LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8578 30.04.2015 Datum des Originals: 30.04.2015/Ausgegeben: 06.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3254 vom 19. März 2015 des Abgeordneten Marcel Hafke FDP Drucksache 16/8258 Es zählen Köpfe, nicht (nur) Plätze – Wie sieht die reale Betreuungssituation für U3- Kinder in NRW aus? Die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport hat die Kleine Anfrage 3254 mit Schreiben vom 30. April 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Vor kurzem musste Familienministerin Schäfer zugeben, dass sie bei all ihren regelmäßig vorgetragenen Erfolgsmeldungen zum Ausbau des Betreuungsangebots stets auf „Plätze“ Bezug nimmt, also die von den kommunalen Jugendämtern gemeldeten Bedarfszahlen nennt (vgl. Rheinische Post vom 07.03.2015). Während die amtliche Statistik des Bundes tatsächlich „Köpfe“, also die real betreuten Kindern, zählt, spricht die Landesregierung stets nur von den angemeldeten Betreuungsplätzen und lässt damit die reale Betreuungssituation im Unklaren. Aus den bislang veröffentlichten Zahlen geht aber eine deutliche Diskrepanz zwischen den „Plätzen“ und den „Köpfen“ hervor – offenbar bleiben Betreuungsplätze in einem beträchtlichen Umfang unbesetzt. Diese Differenzen zwischen amtlicher Statistik und Kibiz-Planung zeigen sich insbesondere im U3-Bereich. Sowohl in der Antwort auf meine in der Sache gestellte Kleine Anfrage (LTDrs . 16/8165) als auch in der Fragestunde der Plenarsitzung am 18. März 2015 sah sich Familienministerin Schäfer nicht in der Lage, zur Klärung der offenen Fragen beizutragen und verwies auf unterschiedliche Stichtagsregelungen. Mit Blick auf die Zahl der Kinder unter drei Jahren mit Stichtag 1. März muss der Landesregierung jedoch sehr wohl ein Vergleichswert vorliegen: Für die sogenannte zusätzliche U3-Pauschale des Landes gilt mit dem 1. März der gleiche Stichtag wie in der amtlichen Statistik. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8578 2 Anhand der Anmeldung und der tatsächlichen Nutzung von U3-Pauschalen lässt sich ableiten , ob U3-Plätze in Kindertageseinrichtungen tatsächlich unbesetzt geblieben sind. Die unter anderem für die zusätzliche U3-Pauschale vorgesehenen Haushaltsmittel des Landes werden jedoch nicht vollumfänglich ausgeschöpft. Zur Klärung der Frage, wie viele U3-Kinder mit Stichtag zum 1. März in Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen tatsächlich betreut wurden, muss die Landesregierung die ihr bekannten Zahlen offenlegen. Darüber hinaus ist aufzuschlüsseln, in welcher Größenordnung die zusätzlichen U3-Pauschalen von der ursprünglichen Planung abgewichen sind. Vorbemerkung der Landesregierung Seit dem Kindergartenjahr 2013/2014 wird in Nordrhein-Westfalen – neben dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab drei Jahren – auch der Betreuungsanspruch der einund zweijährigen Kinder erfolgreich umgesetzt. Diese gute und „reale Betreuungssituation“ zeigt sich u.a. auch darin, dass die von vielen befürchtete Klagewelle ausgeblieben ist und Eltern regelmäßig vor Ort ein gutes Platzangebot erhalten ohne den Gerichtsweg beschreiten zu müssen. Bei 186 Jugendämtern ist dabei sicherlich auch von regionalen Unterschieden bei der Umsetzung des Angebotes auszugehen. Zu dieser erfreulichen Entwicklung hat das große finanzielle Engagement des Landes NRW und die gute Kooperation mit den Kommunen, den Kirchen und den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege beigetragen. Dieses Engagement war notwendig, weil die schwarz-gelbe Vorgängerregierung keine Vorsorge seitens des Landes für die weiteren dringend erforderlichen Investitionen in den Bau von Kindertageseinrichtungen vorgesehen hatte. Von Anfang an hat die Landesregierung den 2010 eingeleiteten Prozess in der Öffentlichkeit transparent dargestellt und kontinuierlich über den Fortgang der Entwicklungen bei der Schaffung eines bedarfsgerechten Platzangebotes informiert. Dabei wurde immer – zuletzt in der Presseinformation vom 13. April 2015 – darauf hingewiesen, dass ein bedarfsgerechtes Platzangebot, wie es auch gesetzlich vorgesehen ist, sinnvollerweise nur vor Ort geplant und geschaffen werden kann. Das 2008 in Kraft getretene und mittlerweile in wichtigen Bereichen einer Revision unterzogene Kinderbildungsgesetz hat die örtliche Jugendhilfe diesbezüglich noch einmal deutlich gestärkt. Neben dem quantitativen Ausbau hat die Landesregierung mit der Revision des KiBiz auch den qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuungsangebote verbessert. So werden seit dem Kindergartenjahr 2011/2012 zusätzliche Landesmittel für zusätzliches Personal zur Betreuung unterdreijähriger Kinder zur Verfügung gestellt. Diese Mittel sollen insbesondere den Einrichtungen zu Gute kommen, die Kinder betreuen, die den größten Teil des Jahres tatsächlich unter drei Jahren sind und sind gekoppelt an zusätzlichen Personaleinsatz. 1. Für wie viele Kinder wurden seit dem Kindergartenjahr 2011/12 U3-Pauschalen beantragt (bitte nach Kindergartenjahren beginnend mit 2011/12 sowie Jugendamtsbezirken aufschlüsseln)? Die Entwicklung der in den Kindergartenjahren 2011/2012 bis 2014/2015 beantragten zusätzlichen U3-Pauschalen ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8578 3 Beantragte zusätzliche U3-Pauschalen nach KiBiz.web, Kindergartenjahr Anzahl beantragter U3- Pauschalen Betrag beantragter U3-Pauschalen 2011/2012 49.102 98.031.398 € 2012/2013 59.431 118.912.200 € 2013/2014 74.057 147.587.000 € 2014/2015 1 (71.833) (143.015.800) € 1 vorläufiger Zwischenstand, da nach § 1 Abs. 6 DVO KiBiz noch Nachmeldungen am 31.07.2015 möglich sind 2. Für wie viele Kinder wurden unter Berücksichtigung der Endabrechnung nach aktuellem Stand U3-Pauschalen tatsächlich gezahlt (bitte nach Kindergartenjahren beginnend mit 2011/12 sowie Jugendamtsbezirken aufschlüsseln)? 3. In welcher Größenordnung sind U3-Pauschalen nach aktuellem Stand von der ursprünglichen Planung der letzten fünf Jahre abgewichen (bitte nach Kindergartenjahren beginnend mit 2009/10, Jugendamtsbezirken, Differenz der tatsächlich betreuten Kinder im Vergleich zu den angemeldeten U3-Kindern gemäß des Stichtags am 1. März, relativer Höhe sowie absoluter Höhe aufschlüsseln)? In den Haushaltsjahren 2013 und 2014 sind nach Mitteilungen der Landesjugendämter folgende Mittel, die im jeweiligen Vorjahr für zusätzliche U3-Pauschalen zur Verfügung gestellt worden sind, zurückgeflossen: Rückflüsse aus zusätzlichen U3-Pauschalen Haushaltsjahr Betrag prozentualer Anteil des bereitgestellten Betrages 2013 1.785.688 € 1,5% 2014 1.891.379 € 1,3% Im Haushaltsjahr 2012 konnten systembedingt keine Rückflüsse erfolgen, da deren Höhe erst mit der Endabrechnung des Kindergartenjahres 2011/2012 festgestellt werden konnte. Aus den Rückflüssen kann nicht auf die Anzahl der betroffenen Kinder geschlossen werden, da unterschiedliche Gründe für die Rückforderung von Landesmitteln bestehen. Zum einen sind Mittel aus der zusätzlichen U3-Pauschale zu erstatten, die nicht für zusätzliches Personal ausgegeben worden sind. Darüber hinaus können Verschiebungen in den Betreuungszeiten , die erst im Rahmen der Endabrechnung erkennbar werden, dazu führen, dass Mittel zu erstatten sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8578 4 4. Welche Jugendamtsbezirke haben Abweichungen bei den U3-Pauschalen noch nicht der Landesregierung gemeldet (bitte nach Kindergartenjahren beginnend mit 2011/12 sowie Jugendamtsbezirken aufschlüsseln)? Nach vorangegangenen Bemühungen sind zuletzt mit Erlassen vom 04.12.2014 folgende Jugendämter unter Hinweis auf § 21 Abs. 11 KiBiz zur Vorlage der Endabrechnungen für die Kindergartenjahre 2011/2012 und 2012/2013 aufgefordert worden: Kindergartenjahr 2011/2012  Jugendamt Rheinberg  Jugendamt Gevelsberg  Jugendamt Sprockhövel Kindergartenjahr 2012/2013  Jugendamt Düsseldorf  Jugendamt Münster  Jugendamt Ahaus  Jugendamt Greven  Jugendamt Ibbenbüren  Jugendamt Bad Oeynhausen  Jugendamt Porta Westfalica  Jugendamt Gevelsberg  Jugendamt Witten  Jugendamt Sprockhövel Für das Kindergartenjahr 2011/2012 liegen den Landesjugendämtern nunmehr alle Endabrechnungen vor. Für das Kindergartenjahr 2012/2013 sind zwischenzeitlich alle Endabrechnungen vorgelegt worden. Die Endabrechnungen der Jugendämter Düsseldorf, Essen und Köln konnten noch nicht abschließend festgestellt werden, da Fehlerkorrekturen durch die Jugendämter vorzunehmen sind. Für das Kindergartenjahr 2013/2014 liegen die Endabrechnungen folgender Jugendämter noch nicht vor:  Jugendamt Düsseldorf  Jugendamt Essen  Jugendamt Rheinberg  Jugendamt Bad Honnef  Jugendamt Gladbeck  Jugendamt Kreis Lippe  Jugendamt Bochum  Jugendamt Gevelsberg Die Prüfung der vorliegenden Endabrechnungen konnte wegen der Notwendigkeit von Fehlerkorrekturen noch nicht vollständig abgeschlossen werden.