LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8400 16.04.2015 Datum des Originals: 16.04.2015/Ausgegeben: 21.04.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3240 vom 4. März 2015 des Abgeordneten Oskar Burkert CDU Drucksache 16/8229 Wie können tödliche Keime eingedämmt und die Krankenhaushygiene verbessert werden? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 3240 mit Schreiben vom 16. April 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Sendung vom 17. Februar 2015 berichtete das ZDF-Magazin Frontal 21 in dem Beitrag „Tödliche Keime in Krankenhäusern – Kliniken sparen, Patienten sterben“ von den teilweise unhaltbaren hygienischen Zuständen in deutschen Krankenhäusern. Jedes Jahr geraten tausende Patienten in Lebensgefahr durch Keime, die gegen Antibiotika resistent sind. Es gibt immer neue Todesfälle. Der Beitrag schildert als jüngstes Beispiel das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel: Bei insgesamt 31 Patienten wurde ein multiresistenter Keim festgestellt. Bis zur Ausstrahlung waren bereits 13 von ihnen verstorben. Als Ursache für die nur schwer einzudämmende Verbreitung der resistenten Keime werden immer wieder Hygienemängel aufgrund von Personal- und damit verbundenem Zeitmangel sowie Sparmaßnahmen wie bewusst geplante Unterbesetzung genannt. Dies geht soweit, dass in Einzelfällen sogar das Küchenpersonal auf den Stationen mit aushelfen musste. In dem Beitrag wird Herr Professor Klaus-Dieter Zastrow von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zitiert. Er schildert, dass die Politik den Paragraphen 23 des Infektionsschutzgesetzes insoweit verändert habe, dass bei Befolgen aller mit diesem Paragraphen verbundenen Vorschriften 500.000 Infektionen und 20.000 Todesfälle weniger auftreten würden . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8400 2 Vorbemerkung der Landesregierung Krankenhaushygiene hat das Ziel, Infektionen im Zusammenhang mit medizinischer Versorgung (sog. „nosokomialen Infektionen“) zu verhindern. Die meisten dieser Infektionen werden durch Bakterien verursacht, es können aber auch Viren, Pilze oder Parasiten als Verursacher in Frage kommen. Dabei ist festzustellen, dass die Mehrzahl der nosokomialen Infektionen durch Bakterien verursacht wird, die unauffällige Resistenzmuster gegenüber Antibiotika aufweisen. Bakterien mit sog. Multiresistenzen (MRE), die es in verschiedenen Ausprägungen bei verschiedenen Arten gibt, stellen eine besondere Gruppe dar, weil sie schwerer zu behandeln sind. 1. Wie viele Infektionen mit multiresistenten Keimen in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern sind der Landesregierung bekannt? Gesamtzahlen zu Infektionen durch multiresistente Erreger (MRE) bei Krankenhauspatienten und -patientinnen werden seit dem 2. Halbjahr 2009 nur bezogen auf invasive MRSAInfektionen (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Nachweise in Blut und Liquor) landes - bzw. bundesweit im Sinne der Meldepflicht des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erfasst. Die zugehörigen Zahlen für NRW werden von den Gesundheitsämtern an das LZG.NRW übermittelt, die aktuellen Zahlen sind im Folgenden aufgeführt: Jahr Anzahl gemeldeter MRSA Blut-/LiquorInfektionen in NRW 2009 (2. Halbjahr) 560 2010 1.009 2011 1.159 2012 1.457 2013 1.355 2014 1.201 2015 233 (Stand: 23.03.2015; SurvNet-Daten des LZG.NRW) Gemeldete MRSA-Nachweise in Blut und Liquor sind ein Indikator für die Häufigkeit von MRSA-Infektionen in NRW bei Krankenhauspatienten und -patientinnen. Andere, auch durch weitere MRE verursachte Infektionen werden weder im Land NRW noch bundesweit erfasst, da es hierfür keine Meldepflicht gibt. Nach § 23 (4) IfSG haben die Leitungen von Krankenhäusern und von Einrichtungen für ambulantes Operieren sicherzustellen, dass die vom Robert Koch-Institut nach § 4 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b festgelegten nosokomialen Infektionen und das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen fortlaufend in einer gesonderten Niederschrift aufgezeichnet und bewertet werden. Aus diesen Daten sollen die Einrichtungen sachgerechte Schlussfolgerungen hinsichtlich erforderlicher Präventionsmaßnahmen ziehen und die erforderlichen Präventionsmaßnahmen dem Personal mitteilen, so dass diese umgesetzt werden können. Dem zuständigen Gesundheitsamt ist auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen zu gewähren. Eine Weiterleitung dieser Daten an Gesundheitsämter, Bezirksregierung und die Landesmeldestelle am LZG erfolgt nicht, vielmehr dienen diese Daten der Absicherung und ggf. Verbesserung des Infektionsschutzes vor Ort. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8400 3 2. Wie viele Todesfälle hat es (in den Jahren 2014, 2013 und 2012 in NordrheinWestfalen ) durch die Infektion mit multiresistenten Keimen gegeben? In der Todesursachenstatistik der Gesundheitsberichterstattung (MORTAdat 2015) des Landes NRW gibt es verschiedene Kategorien (sog. „IC-Kodierungen“) für Todesursachen, die auf bakterielle Infektionen zurückzuführen sind. Diese verschiedenen Infektionstypen (z.B. Atemwegsinfekte oder Blutvergiftungen) können durch unterschiedliche Erreger verursacht werden, die nicht immer eindeutig bestimmten (resistenten) Bakterientypen wie z.B. MRSA oder anderen MRE zuzuordnen sind. Aus diesem Grund ist es häufig schwierig, einzelne bakterielle Infektionen als Todesursache durch MRE-Infektionen in Krankenhäusern korrekt einzustufen. Bei Krankenhauspatienten und -patientinnen wird meist davon ausgegangen, dass diese im Todesfall an ihrer Grunderkrankung verstorben sind und dies wird dann entsprechend dokumentiert . Häufig bleibt nach Versterben daher unklar, ob eine MRE-Infektion todesursächlich gewesen ist. Aus den genannten Gründen ist es nicht möglich, anhand der Todesursachenstatistik eindeutige Zahlen zu an MRE-Infektionen Verstorbenen zu ermitteln. Im Übrigen sind Todesfälle durch MRE-Infektionen auch nach dem Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig. Todesfälle durch invasive MRSA-Infektionen sind nach dem Infektionsschutzgesetz ebenso nicht meldepflichtig, können aber im Zusammenhang mit Meldungen von MRSA Blut-/Liquor-Infektionen angegeben werden. Auch dann muss die Infektion jedoch nicht zwangsläufig die Todesursache sein. Aufgrund dieser bundesrechtlichen Rahmenbedingungen ist es daher nicht möglich, landesweite Zahlen zu Todesfällen, verursacht durch MRSA oder weitere nicht meldepflichtige Infektionen mit MRE anzugeben. 3. Hat die Landesregierung die Gesundheitsämter angewiesen, Krankenhäuser auf Hygienemängel zu kontrollieren? und 4. Wie viele unangemeldete Kontrollen wurden durch die Gesundheitsämter auf Wei- sung des Ministeriums durchgeführt? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet: Die Überwachung von Krankenhäusern in NRW ist Aufgabe der unteren Gesundheitsbehörden , die durch § 23 Absatz 6 des Infektionsschutzgesetzes in Verbindung mit § 17 Absatz 1 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen festgelegt ist und von den Gesundheitsämtern in eigener Verantwortung wahrgenommen wird. Per Erlass ist ein routinemäßiges Begehungsintervall von einem Jahr für Krankenhäuser (abgestuft nach Hygienerelevanz) festgelegt. Bei jeglichem aktuellen Verdacht kann das Gesundheitsamt auf der Basis des IfSG jederzeit eigeninitiativ vor Ort ermitteln. Eine gesonderte Anweisung ist nicht erforderlich. Bei einer Abfrage des Landeszentrums Gesundheit zur Begehungspraxis, die das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter im Jahr 2014 in Auftrag gegeben hat, haben 51 von 53 Gesundheitsämtern folgende Angaben zu Begehungen gemacht:  Begehungen routinemäßig: 51 von 51  Begehungen anlassbezogen: 48 von 51  Begehungen angemeldet: 51 von 51  Begehungen unangemeldet: 39 von 51 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8400 4 Routinemäßige Begehungen erfolgen in der Regel angemeldet (u.a. aus organisatorischen Gründen) und anlassbezogene Begehungen (z.B. bei Patientinnen- oder Patientenbeschwerden oder dem gehäuften Auftreten nosokomialer Infektionen) in der Regel unangemeldet . Sofern die Gesundheitsämter bei den Begehungen Mängel feststellten, wurden den betroffenen Krankenhäusern Fristen zu deren Behebung gesetzt und die Umsetzung u.a. durch unangemeldete Nachbesichtigungen überprüft.