LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8361 09.04.2015 Datum des Originals: 08.04.2015/Ausgegeben: 14.04.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3224 vom 10. März 2015 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/8185 Kommunale Unternehmen in Existenznot? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3224 mit Schreiben vom 8. April 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Städte gehen nicht Pleite - und kommunale Betriebe auch nicht. Hieß es immer. Doch nun häufen sich plötzlich die Schieflagen. Die Aufgabe eines Stadtwerks ist es eigentlich, die Bürger mit Strom und Gas zu versorgen. Dieser Tage nun bekommt die 39.000-Einwohner-Kommune Völklingen aber erhebliche finanzielle Probleme mit ihren Stadtwerken. Die Stadtwerke Völklingen sind de facto pleite, Banken geben keine Kredite mehr, Wirtschaftsprüfer verweigern ihre Unterschrift unter die Bilanzen. Angeblich fehlen rund 25 Millionen Euro. In Völkingen wuchsen die Stadtwerke mit den Jahren zu einem kommunalen Mischkonzern heran, der inzwischen unter anderem ein Parkhotel, einen Catering-Service und eine Meeresfischzucht betreibt. Nicht neu ist, dass kommunale Unternehmen oft defizitär arbeiten. Viele städtische Krankenhäuser sind in den vergangenen Jahren an private Klinikbetreiber veräußert worden, weil sich ihr Betrieb nicht mehr rechnete. Ein Zuschussgeschäft ist in aller Regel auch der öffentliche Personennahverkehr, der gerade in ländlichen Regionen viel Geld kostet. Solche Verluste machten viele Kommunen in der Vergangenheit allerdings mit ihrem hochprofitablen Stromgeschäft mehr als wett. Gerade die einstigen "Cashcows" aber, sprich die kommunalen Energieversorger, bereiten immer mehr Bürgermeistern Sorgen. Dabei geht es auch um tiefergreifende Probleme des Angebots. Von den bundesweit rund 900 Stadtwerken erzeugen rund 400 selber Strom. Viele haben auf Gas oder Kraftwärme-Kopplung gesetzt - zwei Kraftwerksarten, die sich aufgrund der gravierenden Veränderungen auf dem Strommarkt kaum noch rechnen würden, so ein Vertreter des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8361 2 Die Folgen sind etwa in Darmstadt zu beobachten. Dort kaufte die Stadt 2012 für 280 Millionen Euro die Mehrheit am Energieversorger HSE zurück. Ein Jahr später wurde ein neues Gaskraftwerk eröffnet, das weitere 60 Millionen verschlang. Die Investitionen erwiesen sich als Flop: Das Kraftwerk steht still, weil sich der Betrieb nicht lohnt, das HSE gilt mit einer Schuldenlast von mehreren Hundert Millionen Euro inzwischen als Sanierungsfall. Ähnlich hart traf es Ulm. Die dortigen Stadtwerke SWU fuhren in den vergangenen Jahren einen aggressiven Expansionskurs, investierten unter anderem in defizitäre Kraftwerke in NRW und Niedersachsen. 2014 fielen bei der SWU gut 24 Millionen Euro Verlust an. Viele Kommunen stopfen die Löcher bislang aus Steuermitteln. So schoss die Stadt Ulm kurz vor Weihnachten 20 Millionen Euro frisches Kapital in die SWU - andernfalls wären die Stadtwerke wohl nicht mehr kreditwürdig gewesen. Ähnlich verfuhr München mit seinem von der Insolvenz bedrohten städtischen Klinikum. Allein im vergangenen Jahr floss ein hoher zweistelliger Millionenbetrag. Vielen Städten fehlt jedoch schlicht das Geld, um ihre Betriebe aufzufangen. Gera ist so ein Fall. Die Thüringer wollten ihre Stadtwerke eigentlich retten, konnten aber nicht. Hinzu kommt als weitere Komponente das EU-Beihilferecht. Brüssel schaut inzwischen sehr genau hin, wenn eine Stadt einer kommunalen GmbH beispringen will. Genau das erleben sie zurzeit in Singen. Um den sozialen Wohnungsbau nicht zu gefährden, wollte die Stadt ihre Wohnungsgesellschaft mit einer 14-Millionen-Euro-Bürgschaft unterstützen. Aus Furcht vor einem Veto der EU-Kommission stellte sie den Plan aber erst einmal zurück. Das bundesweite Ausmaß der Misere lässt sich bislang schwer abschätzen. Unbestritten ist aber, dass gerade die kommunalen Energieversorger in den vergangenen Jahren drastisch an Wert verloren haben. Und: Laut einer Umfrage des VKU schätzen 61 Prozent der Stadtwerke , dass sich ihre wirtschaftliche Lage weiter verschlechtern wird. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die wirtschaftliche Lage kommunaler Unter- nehmen in Nordrhein-Westfalen? Eine pauschalierte Antwort ist nicht möglich, da sich angesichts der Vielzahl von unterschiedlich ausgerichteten Betrieben (Unternehmen und Einrichtungen im Sinne des § 107 Abs. 1 und 2 der Gemeindeordnung des Landes NRW - GO NRW) in verschiedenen Rechtsformen die wirtschaftliche Lage dementsprechend uneinheitlich darstellt. Es ist jeder Betrieb für sich zu betrachten. 2. Wie hoch ist aktuell die Verschuldung kommunaler Unternehmen (bitte kommu- nalscharfe Darstellung)? Orientierungspunkte für die erbetenen kommunalscharfen Daten zur Verschuldung kommunaler Unternehmen können dem "Tabellenband zu den integrierten Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände - Anteilige Modellrechnung für den interkommunalen Vergleich - Stand 31.12.2012" entnommen werden, der im vergangenen Jahr von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder veröffentlicht worden ist. Online: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/OeffentlicheHaushalt e/Schulden/IntegrierteSchulden5713201129005.xls?__blob=publicationFile (Stand: 25.03.2015). Aktuellere Daten wurden bisher nicht veröffentlicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8361 3 Im Hinblick auf die jeweilige Situation der Betriebe in den einzelnen Kommunen ist auf die rechtlich vorgeschriebenen Beteiligungsberichte zu verweisen. 3. Sieht die Landesregierung eigene Handlungsnotwendigkeiten, um etwaige Risiken von Kommunen abzuwehren? Nein. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Risiken für die Kommunen? 5. Machen die neuen Risiken eine Anpassung der kommunalaufsichtlichen Regelun- gen notwendig? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Die Landesregierung sieht im Hinblick auf kommunalaufsichtliche Regelungen keinen Anpassungsbedarf . Im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Verwaltungshoheit obliegt es den Kommunen, die mit ihrer wirtschaftlichen (§§ 107 Abs. 1 und 107a GO NRW) und nicht wirtschaftlichen (§ 107 Abs. 2 GO NRW) Betätigung verbundenen unternehmerischen Risiken einzuschätzen und ihre unternehmerischen Entscheidungen darauf abzustellen. Im Übrigen erstreckt sich die Kommunalaufsicht auf die Kommunen und nicht auf deren Betriebe in einer Rechtsform des privaten Rechts.