LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8538 28.04.2015 Datum des Originals: 27.04.2015/Ausgegeben: 04.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3262 vom 25. März 2015 des Abgeordneten Kai Abruszat FDP Drucksache 16/8286 Mögliche Steuerausfälle der NRW-Kommunen in dreistelliger Millionenhöhe – was sagt die Landesregierung? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3262 mit Schreiben vom 27. April 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 25. März 2015 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines „Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags“ beschlossen . Sinn und Zweck dieses Vorhabens ist die finanzielle Entlastung und Unterstützung von Familien durch Anpassungen in der Steuergesetzgebung. Über die geplanten Maßnahmen hinaus fordert Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) laut dpa-Meldung vom 25.03.2015 eine stärkere Entlastung von Alleinerziehenden. Die verfassungsseitig gebotene Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags sowie des Kinderzuschlags ist zu begrüßen und insbesondere ein gutes Zeichen für junge Familien mit geringen Einkommen. Gleichwohl ist zu beachten, dass der Bund die Kosten für seine familienpolitischen Maßnahmen aufgrund der gegebenen föderalen Finanzbeziehungen nicht vollständig selbst tragen, sondern in erheblichem Umfang auf die kommunale Familie abwälzen wird. Die finanzielle Lage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen ist bekanntermaßen hochproblematisch . Im Landtag besteht fraktionsübergreifende Einigkeit darüber, dass die kommunale Familie dringend entlastet werden muss. Erst am 19.03.2015 hat die rot-grüne Landesregierung dem Landtag im Rahmen einer Unterrichtung mitgeteilt, dass die Große Koalition in Berlin dazu bereit ist, den Gemeinden und Gemeindeverbänden für die Jahre 2015 bis 2018 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8538 2 einmalig zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt fünf Milliarden Euro bundesweit zur Verfügung zu stellen. Nach Meldungen aus der kommunalen Familie würde das nun vom Bund geplante Gesetz nicht nur diese zeitlich befristete Entlastung verwässern, sondern dauerhaft zu erheblichen Steuerausfällen der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen führen. Vorsichtige Schätzungen gehen dabei von dauerhaften jährlichen Mindereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe aus. Betroffen wären sämtliche Kommunen nach Steuerstärke, unabhängig davon , ob sie aufgrund der bislang ungeklärten Verteilmechanismen zumindest von der bundesseitig geplanten Einmalhilfe in den Jahren 2015 bis 2018 profitieren, oder nicht. Vorbemerkungen der Landesregierung Mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags wird die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und des Kinderfreibetrags für die Jahre 2015 und 2016 entsprechend den Vorgaben des 10. Existenzminimumberichts sichergestellt. Zur Förderung der Familien, bei denen sich der Kinderfreibetrag nicht auswirkt, wird das Kindergeld in gleichem Verhältnis für 2015 und 2016 angehoben. Das Kindergeld muss nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 1996 mit der Anhebung der Freibeträge ebenfalls steigen und soll die Verbesserungen für die Familien, die nicht von den steuerlichen Freibeträgen profitieren, nachvollziehen. Darüber hinaus wird der Kinderzuschlag um einen Betrag von 20 Euro auf 160 Euro monatlich ab dem 1. Juli 2016 angehoben. 1. Welche jährlichen Steuermindereinnahmen haben die nordrhein-westfälischen Kommunen in Summe zu erwarten, wenn das vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz zur „Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags“ unverändert verabschiedet wird? 2. Welche Steuermindereinnahmen haben die nordrhein-westfälischen Kommunen in den Jahren 2015 bis 2018 insgesamt zu erwarten, wenn das vom Bundeskabinett beschlossene „Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages , des Kindergeldes und des Kinderzuschlags“ unverändert verabschiedet wird? Die Steuermindereinnahmen werden von Bund, Ländern und Gemeinden im Rahmen der finanzverfassungsrechtlich geregelten vertikalen Steuerverteilung getragen. Aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung ergeben sich für die Gebietskörperschaften insgesamt die nachfolgenden Mindereinnahmen für die Jahre 2015 bis 2018: Gebietskörperschaften Volle Jahreswirkung 1) Kassenjahr 2015 2016 2017 2018 Insgesamt -3.745 -1.665 -3.510 -3.745 -3.800 Bund -1.775 -743 -1.622 -1.773 -1.798 Länder -1.512 -681 -1.425 -1.514 -1.535 Gemeinden -458 -241 -463 -458 -467 1) Wirkung für einen vollen (Veranlagungs-)Zeitraum von 12 Monaten in Mio. Euro LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8538 3 Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltenen Maßnahmen betreffen neben der Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrages und des Kindergeldes auch Änderungen beim Kinderzuschlag sowie Folgewirkungen beim Unterhaltsvorschuss und den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Bei der horizontalen Steuerverteilung sind mehrere Verteilungsmechanismen betroffen. Der Einkommensteuer liegt das Prinzip des örtlichen Aufkommens zugrunde, die Lohnsteuer wird nach dem Wohnsitzprinzip zerlegt. Eine Zuordnung der Steuermindereinnahmen ist daher nur im Schätzungswege möglich. Hilfsweise kann hierfür auf das Steueraufkommen der Lohn- und Einkommensteuer im Jahr 2014 abgestellt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte daran einen Anteil von rd. 21,5 Prozent des bundesweiten Aufkommens. Bei Anwendung dieses Prozentsatzes auf die Mindereinnahmen der Länder und Kommunen in Deutschland ergäben sich für das Land NRW und seine Kommunen folgende Mindereinnahmen: NRW Kassenjahr (in Mio. Euro) 2015 2016 2017 2018 Mindereinnahmen Landeshaushalt -146 -306 -326 -330 Mindereinnahmen Kommunalhaushalt -52 -100 -98 -100 Die oben dargestellten Berechnungsergebnisse stellen mögliche Entwicklungen dar. 3. Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu ergreifen, um sich auf der Bundesebene für eine Kompensation der aus dem „Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags “ zu erwartenden Steuermindereinnahmen der Kommunen einzusetzen? 4. Welche Hilfsmaßnahmen gedenkt die rot-grüne Landesregierung selbst zu leis- ten, um den drohenden Einnahmeausfall der kommunalen Familie durch das vom Bundeskabinett beschlossene „Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages , des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags“ zu kompensieren? Die Anpassung der Freibeträge ist zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums verfassungsrechtlich geboten. Die sich daraus ergebenden Steuermindereinnahmen sind von allen Gebietskörperschaften im Rahmen der gesetzlich geregelten vertikalen Steuerverteilung zu tragen. Bislang war nicht bekannt, dass die FDP der Anhebung des Grundfreibetrags und der damit verbundenen steuerlichen Entlastung aller Einkommensteuerzahler kritisch gegenübersteht oder die geltende Zerlegung der Gemeinschaftssteuern auf Bund, Länder und Gemeinden in Frage stellt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8538 4 5. Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen des vom Bundeskabinett beschlossenen „Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages , des Kindergeldes und des Kinderzuschlags“ auf Kommunen, die einerseits von den möglichen Steuermindereinnahmen betroffen sind, gleichzeitig aber auch nicht von den in Aussicht gestellten Hilfszahlungen für die Jahre 2015 bis 2018 profitieren werden? Nach Auffassung der Landesregierung besteht kein Zusammenhang zwischen der verfassungsrechtlich gebotenen steuerrechtlichen Anpassung und der Investitionsinitiative des Bundes für finanzschwache Kommunen.