LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8358 09.04.2015 Datum des Originals: 08.04.2015/Ausgegeben: 14.04.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3216 vom 12. März 2015 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/8172 Neuerrichtung der Gesamtschule Würselen – wo zieht die Landesregierung bei externen Anmeldungen die Grenze bei der Neuerrichtung einer Schule? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3216 mit Schreiben vom 8. April 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Neuerrichtung einer Gesamtschule in Würselen war in der Vergangenheit an unzureichenden Anmeldezahlen gescheitert. Die für die Errichtung einer Gesamtschule benötigten 100 Anmeldungen wurden deutlich nicht erreicht. Nach einem erneuten „Gründungsverfahren “ ist dort nun laut Pressemeldungen eine Gesamtschule genehmigt worden und soll zum Schuljahr 2015/2016 an den Start gehen. Allerdings irritiert das Vorgehen bei der Errichtung. Den Presseinformationen ist zu entnehmen , dass das festgelegte Anmeldeverfahren nicht die benötigten 100 Anmeldungen erbracht hatte. Daraufhin wurde das Anmeldeverfahren verlängert. In diesem verlängerten Anmeldeverfahren wurde laut vorliegender Informationen dann die benötigte Zahl von 100 Anmeldungen – demnach knapp – mit 103 Anmeldungen erreicht. Gleichwohl verwundert auch hier das Verfahren. Die Verlängerung wurde offenbar deshalb in dieser Form umgesetzt , weil Schülerinnen und Schüler, die in anderen Kommunen nicht an einer Gesamtschule aufgenommen worden sind, miteinberechnet wurden. Laut Meldung der Aachener Zeitung konnte die Zahl demnach nur erreicht werden, nachdem die aus Aachen eingegangenen Anmeldungen gezählt werden konnten. Die Stadt Aachen habe schließlich „grünes Licht“ erteilt. Es stellt sich hierbei allerdings die Frage, wo eigentlich die Grenzen seitens der Landesregierung gezogen werden, wenn es darum geht, möglichst viele integrierte Schulformen zu errichten. Wie auch vom Schulministerium kommuniziert wurde, müssen neu errichtete Schulen nicht nur für fünf Jahre stabile Anmeldezahlen erwarten lassen. Eigentlich sollen bei einer Neuerrichtung diese Anmeldezahlen aus der jeweiligen Kommune erreicht werden. So LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8358 2 heißt es z.B. im Leitfaden des Ministeriums für Schule und Weiterbildung zur Errichtung von Sekundarschulen, dass sich die Aufnahmekapazität an den zu erwartenden Anmeldungen aus dem Gebiet orientieren müsse. Gleichzeitig heißt es jedoch z.B. im „Leitfaden Schulorganisation “ der Bezirksregierung Düsseldorf: „Grundsätzlich ist die Mindestgröße einer neu zu errichtenden Schule mit Kindern aus dem eigenen Stadtgebiet zu erreichen. Mancherorts reicht die eigene Schülerzahl im tatsächlichen Anmeldeverfahren aber nicht aus. Nur durch die Aufnahme ebenfalls angemeldeter gemeindefremder Schülerinnen und Schüler wäre die Errichtung der Schule (oder auch die Errichtung eines weiteren Zuges) möglich. Tritt ein solcher Fall ein, hat der errichtende Schulträger die Möglichkeit, mit den jeweiligen Nachbarkommunen eine Beschulungsvereinbarung abzuschließen. Lassen sich die Nachbarkommunen darauf ein, können die gemeindefremden Kinder ebenso wie die gemeindeeigenen Kinder für das Erreichen der erforderlichen Mindestgröße der neuen Schule berücksichtigt werden . Solche Beschulungsvereinbarungen sind nicht an eine bestimmte Form gebunden.“ Insofern stellen sich z.B. die Fragen, wie oft eigentlich ein Anmeldeverfahren bei nicht ausreichender Anmeldezahl verlängert werden kann, wo genau die Landesregierung die Grenze der Einberechnung externer Schülerinnen und Schüler im Anmeldeverfahren bei einer Neuerrichtung zieht und für wie viele Errichtungen diese Einbindung externer Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Schuljahren zur Anwendung gekommen ist. 1. Warum ist es aus Sicht der Landesregierung rechtlich unproblematisch, dass ein abgelaufenes Anmeldeverfahren, das offensichtlich aufgrund unzureichenden Elterninteresses nicht die benötigten Anmeldezahlen zur Errichtung erbracht hat, einfach verlängert wird? Die Koordination und konkrete Ausgestaltung der Anmeldeverfahren für öffentliche weiterführende Schulen obliegt maßgeblich dem Schulträger unter Beachtung der in § 1 der Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (APO-S I) und den zugehörigen Verwaltungsvorschriften bestimmten Rahmenvorgaben. Entsprechend den Verwaltungsvorschriften zur Verordnung über die Ausbildung und die Abschlussprüfungen in der Sekundarstufe I (VVzAPO-S I) ist für eine neu genehmigte Schule im Errichtungsjahr das Anmeldeverfahren so zu gestalten, dass im Falle des Nichterreichens der Mindestgröße die Durchführung eines weiteren Anmeldeverfahrens an fortzuführenden Schulen möglich ist. Ist für die Schule ein vorgezogenes Anmeldeverfahren zugelassen, kann die obere Schulaufsichtsbehörde auf Antrag des Schulträgers die Verlängerung des vorgezogenen Anmeldeverfahrens um eine Woche genehmigen, wenn dies für eine sichere Bedürfnisfeststellung erforderlich ist. Die Anmeldezeiträume für die übrigen Schulen bleiben von der Verlängerung unberührt. Ist für die Schule kein vorgezogenes Anmeldeverfahren zugelassen, wird das Anmeldeverfahren in der dritten bis fünften Woche des Anmeldezeitraums durchgeführt (siehe VV 1.1.3). Je nach Ausgestaltung der örtlichen und regionalen Schullandschaft sowie der bestehenden Pendelstrukturen wird das Anmeldeverhalten der Eltern von sehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung des Anmeldeverfahrens trägt zu einer gesicherten Bedürfnisfeststellung bei. Zudem wird durch die Beschränkung auf eine nur einmalige Verlängerungsmöglichkeit um eine Woche eine landesweit einheitliche Verwaltungspraxis bezüglich der Anmeldeverfahren an neu genehmigten Schulen gewährleistet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8358 3 2. Woran macht die Landesregierung rechtlich fest, wann die von der Bezirksregierung Düsseldorf dargelegte, primär aus dem eigenen Stadtgebiet zu erreichende Anmeldezahl nicht greift? Bei einer Schulerrichtung können Anmeldungen gemeindefremder Kinder nur dann für das Erreichen der Errichtungsgröße gemäß § 82 Schulgesetz NRW berücksichtigt werden, wenn diesbezüglich das Einverständnis der Heimatgemeinde nachgewiesen wird. Dies gilt im Übrigen auch – schulformunabhängig – bei der Genehmigung von Überhangklassen. Schulträger sind gemäß § 78 Absatz 4 SchulG zur Errichtung oder Fortführung einer Schule verpflichtet, wenn in ihrem Gebiet ein Bedürfnis dafür besteht und die Mindestgröße gewährleistet ist. Der Gebietsverweis der Norm verdeutlicht, dass die Mindestgröße grundsätzlich mit gemeindeeigenen Kindern sicherzustellen ist. Das Schulgesetz NRW sieht jedoch in § 78 Absätze 4 und 8 die Möglichkeit einer interkommunalen Zusammenarbeit vor, um die Voraussetzungen für die Errichtung und Fortführung einer Schule zu erreichen. Der Nachweis des dazu erforderlichen Einverständnisses erfolgt häufig bereits bei der Antragstellung auf Errichtung einer Schule. Wie der in der Vorbemerkung zitierte „Leitfaden Schulorganisation“ der Bezirksregierung Düsseldorf ausführt, ist jedoch auch ein Nachreichen bis zum Abschluss des Anmeldeverfahrens möglich. 3. Bei welchen Schulerrichtungen sind seit dem Schuljahr 2012/13 bei der Anmelde- zahl gemeindefremde Schülerinnen und Schüler zum Zeitpunkt der Genehmigung durch die Schulaufsicht berücksichtigt worden (bitte jeweils ab dem Schuljahr 2012/13 – inklusive laufendes Schuljahr – für die einzelnen Schuljahre, nach jeweiligen Schulstandorten und Schulform sowie jeweils nach der Zahl gemeindefremder Schülerinnen und Schüler im Vergleich zur Gesamtanmeldezahl aufgeschlüsselt darlegen)? 4. Ist eine solche Miteinbeziehung jeweils in den genannten Schuljahren untersagt worden (wenn ja, bitte für die jeweiligen geplanten Schulstandorte darlegen, warum und von wem)? Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Die erfragten Daten liegen dem Ministerium für Schule und Weiterbildung nicht vor. Sie sind weder den Amtlichen Schuldaten zu entnehmen, noch wurden sie in dem erfragten Differenzierungsgrad bei den Vorarbeiten zum Bericht der Landesregierung „Zwei Jahre Schulkonsens “ erhoben. Da eine Abfrage bei den oberen Schulaufsichtsbehörden eine Sichtung der Einzelvorgänge und gegebenenfalls Rückfragen bei den Schulträgern erforderlich machen würde, können angesichts der hohen Anzahl an Schulerrichtungsvorgängen seit 2012 die erbetenen Daten in dem für die Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht erhoben werden. 5. Welchen Einfluss kann ein solches, genanntes Vorgehen aus Sicht der Landesre- gierung darauf ausüben, dass neu errichtete Schulen für fünf Jahre stabile Anmeldezahlen erwarten lassen müssen? Gemäß § 82 Absatz 1 Schulgesetz NRW müssen Schulen die für einen geordneten Schulbetrieb erforderliche Mindestgröße haben. Bei der Errichtung muss sie für mindestens fünf Jahre gesichert sein; dabei gelten 28 Schülerinnen und Schüler als Klasse, für Gesamtschulen und für Sekundarschulen 25 Schülerinnen und Schüler. Die Vorschrift stellt klar, dass die zuständige Genehmigungsbehörde eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, ob die Errich- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8358 4 tungsgröße unter Zugrundelegung der vorgenannten Klassenbildungswerte in Verbindung mit der in § 82 Absätze 2 bis 7 Schulgesetz NRW für die jeweilige Schulform bestimmten Mindestanzahl an Parallelklassen voraussichtlich erreicht werden wird. Die Prognoseentscheidung wird zum Zeitpunkt der Genehmigung der Schulerrichtung anhand der vorgelegten Antragsunterlagen getroffen. Soweit das Einverständnis zur Beschulung gemeindefremder Kinder bereits mit Antragstellung nachgewiesen wird, kann dies in die Prognoseentscheidung mit einbezogen werden. Der RdErl. „Errichtung, Änderung und Auflösung von weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufskollegs“ des Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 6. 5. 1997 sieht unter Ziffer 2.1 a) insbesondere vor, dass Grundschulen benachbarter Schulträger mit deren Zustimmung in die Elternbefragung mit einbezogen werden können, wenn der Schulträger eine überörtliche Versorgungsfunktion erfüllen will. Die Erteilung des Einverständnisses zur Beschulung gemeindefremder Kinder durch die Heimatgemeinde erfolgt häufig vor dem Hintergrund gewachsener Pendlerstrukturen.