LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8331 01.04.2015 Datum des Originals: 31.03.2015/Ausgegeben: 08.04.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3164 vom 26. Februar 2015 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/7994 Drohende Umsatzsteuerpflicht für kommunale Beistandsleistungen – Warum kann sich die rot-grüne Landesregierung in Berlin nicht durchsetzen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3164 mit Schreiben vom 31. März 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Zuge des demographischen Wandels und aufgrund der Finanznot zahlreicher Städte und Gemeinden gewinnt die interkommunale Zusammenarbeit in Nordrhein-Westfalen seit Jahren an Bedeutung. Als sinnvolles Instrument zur gemeinschaftlichen Erbringung öffentlicher Dienstleistungen wurde die interkommunale Kooperation bereits von der schwarz-gelben Landesregierung der 14. Wahlperiode (2005 - 2010) im Rahmen von Modellprojekten gefördert (z.B. „Geschäftsprozessoptimierung durch Shared Services der Kommunen“). Wie das kürzlich abgeschlossene Novellierungsverfahren zum „Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit “ zeigt, scheint auch die aktuelle Landesregierung die Notwendigkeit zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für zwischengemeindliche Partnerschaften erkannt zu haben. Selbst das umstrittene Gesetzgebungsverfahren zur Wandlung des Regionalverbands Ruhr in eine pseudoparlamentarische Einrichtung verfolgt als ein Teilziel die Verbesserung der interkommunalen Zusammenarbeit im Ruhrgebiet. Die geschaffenen Handlungsoptionen werden jedoch wenig Wirkung entfalten, solange das Problem der drohenden Umsatzsteuerpflicht für kommunale Beistandsleistungen auf Bundesebene nicht ausgeräumt ist. Konkret geht es dabei um ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.11.2011, durch welches Beistandsleistungen zwischen Kommunen als steuerbar und – bei Fehlen besonderer Befreiungstatbestände – Steuerpflichtig erklärt wurden. Diese Aus- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8331 2 legung europäischer Normen macht weite Teile der interkommunalen Zusammenarbeit unwirtschaftlich und entzieht ihr die Geschäftsgrundlage. Insoweit nutzen alle Bemühungen um bessere Rahmenbedingungen für Gemeindekooperationen nichts, wenn in dieser Sache keine Lösung gefunden wird. Sachlich ist die Befreiung kommunaler Beistandsleistungen von der Umsatzsteuerpflicht sinnvoll und gerechtfertigt, weil es sich bei diesen regelmäßig nicht um marktgängige Dienste handelt und Wettbewerbsverzerrungen weitgehend ausgeschlossen werden können. Die FDP-Landtagsfraktion hat daher bereits früh nach dem Bekanntwerden des BFH-Urteils diverse parlamentarische Initiativen gestartet, um die Landesregierung dazu zu bewegen, sich im Bund für die Abwendung der drohenden Umsatzsteuerpflicht für kommunale Beistandsleistungen einzusetzen. Hierzu gehören: 1. Kleine Anfrage „Wie steht die Landesregierung zur drohenden Umsatzsteuerpflichtigkeit der Kommunen bei interkommunaler Zusammenarbeit?“, Drs. 16/1989 vom 28.01.2013. 2. Kleine Anfrage „Wie lassen sich die Folgen der neueren BFH-Rechtsprechung zu Beistandsleistungen in einem robusten Mehrwertsteuersystem lösen?“, Drs. 16/2234 vom 04.03.2013. 3. Kleine Anfrage: „Gefährdet die drohende Umsatzsteuerpflichtigkeit bei interkommunaler Zusammenarbeit den Erfolg des Stärkungspaktes in den Städten Wuppertal, Solingen und Remscheid?“, Drs. 16/2717 vom 24.04.2013. 4. Kleine Anfrage: „Drohende Umsatzsteuerpflicht für ehrenamtliche kommunale Mandatsträger – Was tut die Landesregierung?“, Drs. 16/3217 vom 10.06.2013. 5. Plenarantrag CDU/FDP „Dienstleistungen im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit müssen Umsatzsteuerfrei bleiben“, Drs. 16/2900 vom 07.05.2013. 6. Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales auf Antrag der FDPLandtagsfraktion , Drs. 16/1999 vom 20.06.2014. Die Landesregierung hat einräumen müssen, dass es sich hier um ein substanzielles Problem für die kommunale Familie handelt und beteuert, diesem auf der Bundesebene entgegenwirken zu wollen. Lange wurde in einer länderoffenen Arbeitsgruppe der Finanzstaatssekretäre über mögliche Lösungen beraten. Ende 2014 schien ein Durchbruch erreicht und ein gangbarer Weg gefunden zu sein. In der Finanzministerkonferenz am 23.10.2014 wurde der Bundesfinanzminister schließlich darum gebeten, ein Gesetzgebungsverfahren zu der verabredeten Lösung zu initiieren. Jüngsten Meldungen zufolge wurde das Verfahren jedoch angehalten und soll nicht weiter verfolgt werden. Statt aktiv den gordischen Knoten auf nationaler Ebene zu durchschlagen und die Zukunft der interkommunalen Zusammenarbeit zu sichern, plane man nun, auf eine Änderung der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu warten. Sollte dies zutreffen, würden die Kommunen weiter im Unklaren gelassen. Die Evolution der interkommunalen Zusammenarbeit würde weiterhin aufgehalten. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht der kommunalen Familie und ein Armutszeugnis für die rot-grüne NRW-Landesregierung, die es nicht vermocht hat, sich in Berlin mit Erfolg für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen einzusetzen. Dies ist gerade deshalb bedauerlich, weil die kommunale Finanzsituation in NRW im Vergleich zu den meisten anderen Bundesländern überproportional angespannt ist, weshalb unsere Städte und Gemeinden auf das Instrument der interkommunalen Zusammenarbeit besonders angewiesen sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8331 3 Vorbemerkungen der Landesregierung Die Landesregierung schöpft alle Möglichkeiten aus, um eine zusätzliche Umsatzsteuerbelastung für kommunale Beistandsleistungen zu verhindern. Sie setzt sich dafür ein, die notwendigen Rechtsgrundlagen für eine zukunftssichere Regelung der umsatzsteuerlichen Behandlung der interkommunalen Zusammenarbeit zu schaffen. 1. Wie ist der aktuelle Stand der Beratungen zur Abwendung der drohenden Um- satzsteuerpflicht für kommunale Beistandsleistungen? Die Finanzministerkonferenz hat den Bundesfinanzminister gebeten, auf der Grundlage eines von einer Arbeitsgruppe der Finanzstaatssekretäre erarbeiteten Entwurfs ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Zur Vorbereitung eines entsprechenden Gesetzentwurfs führte das Bundesfinanzministerium Gespräche mit vom Gesetzentwurf betroffenen Verbänden und im Bundestag vertretenen Fraktionen. Der Landesregierung liegen derzeit keine gesicherten Informationen darüber vor, ob und ggf. wann das Bundesfinanzministerium ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren einleiten wird. 2. Wie hat sich das Land Nordrhein-Westfalen auf Bundesebene konkret gegen die drohende Umsatzsteuerpflicht für kommunale Beistandsleistungen eingesetzt? Nordrhein-Westfalen hat sich aktiv an der Erarbeitung des von der Finanzministerkonferenz gebilligten Entwurfs einer gesetzlichen Neuregelung beteiligt. Wesentliche Teile des Entwurfs gehen auf Vorschläge aus Nordrhein-Westfalen zurück. Auf Anregung von Nordrhein-Westfalen hat sich der Bundesrat am Konsultationsverfahren der EU-Kommission zu einer möglichen Neuausrichtung der Besteuerung der öffentlichen Hand beteiligt und sich deutlich für die Belange der Kommunen eingesetzt. Nordrhein-Westfalen hat die aktuelle Haltung des Bundesfinanzministeriums im Kreis der Länderfinanzministerinnen und -minister problematisiert und zuletzt im Finanzausschuss am 12.03.2015 auf die Dringlichkeit einer gesetzlichen Neuregelung zugunsten der interkommunalen Zusammenarbeit hingewiesen. 3. Warum haben die Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Verhandlungen nicht die Kraft aufbringen können, die berechtigten Interessen der an interkommunaler Zusammenarbeit interessierten Kommunen geltend zu machen? Bekanntlich ist Nordrhein-Westfalen bei Vorhaben, die der Bundesfinanzminister zu treffen hat, nicht allein entscheidend. 4. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um die drohende Umsatzsteuerpflicht für kommunale Beistandsleistungen doch noch abzuwenden? Die Landesregierung wird sich auch weiterhin beim Bundesfinanzministerium für eine zügige Einleitung des Gesetzesvorhabens zur Neuregelung der Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts einsetzen. Sollte das Bundesfinanzministerium eine zeitnahe Neuregelung blockieren, wird die Landesregierung eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen.