LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8539 28.04.2015 Datum des Originals: 28.04.2015/Ausgegeben: 04.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3282 vom 1. April 2015 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/8334 Verteilung der Mittel aus dem Gesundheitsfonds: Werden die Versicherten in Nordrhein -Westfalen benachteiligt? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 3282 mit Schreiben vom 28. April 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml hat eine Initiative angekündigt, um die Verteilung der Mittel aus dem Gesundheitsfonds neu zu regeln (Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 23. März 2015). Beabsichtigt ist ein Folgegutachten zu einer 2014 veröffentlichten Studie bzw. eine unabhängige Auswertung der Daten, die beim Bundesversicherungsamt (BVA) zwar vorliegen, aber nicht veröffentlicht werden. Auf dieser Grundlage soll ein Regionalfaktor für den Gesundheitsfonds eingeführt werden. Hintergrund ist, dass in Bayern wie auch in einigen anderen Bundesländern die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für die Versicherten im jeweiligen Bundesland nicht ausreichen , um die Leistungsausgaben für diese Versicherten zu decken. Nach dem 2014 veröffentlichten Gutachten hat sich in den ersten drei Jahren des Gesundheitsfonds eine Deckungslücke von rund 990 Millionen Euro für die Versicherten in Bayern entwickelt. Von der Umverteilung werden neben Bayern vor allem die Stadtstaaten Hamburg und Berlin, aber wohl auch Nordrhein-Westfalen benachteiligt. So soll nach internen Berechnungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung der negative Deckungsbeitrag je Versicherten in Nordrhein -Westfalen bei rund 20 Euro im Jahr liegen. Nach dem Morbi-RSA (morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich) wird bei der Verteilung der Mittel der Versorgungsbedarf für 80 ausgewählte schwere und chronische Erkrankungen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8539 2 berücksichtigt. Zurzeit werden etwa 200 Milliarden Euro im Jahr an die noch gut 120 gesetzlichen Krankenkassen ausgeschüttet. Die regionale Verteilungswirkung wird dabei von einer Reihe von Faktoren beeinflusst wie von der jeweiligen Versorgungs- und Kostenstruktur. So können regionale Differenzen in den Verdienst- und Preisniveaus zur unterschiedlichen Höhe der Gesundheitsausgaben beitragen. Dieser Faktor kann aber weder von den Krankenkassen aktiv gesteuert werden, noch wird er bei der Verteilung der Zuweisungen berücksichtigt . In der Konsequenz hat sich eine Schieflage der Finanzierung zwischen den Krankenkassen entwickelt. So können die AOK Plus und die AOK Sachsen-Anhalt trotz hoher durchschnittlicher Verwaltungskosten einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag von 0,3 Prozent anbieten, da sie für ihre Versicherten mit einem Schwerpunkt in den strukturschwachen Regionen Mitteldeutschlands entsprechend hohe Zuweisungen erhalten. Hingegen haben die AOK Rheinland /Hamburg wie auch große Ersatzkassen (Barmer GEK, DAK-Gesundheit, KKH) und eine Reihe von Betriebskrankenkassen ihren kassenindividuellen Zusatzbeitrag auf 0,9 Prozent festgesetzt. Vorbemerkung der Landesregierung Initiativen aus Bayern, durch eine stärkere Regionalisierung für die dortigen Versicherten Verbesserungen im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA) und bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erreichen, gibt es seit vielen Jahren. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits am 18. Juli 2005 - 2 BvF 2/01 - eine Verfassungsklage u.a. von Bayern gegen den RSA zurückgewiesen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss festgestellt, dass der Risikostrukturausgleich den sozialen Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kassenübergreifend und bundesweit verwirkliche. Derzeit sind neue Bemühungen Bayerns bekannt geworden, durch eine Regionalkomponente die unterschiedlichen Ausgabenniveaus im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) zu berücksichtigen. Allerdings widerspricht die damit einhergehende Berücksichtigung der tatsächlichen Ausgaben grundsätzlich den Prinzipien des RSA, der bewusst keinen Ausgabenausgleich darstellt, sondern prospektiv auf die im bundesweiten Durchschnitt von einem/einer Versicherten gleichen Alters und Geschlechts und ggf. einer der erfassten Krankheiten verursachten Kosten abstellt. Damit soll ausreichend Raum für Wirtschaftlichkeitsanreize beibehalten werden. 1. Wie schätzt die Landesregierung das Verhältnis zwischen den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für Versicherte in Nordrhein-Westfalen und den Ausgaben für die Gesundheitsversorgung dieser Versicherten ein (bitte mögliche Unterdeckung beziffern)? Valide Angaben dazu liegen nicht vor. 2. Wie bewertet die Landesregierung die regionale Verteilungswirkung des Morbi- RSA? 3. Wie bewertet die Landesregierung die angekündigte Initiative der bayerischen Gesundheitsministerin? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8539 3 4. Auf welche Weise wird sich Nordrhein-Westfalen an einer Studie bzw. einem Gutachten zur regionalen Verteilungswirkung des Morbi-RSA beteiligen? 5. Welche eigenen Initiativen beabsichtigt die Landesregierung hinsichtlich einer Veränderung der Mittelverteilung, wie zum Beispiel die Einführung eines Regionalfaktors ? Die Frage der Berücksichtigung regionaler Unterschiede ist bereits im Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 durch den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesversicherungsamt bewertet worden. Darin wird bestätigt, dass regionale Unterschiede im Risikostrukturausgleich als Determinanten der Ausgaben und der Deckungsbeiträge auf Individual- und Kassenebene eine wesentliche Rolle spielen. Allerdings zeigt die Analyse, dass eine Einbeziehung von Regionalfaktoren im Risikostrukturausgleich, die auf Ländergrenzen abstellt, aus wissenschaftlicher Sicht zu kurz greifen würde. Außerdem wird darin die Frage aufgeworfen , ob der Risikostrukturausgleich das richtige Instrument für die Berücksichtigung regionaler Unterschiede sei. Aus den Aussagen des Wissenschaftlichen Beirats ergibt sich auch, dass eine abschließende Bewertung oder gar Berechnung damit einhergehender regionaler Umverteilungsvolumina aktuell nicht fundiert möglich ist. Nordrhein-Westfalen wird sich jedoch an der von Bayern angekündigten ergänzenden Studie nicht beteiligen. Die Landesregierung hält es vielmehr für notwendig und zielführender, den Wissenschaftlichen Beirat mit einem gesonderten Gutachten zur Weiterentwicklung des Morbi-RSA zu beauftragen , in dem neben einer möglichen Berücksichtigung einer Regionalkomponente auch die Einbeziehung sozioökonomischer Faktoren (wie z.B. Arbeitslosenquoten) und eine Vervollständigung des Morbi-RSA über die rein politisch motivierte Begrenzung auf 80 Krankheiten hinaus geprüft werden sollen. Allerdings kann nur das Bundesministerium für Gesundheit oder das Bundesversicherungsamt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit den Beirat mit der Erstattung von Sondergutachten und Stellungnahmen beauftragen.