LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8603 06.05.2015 Datum des Originals: 06.05.2015/Ausgegeben: 11.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3302 vom 15. April 2015 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/8389 Für wie viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist die Schulpflicht ausgesetzt ? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3302 mit Schreiben vom 6. Mai 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ein wichtiger Aspekt, vor dem Experten im Zuge der Umsetzung der Inklusion bei der Schließung einer großen Zahl von Förderschulen und einer Fixierung auf eine „Inklusionsquote “ gewarnt haben, ist das Ruhen bzw. letztliche Aussetzen der Schulpflicht betroffener Schülerinnen und Schüler. In Nordrhein-Westfalen heißt es in § 40 SchulG z.B.: „(2) Für Kinder und Jugendliche, die selbst nach Ausschöpfen aller Möglichkeiten sonderpädagogischer Förderung nicht gefördert werden können, ruht die Schulpflicht. Die Entscheidung trifft die Schulaufsichtsbehörde; sie holt dazu ein Gutachten der unteren Gesundheitsbehörde ein und hört die Eltern an.“ Von Experten wird für manche europäische Länder kritisiert, dass dort zwar die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen sehr hoch sei; aufgrund fehlender alternativer Möglichkeiten von Wahlangeboten spezialisierter Förderschulen seien z.B. aber in diesen hohen Quoten bisweilen nicht die Zahl der jungen Menschen enthalten, deren Schulpflicht ruhe bzw. de facto ausgesetzt sei. Inklusion soll mehr Teilhabe ermöglichen. Würde das radikale Schließen von Förderschulen als Wahlangebot dazu führen, dass eine steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen gar nicht mehr beschult werden, käme dies letztlich der Pervertierung des Inklusionsgedankens gleich. In diesem Zusammenhang hat Rot-Grün im Entschließungsantrag zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz eine Passage zur Schulpflicht aufgenommen. Hier- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8603 2 in wurde erklärt, dass die Landesregierung gebeten wird, diesen Aspekt in ihren Bericht über die Auswirkungen des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes aufzunehmen und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen bzw. vorzuschlagen. Gegebenenfalls bis Ende bis 2018 zu warten , kann aber bedeuten, dass hier bereits irreparable Schäden für junge Menschen entstanden sein können. Obwohl die Landesregierung in der Vergangenheit auf Nachfrage keine Zahl von Kindern und Jugendlichen angeben und erstaunlicherweise angeblich „keinen Zusammenhang zwischen dem Ruhen der Schulpflicht und der Umsetzung der Inklusion erkennen“ konnte und es daher aus Sicht der Landesregierung keiner Maßnahmen bedurfte, muss die Landesregierung in dieser wichtigen Frage in die Pflicht genommen werden (Drucksache 16/6540). Die damalige Aussage, dass landesweite statistische Daten nicht vorlägen und es „nur um wenige Fälle gehen“ könne, ist vollkommen unbefriedigend. Da die Diskussion zu dieser Frage eine wichtige Rolle im Gesetzgebungsverfahren gespielt hat, muss eigentlich vorausgesetzt werden, dass die Landesregierung im Vergleich zur damaligen Antwort auf die Kleine Anfrage nachgearbeitet hat. Die Landesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht geworden sein und eine entsprechende Erhebung für ein Ruhen der Schulpflicht aus genannten Gründen vor Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes durchgeführt haben. Auch wenn das 9. Schulrechtsänderungsgesetz erst zum laufenden Schuljahr in Kraft getreten ist und gerade in diesem wichtigen Feld die Entwicklungen mittelfristig beobachtet werden müssen , ist es wichtig zu erfahren, welche Zahlen der Landesregierung für ein Ruhen der Schulpflicht im laufenden Schuljahr vorliegen. 1. Für wie viele Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat im Schuljahr vor dem Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes die Schulpflicht geruht? 2. Um welche sonderpädagogischen Förderschwerpunkte hat es sich jeweils auf- geschlüsselt in absoluten Zahlen bei der in Frage 1 erfragten Anzahl gehandelt? 3. Für wie viele Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ruht im Schuljahr nach dem Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes zum letztmöglich bekannten Zeitpunkt die Schulpflicht? 4. Um welche sonderpädagogischen Förderschwerpunkte handelt es sich jeweils aufgeschlüsselt in absoluten Zahlen bei der in Frage 3 erfragten Anzahl? Die Landesregierung verweist auf ihre Antworten zu den Fragen 1 bis 3 in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 2507 (LT-Drs. 16/6540). Die Landesregierung beabsichtigt nicht, die Zahl der Schülerinnen und Schüler, bei denen die Schulpflicht gemäß § 40 Absatz 2 des Schulgesetzes ruht, regelmäßig statistisch in den Amtlichen Schuldaten zu erfassen. Eine solche Erhebung stünde in keinem vertretbaren Verhältnis zum Aufwand. Der Landesregierung liegen keine Anhaltspunkte für einen Anstieg der Fallzahlen seit dem Inkrafttreten des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8603 3 5. Nachdem gegenwärtig bei den Förderschulen eine Schließungswelle durch die Kommunen rollt: Mit welchen Maßnahmen will die Landesregierung sicherstellen , dass bei Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf , die zukünftig nicht in allgemeinen Schulen beschult werden können und für die erreichbare Förderschulangebote fehlen, eine Beschulung erfolgt und damit die Schulpflicht nicht ruht? Die Frage stellt einen Zusammenhang zwischen schulorganisatorischen Entscheidungen der Schulträger zur Sicherung eines geordneten Schulbetriebs an Förderschulen und dem Ruhen der Schulpflicht in den Fällen des § 40 Absatz 2 des Schulgesetzes her. Dieser besteht nicht, denn das Ruhen der Schulpflicht hängt von Voraussetzungen ab, die in der Person einer Schülerin oder eines Schülers begründet sind. Im Übrigen wird es sich beim Ruhen der Schulpflicht um Fälle handeln, bei denen selbst eine intensivpädagogische Förderung bei Schwerbehinderung nicht möglich ist. Diese intensivpädagogische Förderung wird in Förderschulen mit Förderschwerpunkten erbracht, deren Bestand aufgrund der prognostizierten Schülerzahlen und der Vorgaben in der Verordnung über die Mindestgrößen der Förderschulen und der Schulen für Kranke ungefährdet ist.