Hambach und der Sophienhöhe fordert. Der Resolutionstext beschreibt die Situation vor Ort: „Seit Monaten bedrohen Umweltaktivisten die Mitarbeiter des Tagebaus Hambach und behindern die Arbeiten. Sie attackieren die Mitarbeiter, ketten sich an Gleisen oder Bäumen fest, zerstören Baumaschinen und provozieren für die Polizei zermürbende Einsätze, die der Steuerzahler tragen muss.“ Der Rat bemängelt den Fanatismus der „Berufsdemonstranten aus allen Teilen Europas“. Der Fund von Waffen und Sprengsätzen zeige, „dass sie vor keiner Straftat zurückschrecken“. Offenbar dehnen die Demonstranten ihre Aktionen nun auch auf Freizeiteinrichtungen im Gemeindegebiet und auf der Sophienhöhe aus. Parolen werden geschmiert. Weiter heißt es im beschlossenen Text: „Spaziergänger fühlen sich im Naherholungsgebiet Sophienhöhe nicht mehr sicher und fürchten die Konfrontation mit den Klimaaktivisten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8278 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Sicherheitslage im Hambacher Forst steht schon lange im Blickfeld der zuständigen Ordnungs-, Sonderordnungs- und Kreispolizeibehörden. Mitte April 2012 besetzten Umweltaktivisten einen kleinen Teil des Geländes im Bereich des Rhein-Erft-Kreises, um gegen die geplante Abholzung zum Braunkohlebau zu protestieren. Im Zuge der Vollstreckung von Durchsuchungsbeschlüssen sowie weiterer strafprozessualer Maßnahmen im Zeitraum 13.11. bis 17.11.2012 kam es zu einer Räumung dieses Bereiches. Im Anschluss errichteten Aktivisten ein Camp auf einer im Privateigentum stehenden Wiese im Bereich MerzenichMorschenich (Kreis Düren), offensichtlich mit Einverständnis des Eigentümers. Ein Rechtsstreitverfahren zwischen dem zuständigen Kreisbauordnungsamt und dem Eigentümer dauert an. Das Grundstück grenzt direkt an ein Waldgelände der RWE Power AG und gibt Aktivisten offensichtlich Deckung, wenn sie im Wald Aktionen durchführen. Hierzu gehört das Errichten von Barrikaden oder die Besetzung von Bäumen, um die RWE Power AG an der Rodung des Waldgeländes Hambacher Forst zu hindern oder Einsatzkräften das Erreichen der Einsatzorte zu erschweren. Straftaten konnten Camp-Bewohnern bislang nur in zwei Fällen nachgewiesen werden. Die Polizeibehörden Rhein-Erft-Kreis und Düren werden regelmäßig zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten im Rahmen ihrer originären Zuständigkeit tätig. In seit Sommer 2013 eingerichteten Besonderen Aufbauorganisationen in beiden Kreispolizeibehörden (KPB) werden Aufklärungs- und Raumschutzmaßnahmen durch Kräfte des Wachdienstes und durch Diensthundführer durchgeführt. Die Maßnahmen werden anlassbezogen durch Kräfte der Bereitschaftspolizei, Landesreiterstaffel und die Polizeifliegerstaffel unterstützt. Die Kriminalinspektion Staatsschutz des Polizeipräsidiums Aachen führt - unbeschadet notwendiger Ermittlungsmaßahmen - eigene Aufklärungsmaßnahmen durch. Darüber hinaus unterstützt die Polizei die Ordnungs-, Bergbau-, Landschaftsschutzbehörden und Gerichtsvollzieher regelmäßig durch die Gewährung von Vollzugshilfe bei deren Aufgaben . So wurden beispielsweise Ortsbegehungen der zuständigen Behörden durch polizeilichen Schutz gewährleistet und Räumungstitel vollstreckt. Die Gemeinde Niederzier stellt derzeit keinen Kriminalitätsbrennpunkt dar. Auf dem Gebiet der Gemeinde Niederzier wurden im Jahr 2014 vier Straftaten polizeilich bekannt, die mutmaßlich Klimaaktivisten zuzurechnen sind. Davon wurden zwei Straftaten im Naherholungsgebiet Sophienhöhe verübt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Sachverhalte: Datum Ort Straftat 06.01.14 Tagebau Hambach, Brücke 104 Beschädigung Bauwagen, ca. 5.000 € Sachschaden, Täter unbekannt 29.09.14 - 06.10.14 Tagebau Hambach Diebstahl aus einem Schaufelradbagger , Schadenshöhe ca. 800 €, Täter unbekannt 30.09.14 - 01.10.14 Sophienhöhe Sachbeschädigung an einem Aussichtsturm durch Aufbringen von Graffiti , Schadenshöhe ca. 500 €, Täter unbekannt 09.10.14 Sophienhöhe Sachbeschädigung an Schranken und an dem sog. „Stein-Kompass“, Schadenshöhe ca. 1.500 €, Täter unbekannt LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8278 3 Ordnungswidrigkeiten sind der Polizei nicht bekannt geworden. Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich Aktionen der Umweltaktivisten bislang ausschließlich gegen die RWE Power AG, deren Sicherheitsdienst und die Polizei richteten. Konfrontationen mit Spaziergängern sind mir bis jetzt nicht bekannt geworden. Weiterhin ist festzustellen, dass im Hambacher Forst regelmäßig alte Weltkriegsmunition bzw. Granaten aufgefunden werden. Ein Nachweis, dass diese von Aktivisten an den jeweiligen Fundorten platziert wurden, konnte im Rahmen der Ermittlungsverfahren nicht erbracht werden. Ferner wurden der Polizei keine Sachverhalte in Bezug auf selbst gefertigte Sprengsätze bekannt. Mit Schreiben vom 26.01.2015 habe ich dem Bürgermeister der Gemeinde Niederzier im Übrigen auf die Resolution der Gemeinde Niederzier geantwortet. Darin habe ich das Angebot unterbreitet, zur Erörterung der Sicherheitslage eine Sicherheitsbesprechung auf örtlicher Ebene durchzuführen. Zwischen der KPB Düren, dem Ordnungsamt Niederzier und dem stellvertretenden Bürgermeister der Gemeinde Niederzier hat in der Zwischenzeit ein nach Darstellung der KPB Düren zu aller Zufriedenheit verlaufenes Gespräch stattgefunden. 1. Was unternimmt der Innenminister zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ord- nung und Sicherheit in Niederzier? Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung obliegt nach §§ 1 und 4 Ordnungsbehördengesetz (OBG) den örtlichen Ordnungsbehörden. Das Ministerium für Inneres und Kommunales als Oberste Aufsichtsbehörde über die Ordnungsbehörden trifft keine eigenen Maßnahmen, sondern kann allenfalls über Weisungen nach § 9 OBG Einfluss nehmen , um ein rechtliches oder zweckmäßiges Handeln der örtlichen Ordnungsbehörden sicherzustellen . Einzelne Handlungen der Umweltaktivistinnen und -aktivisten können sonderordnungsrechtliche Vorschriften zum Beispiel des Bau- oder Forstrechts tangieren und unterliegen insoweit nicht der Aufsicht durch das Ministerium für Inneres und Kommunales. Die polizeiliche Einsatzbewältigung in Niederzier fällt in die örtliche Zuständigkeit der Kreispolizeibehörde Düren. Die Kreispolizeibehörde Düren nimmt ihren gesetzlichen Auftrag zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten wahr. Sofern das Erfordernis besteht, unterstützt sie außerdem die originär zuständigen Ordnungsund Sonderordnungsbehörden im Rahmen der Vollzughilfe. Darüber hinaus verweise ich auf die Vorbemerkung. 2. Welche konkreten Maßnahmen sind veranlasst worden bzw. werden noch von ihm veranlasst? Siehe Frage 1 und Vorbemerkung. 3. Wird die örtliche Kreispolizeibehörde personell verstärkt? Die Kreispolizeibehörde Düren wird anlassbezogen unter anderem durch Kräfte der Bereitschaftspolizei , der Landesreiterstaffeln und der Polizeifliegerstaffel unterstützt. Die Kriminalinspektion Staatsschutz des Polizeipräsidiums Aachen führt eigene Aufklärungsmaßnahmen durch. Eine darüber hinausgehende personelle Verstärkung ist derzeit nicht erforderlich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8278 4 4. Welche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind von den Klimaaktivisten begangen worden? (Bitte nach Datum, Ort, Tat, Tatbeteiligten und Schadenshöhe chronologisch auflisten.) Siehe Vorbemerkung. 5. Wie hoch sind die Gesamtkosten der Polizeieinsätze, die durch die Klimaaktivis- ten bisher verursacht worden sind? (Bitte für die Jahre 2012, 2013 und 2014 auflisten .) Durch die nordrhein-westfälischen Polizeibehörden werden Kosten, die im Zusammenhang mit Einsätzen in Nordrhein-Westfalen entstehen, grundsätzlich nicht erhoben. Vor diesem Hintergrund liegen Aufstellungen über die Gesamtkosten der Polizeieinsätze der Jahre 2012 bis 2014 nicht vor.