LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8362 09.04.2015 Datum des Originals: 08.04.2015/Ausgegeben: 14.04.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3245 vom 16. März 2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drucksache 16/8245 Ausstiegsbetreuung für zurückgekehrte Dschihadisten Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3245 mit Schreiben vom 8. April 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Islamisten, die von Deutschland aus in den so genannten „Heiligen Krieg“ im Nahen Osten ziehen und wieder zurückkehren, gelten als besonders gefährlich – vor allem, wenn sie in den IS-Hochburgen in Syrien und Irak gekämpft haben. Für diese Rückkehrer gibt es laut Medienberichten seit Oktober 2014 ein Ausstiegsprogramm. Mitarbeiter des Verfassungsschutzes würden als „Ausstiegsbetreuer“ eingesetzt, so wird Innenminister Ralf Jäger selbst zitiert (Express, 26.02.2015, Seite 2). Es müsse auch für die Islamisten, „die desillusioniert aus Syrien oder anderen Kampfgebieten zurückkehren“, Möglichkeiten der konkreten Hilfe geben, erklärt der Innenminister im genannten Bericht. Die Rede ist von rund 180 aus Nordrhein-Westfalen ausgereisten Muslimen sowie etwa 50 Rückkehrern. Das Programm soll bisher nur auf „eine niedrige einstellige Zahl“ von Islamisten aus NRW fokussiert sein. Es richtet sich nach Aussage von Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes NRW, der ebenfalls zitiert wird, gezielt an Muslime, die aussteigen wollen. Geboten würden nicht nur Beratungen, sondern „ein individuell zugeschnittenes Ausstiegskonzept“, zu dem Unterstützung bei der Arbeitsplatz- und Wohnungssuche ebenso zähle wie die Vermittlung von Anti-Aggressions-Trainings. Leider wurde der Innenausschuss des Landtags NRW bislang nicht über das AussteigerProgramm informiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8362 2 1. Wie sieht das Programm zur Ausstiegsbetreuung für nach Nordrhein-Westfalen zurückgekehrte Islamisten konkret aus? Das Aussteigerprogramm Islamismus richtet sich an jede Person, die sich aus der islamistischen Szene lösen will. Voraussetzungen für die Teilnahme am Programm sind der erklärte Ausstiegswille sowie der Abbruch aller Kontakte zur islamistischen Szene. Obligatorisch für alle Aussteiger ist die ideologische Aufbereitung, die während des gesamten Ausstiegsprozesses eine zentrale Rolle spielt. Um wieder in der Gesellschaft Fuß fassen zu können, sind auch individuelle Maßnahmen wie beispielsweise die Unterstützung bei Behördengängen oder der Arbeitsplatzsuche, erforderlich. Bei dieser "Hilfe zur Selbsthilfe" werden auch häufig weitere Stellen wie z.B. Jobcenter eingeschaltet. Das besondere Fachwissen der Ausstiegsbegleiter beim Verfassungsschutz zur islamistischen Szene und islamistischen Ideologie bietet eine zielführende Basis, die sich bereits im Aussteigerprogramm Rechtsextremismus langjährig bewährt hat. 2. Seit wann läuft das Programm? Das Ministerium für Inneres und Kommunales hat den Landtag bereits mehrfach darüber unterrichtet, dass es im Rahmen einer Doppelstrategie seine präventiven Aktivitäten zur Bekämpfung des extremistischen Salafismus deutlich verstärkt hat. Es hat auch darüber informiert , dass beim MIK ein Team eingerichtet worden ist, das sich insbesondere um radikalisierte Personen kümmern soll, die bereits salafistischen Gruppierungen angehören und bei denen Anhaltspunkte bestehen, dass sie sich von ihnen lösen wollen (LT-Vorlage 16/2101). Um deutlich zu machen, dass diese Aufgabe organisatorisch, personell und bezüglich der Zielgruppe vom Präventionsprogramm klar abgegrenzt ist, wird sie seit Oktober 2014 als Aussteigerprogramm Islamismus eigenständig wahrgenommen. Die Erfahrungen insbesondere im Zusammenhang mit einer Hotline des MIK für Ratsuchende haben gezeigt, dass vor dem Hintergrund des Syrienkonflikts und der dadurch bedingten hohen Zahl an Ausreisenden und Rückkehrern eine besondere Expertise und ein eigenes Konzept erforderlich sind, um Ausstiegswilligen und Ratsuchenden, die fest in der Szene verankert und teilweise sogar ausreisewillig oder aus Syrien bereits desillusioniert zurückgekommen sind, geeignete Hilfestellungen anbieten zu können. 3. Was hat das Programm seit Beginn gekostet? Das Aussteigerprogramm Islamismus wird als Aufgabe durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referates 626 (Prävention, Aussteigerprogramme) wahrgenommen. Die Kosten des Programms belaufen sich derzeit fast ausschließlich auf die Personalkosten der eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 4. Wie viele Mitarbeiter des Verfassungsschutzes NRW kümmern sich um die ausstiegswilligen Islamisten? In der Abteilung Verfassungsschutz des Ministeriums für Inneres und Kommunales wurde vor zwei Jahren ein eigenes Präventionsreferat eingerichtet. Die dort tätigen 11 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für die allgemeine Präventionsarbeit in den Themenbereichen Rechtsextremismus und Islamismus sowie die konkreten Programme zuständig. In der Aufbauphase des Aussteigerprogramms Islamismus kümmert sich ein erfahrenes Team von 2 Personen, die intensiv mit externen Fachleuten, anderen Behörden und Institutionen vor Ort zusammen arbeiten, ausschließlich um ausstiegswillige Personen aus der Szene. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8362 3 5. Woran erkennt die Landesregierung den Ausstiegswillen der Rückkehrer? In der Regel wendet sich der Rückkehrer, aber auch alle anderen Personen, die sich von der islamistischen Szene distanzieren wollen, persönlich an das Aussteigerprogramm Islamismus und äußern ihren Ausstiegswillen. Es ist jedoch auch möglich, dass der Ausstiegswunsch über Dritte an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Aussteigerprogramms herangetragen wird. Die Ernsthaftigkeit des Ausstiegswillens wird im Rahmen erster Gespräche, aber auch während des gesamten Ausstiegsprozesses hinterfragt und überprüft. Erste Anzeichen eines ernsthaften Ausstiegswillen sind z.B. die kritische Auseinandersetzung mit der Ideologie sowie der Abbruch persönlicher Kontakte in die islamistische Szene. Der Ausstiegswille kann auch durch besondere Ereignisse wie z.B. eine Inhaftierung oder ein desillusionierendes Erlebnis aufkommen und den Distanzierungsprozess anstoßen.