LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8523 27.04.2015 Datum des Originals: 24.04.2015/Ausgegeben: 30.04.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3271 vom 30. März 2015 des Abgeordneten Frank Herrmann PIRATEN Drucksache 16/8320 Welchen Preis zahlt NRW für die Abschiebehaft in Büren? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3271 mit Schreiben vom 24. April 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mit Presseerklärung vom 26.11.2014 hat die Landesregierung mitgeteilt, dass sie plant, die ehemalige JVA Büren in eine „dem europäischen Recht entsprechende Einrichtung zur Unterbringung von Abschiebehäftlingen“ umzuwandeln. Laut schriftlichem Bericht des Ministers für Inneres und Kommunales für die Sitzung des Innenausschuss am 26. Februar 2015 hat die Landesregierung am 16. Dezember 2014 dazu einen Beschluss gefasst. Die ehemalige JVA Büren soll demnach „bis spätestens zum 31. März 2015 zum Zwecke des Betriebs einer speziellen Abschiebehafteinrichtung dem Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) zur Verfügung gestellt werden“. Darüber hinaus sei das MIK beauftragt, „im 1. Quartal 2015 ein Konzept zur künftigen Gestaltung des Abschiebehaftvollzuges in Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten und umzusetzen“. Vorbemerkung der Landesregierung Wie im Einführungstext der Kleinen Anfrage angesprochen, wird die frühere Justizvollzugsanstalt Büren seit Ende Januar 2015 nicht mehr für Zwecke des Strafvollzuges genutzt. Nach der Verlegung aller vormals dort einsitzenden Strafgefangenen und dem Abschluss der Räumungsarbeiten steht die Liegenschaft für die ausschließliche Nutzung als Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) zur Verfügung. Damit kann künftig dem Trennungsgebot zwischen Straf- und Abschiebungshaftvollzug aus der EU-Rückführungsrichtlinie LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8523 2 in Übereinstimmung mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung auch räumlich uneingeschränkt entsprochen werden. Eine Inbetriebnahme der UfA im Geschäftsbereich des Ministeriums für Inneres und Kommunales ist derzeit nicht möglich, weil sich das Gesetz über den Vollzug der Abschiebungshaft in Nordrhein-Westfalen (Abschiebungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen - AHaftVollzG NRW) noch in der parlamentarischen Beratung befindet (Entwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, LT-Drs. 16/7545). Das Gesetz enthält die Grundlage für ggf. erforderliche grundrechtsrelevante Eingriffe gegenüber in der UfA untergebrachten Personen. Das Ministerium für Inneres und Kommunales hat mit nachhaltiger Unterstützung insbesondere des Justizministeriums und der Bezirksregierung Detmold im 1. Quartal 2015 bereits umfangreiche konzeptionelle Vorarbeiten für die künftige Ausgestaltung der Abschiebungshaft in NRW geleistet. Dazu gehören die vorgesehene Einbindung der Einrichtung als Dezernat 29 in die Bezirksregierung Detmold, der Entwurf einer Unterbringungsordnung, die Schaffung einer Vielzahl organisatorischer, personalwirtschaftlicher und haushalterischer Grundlagen und nicht zuletzt Gespräche mit Vertreter(inne)n der kommunalen Spitzenverbände und anerkannter Hilfsorganisationen. 1. Welches sind nach Auffassung der Landesregierung die Vorgaben für die Aus- stattung und den Betrieb einer Abschiebehafteinrichtung, „die europäischen Maßstäben entspricht“1? Unionsrechtliche Vorgaben für den Abschiebungshaftvollzug ergeben sich im Wesentlichen aus Art. 16 und 17 der EU-Rückführungsrichtlinie. Hervorzuheben ist das Trennungsgebot in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie. Es wird ergänzt durch die Kontakterlaubnis mit Rechtsvertretern , Familienangehörigen und Konsularbehörden, die Berücksichtigung der Situation schutzbedürftiger Personen, die Gewährung medizinischer Notfallversorgung und unbedingt erforderlicher Krankheitsbehandlung, das Besuchsrecht für Mitarbeiter von im Flüchtlingsbereich tätigen Hilfsorganisationen und eine Informationspflicht gegenüber Abschiebungshäftlingen (Art. 16 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie). Diese Vorgaben werden vervollständigt durch die getrennte Unterbringung in Haft genommener Familien unter Gewährleistung angemessener Privatsphäre und Anforderungen an die Unterbringung (ggf. unbegleiteter) Minderjähriger in Art. 17 Abs. 2 bis 5 EU-Richtlinie. Adressaten der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter die Bundesrepublik Deutschland. Der Bundesgesetzgeber hat die Vorgaben der EURückführungsrichtlinie durch § 62a Aufenthaltsgesetz und § 4 Asylbewerberleistungsgesetz in innerstaatliches Recht umgesetzt. Sie wurden - abgesehen von einer völligen räumlichen Trennung zwischen Abschiebungs- und Strafhaft - bereits in der JVA Büren eingehalten. Diese unions- und bundesrechtlichen Maßstäbe werden selbstverständlich auch in der künftigen Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige beachtet. Baulicher Veränderungen bedarf es hierzu nicht. 1 Presseerklärung der Landesregierung vom 26.11.2014 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8523 3 2. Welche konkreten Umbaumaßnahmen plant die Landesregierung für den Umbau und die Ausstattung der JVA Büren hin zu einer Abschiebungshafteinrichtung? (Bitte aufschlüsseln nach Umbaumaßnahme und Kosten) Schon nach derzeitigem Stand erfüllt die Liegenschaft in Büren ohne Umbaumaßnahmen die rechtlichen Anforderungen an eine Abschiebungshafteinrichtung. Gleichwohl beabsichtigt das Ministerium für Inneres und Kommunales, im Sinne eines möglichst humanen Vollzuges bauliche Verbesserungen. Anlässlich der Inbetriebnahme der Einrichtung sind im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel ein Anstrich der Unterbringungszimmer und der Einbau zusätzlicher Schließzylinder in die vorhandenen Haftraumtüren vorgesehen, so dass die Untergebrachten ihre Zimmer abschließen und sich jederzeit ungestört in ihren Wohnbereich zurückziehen können (Öffnungsmöglichkeit nur für das Einrichtungspersonal). Die Kostenprognose für die zusätzlichen Schließzylinder beläuft sich auf 25.000 €. 3. Mit welchen Betriebskosten rechnet die Landesregierung? (Bitte aufschlüsseln nach Kostenarten, z. B. Personal, Unterhalt, Fremdkosten) 4. In welchen Haushaltstiteln sind die Kosten des Umbaus und die laufenden Be- triebskosten veranschlagt? (Bitte um Nennung der einzelnen Titel und Beträge) Die Fragen 3 und 4 werden zusammen beantwortet. Die Haushaltsmittel für die Liegenschaft in Büren und für den Bereich Abschiebehaft sind bislang im Einzelplan 04 - Justizministerium - veranschlagt. Sie werden gemäß § 50 Absatz 1 Satz 2 LHO im Vollzug des Haushalts 2015 anteilmäßig in den Einzelplan 03 - Ministerium für Inneres und Kommunales - Kapitel 03 310 - Fünf Bezirksregierungen - umgesetzt. Hierzu gehören insbesondere - die Miete an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (ca. 119.000 € mtl.) sowie die Ne- benkosten - und die bislang in Kapitel 04 410 - Justizvollzugseinrichtungen bei den Titeln 547 50 und 547 51 (Ansatz 2015: 3.493.300 € bzw. 138.600 €) veranschlagten Ausgaben für die Versorgung und Betreuung der Ausreisepflichtigen und für Sachverständige, Gerichts- und ähnliche, z. B. Dolmetscherkosten. Es ist vorgesehen, die Ausgabemittel für die vorgesehene Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige in Büren im Haushalt 2016 innerhalb des Kapitels 03 310 gesondert in einer Titelgruppe zu veranschlagen, so dass auf dieser Grundlage künftig eine Aufschlüsselung der Kosten erfolgen kann. Die Maßnahmen Anstrich der Unterbringungszimmer und Einbau der Schließzylinder werden im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel durchgeführt. 5. Wie sieht der Zeitplan des Umbaus der ehemaligen JVA Büren hin zu einer Ab- schiebehafteinrichtung aus? Für die konkrete Planung und Beauftragung von Umbaumaßnahmen müsste zunächst der Haushaltsgesetzgeber die entsprechenden Mittel bereitstellen. Sie waren im Einzelplan des JM nicht vorgesehen und können deshalb nicht Gegenstand der Umsetzung im Haushaltsvollzug sein.