LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8312 30.03.2015 Datum des Originals: 30.03.2015/Ausgegeben: 02.04.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3190 vom 27. Februar 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/8050 Chaotische Organisation der Zentralen Ausländerbehörde zu Lasten der Kommunen? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3190 mit Schreiben vom 30. März 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Laut Westdeutscher Allgemeiner Zeitung Essen vom 27. Februar 2015 macht die Stadt Essen dem Land in der Diskussion um eine raschere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber schwere Vorwürfe: Es würden viel zu wenige Flüge bereitgestellt, um die Menschen in ihre Heimatländer zurückzubringen. So seien im vergangenen Jahr lediglich 53 Flüchtlinge aus Essen abgeschoben worden. Dabei sei die Abschiebepraxis chaotisch organisiert. Für alle Flugabschiebungen in NRW ist die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Bielefeld zuständig. Dort wird erklärt, dass bis jetzt alle Anmeldungen für Charterflüge berücksichtigt werden konnten. Die örtlichen Ausländerbehörden müssten eben ihren Bedarf an Plätzen anmelden, dann kümmere man sich. Ein für Januar geplanter Charter-Flug sei daher zum Beispiel mangels Bedarf ausgefallen. Das ZAB erklärte zum Bedarf, dass eine Maschine mit mindestens 50 Passagieren abheben müsse. Um das sicherzustellen, überbuche man die Flüge um 50 bis 100 Prozent – denn viele Flüchtlinge verschwinden kurz vor der Abschiebung. Diese Praxis habe sich bewährt. Die Stadt Essen erklärte, dass die zuständige Ausländerbehörde permanent Plätze anmelde, das ZAB aber keine Flüge anbiete und auf Flüge anderer Bundesländer verweise. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8312 2 1. Kann die Landesregierung bestätigen, dass alle Anmeldungen von Ausländerbehörden für Flugrückführungen berücksichtigt werden konnten? Alle Fluganmeldungen der Ausländerbehörden werden bei der Zentralstelle für Flugabschiebungen Nordrhein-Westfalen (ZFA) bei der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Bielefeld zeitnah bearbeitet. Im Regelfall erfolgt die Bearbeitung innerhalb von 2 Tagen bis zur Flugbuchung . Fehlende Unterlagen (ärztliche Gutachten, Modalitätenblätter, Urteile etc.) oder unvollständige Angaben können zu Nachfragen bei den Ausländerbehörden führen, wodurch im Einzelfall Verzögerungen möglich sind. Im Ergebnis konnte bisher für alle Buchungsanfragen auch ein Flug angeboten werden. In nicht wenigen Fällen kommt es im Übrigen zu teilweise sehr kurzfristigen Stornierungen durch die Ausländerbehörden. Die Stornoquoten erreichen bei manchen Ausländerbehörden bis zu 75 %. Zu den Gründen wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3135 des Abgeordneten Ralf Witzel, FDP, vom 17.02.2015 (LT-Drs. 16/7943) verwiesen. Aufgrund der hohen Stornoquoten werden Sammelcharter in erheblichem Maße überbucht. In der Praxis führt dies nur in Einzelfällen dazu, dass Personen aufgrund der Auslastung zurückgestellt werden müssen. Regelmäßig kann dann kurzfristig (teilweise am selben Tag) ein Alternativflug gefunden und gebucht werden. 2. Wie beurteilt die Landesregierung den Hinweis der ZAB bei Ausfällen von Char- ter-Flügen, dass die Kommunen es über andere Bundesländer oder über mühselige Einzelabschiebungen versuchen sollen? Gelegentlich ist es der Wunsch gerade von Ausländerbehörden, Charterflüge eines anderen Bundeslandes zu nutzen, um die Gefahr des Untertauchens zu mindern. Zu den nicht unerheblichen Stornoquoten in NRW trägt bei, dass die Termine der Sammelcharter in NRW zumeist frühzeitig bekannt werden. Bei Chartermaßnahmen anderer Länder werden regelmäßig keine Vorgaben zur Mindestanzahl der zu buchenden Personen gemacht. So können auch kleinere Kontingente gebucht werden. Die überwiegende Zahl der Rückführungen erfolgt aber zweckmäßigerweise mit Einzelflügen , da für die meisten Ziele zeitgleich nur wenige Personen zu berücksichtigen sind. Eine Chartermaßnahme wäre daher unwirtschaftlich. Ein Charter im europäischen Bereich verursacht Kosten von ca. 60.000 - 70.000 €. Bei Einzelabschiebungen entsteht den Kommunen kein nennenswerter zusätzlicher Aufwand . Die komplette Koordinierung und Buchung erfolgt durch die ZFA. Dies gilt auch für die Buchung der Sicherheitsbegleitung und der ärztlichen Begleitung. Da die Sicherheitsbegleiter durch die Bundespolizei gestellt werden, muss der Bedarf gegenüber der Bundespolizei ausführlich begründet werden. Gleiches gilt im Hinblick auf die entstehenden Kosten bei der Buchung notwendiger ärztlicher Begleitungen. Bei allen notwendigen Zuführungen (u.a. zum Flughafen) werden die Ausländerbehörden durch die Landtransportkoordination (LTraKo) der ZAB Köln unterstützt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8312 3 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorwurf, dass die Praxis für Flugabschiebungen chaotisch sei? Es liegen keine Hinweise vor, die eine solche Behauptung belegen. Wie bei den Fragen 1 und 2 ausgeführt reagiert die ZFA zeitnah und angemessen auf alle Anforderungen der Ausländerbehörden . 4. Wie ist das konkrete Verfahren der ZAB für Flugabschiebungen? Die Anmeldung durch die Ausländerbehörden bei der ZFA erfolgt unter Verwendung spezieller Anmeldeformulare für Familien und Einzelpersonen. Die Bearbeitung erfolgt unverzüglich nach Eingang, im Regelfall innerhalb von 2 Tagen. In Zusammenarbeit mit dem Reisebüro (unbegleitete Maßnahmen) oder der Bundespolizei (begleitete Maßnahmen) werden das Routing und der Abflugtag bestimmt. Bei der Festlegung des konkreten Flugdatums sind der Terminwunsch der Ausländerbehörde, aber auch die Überstellungsmodalitäten und die Vorlaufzeit für die Beschaffung der Reisedokumente zu berücksichtigen. Sobald der Termin feststeht, teilt die ZFA die konkreten Daten der Ausländerbehörde , „LTraKo“, der Bundespolizei und ggf. auch dem begleitenden Arzt mit. 5. Wie kann die aktuelle Situation verbessert werden? In der Vergangenheit konnte ein Kapazitätsproblem nicht festgestellt werden. Es wurde auch von keinem Fall berichtet, in dem eine Rückführung nicht vollzogen werden konnte, weil die ZFA keinen Flug gebucht hatte. Für die Erörterung von Problemen im Zusammenhang mit Flugabschiebungen gibt es regelmäßig die so genannte „Clearingstellentagung Flugrückführung“ unter dem Vorsitz des Bundespolizeipräsidiums (UAG der AG Rückführung). Dort werden aktuelle Probleme diskutiert und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Darüber hinaus besteht für die Ausländerbehörden die Möglichkeit, in regelmäßigen Praktikertagungen der Zentralen Ausländerbehörden Probleme auch in Bezug auf die ZFA vorzutragen. Selbstverständlich können sich die Ausländerbehörden in jedem konkreten Einzelfall auch unmittelbar an die ZFA wenden. Gleichwohl wird das Ministerium für Inneres und Kommunales die praktische Umsetzung der Flugrückführung im Zusammenwirken mit den Ausländerbehörden im Blick behalten.