LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8606 07.05.2015 Datum des Originals: 06.05.2015/Ausgegeben: 12.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3292 vom 7. April 2015 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/8351 Interessante Steuereinnahmeprognosen des nordrhein-westfälischen Finanzministers – Warum weichen zentrale Annahmen zur Marktentwicklung grundlegend von denen in vergleichbaren anderen Bundesländern ab? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3292 mit Schreiben vom 6. Mai 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits im Juni 2011 hat eine Mehrheit aus SPD, Grünen und Linkspartei im nordrheinwestfälischen Landtag beschlossen, die Grunderwerbsteuer zum 1. Oktober 2011 von alt 3,5% um 1,5 Prozentpunkte (also 43%) auf den dann neuen Satz von 5% des Kaufpreises von Grundstücken und Immobilien zu erhöhen. Dieser Steuersatz ist dann bekanntlich im Dezember 2014 von SPD und Grünen erneut um weitere 1,5 Prozentpunkte (also weitere 30%) angehoben worden und hat damit innerhalb von nur etwas über drei Jahren fast eine Verdoppelung erfahren. Kein anderes Bundesland hat deutschlandweit höhere Steuersätze bei der Grunderwerbsteuer, die allermeisten sehen aber niedrigere Belastungen vor. Die negativen Auswirkungen durch die drastische Erhöhung der Grunderwerbsteuer treffen die breite Gesellschaft im Land, besonders verheerend sind jedoch die Auswirkungen für junge Familien. Diesen erschwert sie den Erwerb von Wohneigentum für die persönliche Nutzung. Jedoch gibt es nicht nur die direkte Auswirkung von steigenden Kaufpreisen durch hohe Grunderwerbsteuersätze, sondern auch indirekte Folgen. Logischerweise führen die durch höhere Steuersätze steigenden Kaufpreise in der Konsequenz zu höheren Mieten. Steigende Preise und Mieten für Wohnung und Häuser treffen alle Bevölkerungsgruppen hart und sind für eine nachhaltige Politik im Land Nordrhein-Westfalen nicht akzeptabel. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8606 2 Zugleich ist der nordrhein-westfälische Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans fest davon überzeugt, dass sich aufgrund der Alternativlosigkeit zur Bedarfsdeckung des Wohnens als menschlichem Existenzbedürfnis die Anzahl der Transaktionen infolge der Steuererhöhung nicht verändert. Ausweislich LT-DS 16/7886 führt er dazu wörtlich aus: „Die Landesregierung geht nicht davon aus, dass es infolge der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Erhöhung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer zu negativen Auswirkungen auf die Anzahl der Verkaufsvorgänge kommt.“ Das Steueraufkommen als absoluter Betrag hängt sachlogisch vom Transaktionsvolumen, also von zwei Variablen ab: Der Anzahl der Transaktionen und dem Transaktionswert. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) beurteilt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung laut seiner aktuellen Internetpräsenz wie folgt: „Die deutsche Immobilienwirtschaft profitiert insgesamt von günstigen Refinanzierungsbedingungen , einer guten Wirtschaftslage, einem robusten Arbeitsmarkt und steigendem Investoreninteresse . Die geopolitischen Risiken, die Unsicherheiten im Euro-Raum und die veränderte Regulierung für Banken und Versicherungen wirken sich auf die Immobilienwirtschaft allenfalls in geringem Maße aus. Einige staatliche Regulierungen sowie Steuern und Abgaben trüben allerdings die guten Gesamtaussichten. Dazu gehören nicht zuletzt die Einführung der Mietpreisbremse und die weiter steigenden Belastungen von Grundvermögen durch Grunderwerb- und Grundsteuern. Die von der Bundesregierung beabsichtigte Stärkung der Investitionstätigkeit könnte sich dagegen in Verbindung mit weiterhin niedrigen Zinsen positiv für die Immobilienwirtschaft auswirken.“ Von den Haushaltsplanungen der anderen Bundesländer sind nachfolgende Prognosen zur Entwicklung des Grunderwerbsteueraufkommens bekannt: Grunderwerbsteuerprognose im Bundesländervergleich für die Jahre 2014 und 2015 Bundesland Steuersatz zum 1.1.2015 Steuersatzveränderung zum 1.1.2015 Steuerprognose 2014 (Mio. Euro) Steuerprognose 2015 (Mio. Euro) Änderung 2014/2015 (Mio. Euro) NordrheinWestfalen 6,5% +1,5 % 1.919 1.943 alt* 2.343 neu + 24 alt* + 424 neu SchleswigHolstein 6,5% – 437,5 451,1 + 13,6 BadenWürttemberg 5% – 1.330 1.385 + 55 Niedersachsen 5% – 742 739 - 3 Rheinland-Pfalz 5% – 378,6 383,3 + 4,7 Bayern 3,5% – 1.400,0 1.461,0 + 61,0 Quelle: http://www.haushaltssteuerung.de/landeshaushalte.html; * = bei altem Steuersatz 5,0% LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8606 3 Die Haushaltsplanungen zeigen: Vor der erfolgten Steuererhöhung hat der Finanzminister selbst mit einem moderaten Anstieg der Grunderwerbsteuereinnahmen gerechnet, konkret um 24 Mio. Euro. Diese Prognose bei der ursprünglichen Haushaltsaufstellung entspricht den Annahmen der anderen Flächenländer, die ohne eine Steuererhöhung ebenso von einer Konstanz bis zu einem moderaten Einnahmewachstum ausgehen. Wenn die Annahme von Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans zutrifft und der erhöhte Steuersatz keine Auswirkungen auf die Transaktionsvolumina hat, wäre die angenommene Steuereinnahme rein sachlogisch einfach mit dem um 30% höheren Steuersatz zu belegen. Es würde sich dadurch eine Steuerprognose von 2,526 Mrd. Euro ergeben (1,3 x 1,943 Mrd. Euro). Unverändert gibt es keine plausible Erklärung dafür, wie sich die fehlende Lücke von 183 Mio. Euro an zu erwartender Grunderwerbsteuereinnahmen rechnerisch ergeben soll. Auch wenn sich in den kommenden Jahren infolge der Steuererhöhung die Transaktionen von Grundstücken und Gebäuden verringern sollten, dürfte dieser Effekt in der Tat im Jahr 2015 noch kompensiert werden: Durch die steuerinduzierten zahlreichen Last-Minute-Käufe unmittelbar vor dem 31. Dezember 2014 dürften im ersten Quartal 2015 überproportional viele Grunderwerbsteuerbescheide ergangen bzw. deren Begleichung fällig geworden sein. Dieser Tatbestand liefert also ebenfalls keinerlei Plausibilität für die bundesweit einmaligen Erwartungen dieser nordrhein-westfälischen Landesregierung zum Zusammenbruch des heimischen Wohnungsmarktes. Der Finanzminister sollte dem Parlament daher endlich nachvollziehbar und mit präzisen Berechnungen darlegen, warum sich gerade in Nordrhein-Westfalen die Entwicklungen auf dem Grundstücks- und Immobilienmarkt grundlegend von den angenommenen Szenarien der anderen Bundesländer unterscheiden. 1. Wie lautet nun für das Kalenderjahr 2014 das tatsächlich erzielte Grunderwerb- steueraufkommen für jedes Veranlagungsfinanzamt, das der Finanzminister landesweit in der Summe mit 1.918.187.587 Euro beziffert? (Fortschreibung der Spalte 6 von Vorlage 16/2546 mit den vollständigen Jahreswerten erbeten) Die Antwort ist der Anlage zu entnehmen. 2. Wie viele Grunderwerbsteuerbescheide sind von der Finanzverwaltung in Nord- rhein-Westfalen landesweit in den letzten sechs Quartalen ergangen? (Fallzahlen für Q4/2013, jeweils Q1-Q4/2014 und Q1/2015 erbeten, falls möglich nur Erstbescheide , also idealerweise keine Folge- oder Korrekturbescheide für bereits bekannte Sachverhalte, sonst Gesamtzahl bei ggf. nicht möglicher Differenzierung) Im Zeitraum 4. Quartal 2013 bis 4. Quartal 2014 ist jeweils folgende Gesamtzahl an Grunderwerbsteuerbescheiden ergangen: Q4/2013: 330.977 Q1/2014: 86.596 Q2/2014: 167.746 Q3/2014: 251.808 Q4/2014: 334.460 Für das 1. Quartal 2015 liegen noch keine Daten vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8606 4 Bei den Fallzahlen handelt es sich um die Gesamtzahl der zum jeweiligen Stichtag (jeweils gerechnet ab dem 01.01. des Kalenderjahres) durchgeführten Erledigungen im Bereich der Grunderwerbsteuer. Diese umfassen neben den endgültigen, vorläufigen und unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Festsetzungen auch die endgültig nicht steuerbaren und die steuerfrei gestellten Fälle. In den steuerfrei gestellten Fällen sind auch die Flurbereinigungen enthalten. 3. Welche konkreten Erkenntnisse liegen der Landesregierung zum nordrhein- westfälischen Immobilienmarkt und der hiesigen Baukonjunktur vor, die eine so grundlegende sachliche Abweichung von den Steuereinnahmeprognosen anderer Bundesländer rechtfertigen? Entgegen der Darstellung in der Kleinen Anfrage geht die Landesregierung keineswegs von einem Zusammenbruch des Immobilienmarktes in Nordrhein-Westfalen aus. In Anbetracht des Soll-Ansatzes bei den Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer im Haushaltsplan 2015 kann hiervon keine Rede sein. Dem Einnahmenansatz i.H.v. 2.343 Mio. Euro liegt eine fundierte Prognose zugrunde. Insoweit wird auf die in der Antwort zu Frage 2 der Kleinen Anfrage 3023 (LT-Drs. 16/7886) dargelegten Überlegungen Bezug genommen. 4. Mit welchem bisherigen Erfolg hat die Landesregierung gemäß Beschlussfas- sung des Landtags zu LT-DS 16/7610 eine Bundesratsinitiative zwecks Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes gestartet oder im Einzelnen mit diesbzgl. Aktivitäten vorbereitet? Nach umfassenden Erörterungen mit anderen Ländern ist eine Bundesratsinitiative derzeit nicht Erfolg versprechend. 5. Wird die Landesregierung eine Initiative zur Absenkung des Grunderwerbsteuer- satzes in Angriff nehmen, sobald sich nach Jahresende 2015 beim erzielten Steueraufkommen deutliche Mehrerträge ergeben, die über die angestrebten 400 Mio. Euro Mehreinnahmen hinausgehen? Nein. (in tausend Euro und gerundet) Finanzämter * 2010 2011 2012 2013 2014 Aachen-Stadt 29.383 23.105 28.435 30.043 32.728 Aachen-Kreis 15.027 22.383 23.568 25.107 Ahaus 9.238 9.960 11.685 13.670 11.883 Altena 2.743 3.828 4.934 4.794 6.364 Arnsberg 4.062 4.801 5.382 6.186 6.863 Beckum 6.641 8.580 9.356 10.287 11.878 Bergheim 14.134 16.043 20.559 29.189 25.547 Bergisch-Gladbach 15.387 15.880 21.888 24.222 25.945 Bielefeld-Innenstadt 8.734 13.545 13.435 15.155 16.616 Bielefeld-Außenstadt 6.873 10.002 12.459 13.807 15.739 Bochum-Mitte 15.358 15.270 10.555 13.671 9.911 Bochum-Süd 9.892 8.866 10.155 11.887 13.351 Bonn-Innenstadt 0 0 26.297 19.577 40.769 Bonn-Außenstadt 29.182 37.599 30.778 26.741 26.581 Borken 9.804 14.278 13.151 18.824 16.397 Bottropp 6.591 5.981 7.557 5.448 7.976 Brilon 3.037 4.080 4.980 5.286 5.775 Bünde 3.995 4.265 6.277 7.522 7.426 Brühl 23.646 22.419 33.715 25.638 30.344 Coesfeld 6.243 7.240 8.405 10.298 11.838 Detmold 9.496 13.104 16.858 17.740 19.546 Dinslaken 9.367 7.075 8.453 8.696 9.498 Dortmund-Unna 11.181 11.579 19.510 19.016 19.565 Dortmund-Ost 28.611 43.533 41.665 60.183 47.749 Duisburg-Hamborn 0 0 0 0 9.406 Duisburg-Süd 0 0 0 0 17.253 Duisburg-West 21.994 19.818 29.732 33.077 25.069 Düren 8.846 9.004 14.812 17.564 15.291 Düsseldorf-Mettmann 10.821 16.617 17.845 18.656 26.386 Düsseldorf-Süd 93.236 106.847 134.461 155.651 190.940 Erkelenz 6.420 7.504 8.955 9.727 9.925 Essen-Nord/Ost 16.444 23.878 24.473 20.699 27.791 Essen-Süd 21.668 21.846 32.789 36.652 39.655 Euskirchen 6.224 7.507 8.248 9.069 10.160 Geldern 6.772 7.578 8.748 10.191 11.302 Geilenkirchen 6.263 7.989 9.347 10.972 10.876 Gelsenkirchen-Süd 10.515 10797 11.917 10.651 20.736 Grevenbroich 5.589 12.153 17.515 25.005 23.110 Gummersbach 7.979 10.361 11.745 13.018 14.209 Gütersloh 9.194 11.916 16.267 14.927 20.764 Hagen 6.659 11431 9.737 13.640 11.046 Hamm 12.971 12904 15.247 17.891 20.077 Hattingen 5.761 5.609 5.746 5.685 6.514 Aufkommen Grunderwerbsteuer der Jahre 2010 bis 2014 1 Herford 4.405 6.409 8.454 7.462 8.692 Herne-Ost 5.538 8.005 6.456 8.585 Herne-West 6.498 0 0 0 0 Hilden 16.369 17.777 20.409 22.326 27.661 Höxter 2.254 3.534 3.535 4.100 4.309 Ibbenbüren 8.922 10.952 12.154 15.277 17.632 Iserlohn 6.531 8.692 11.157 10.994 12.346 Jülich 3.875 3.909 5.599 5.990 5.149 Kempen 7.135 7.384 9.893 11.348 9.866 Kleve 14.171 12.909 15.585 15.697 17.019 Krefeld 16.076 17.804 26.468 26.777 30.558 Köln-Altstadt 119.191 123.878 167.336 175.937 212.765 Lemgo 2.743 2.886 4.375 5.136 4.855 Leverkusen 12.505 17.067 20.319 24.013 23.145 Lippstadt 6.945 6.294 8.624 10.840 10.629 Lübbecke 3.008 3.563 5.329 5.519 6.258 Lüdenscheid 5.656 7.372 8.272 9.300 10.298 Lüdinghausen 6.541 7.918 10.009 10.628 11.418 Marl 15.273 16.079 21.559 20.653 25.581 Meschede 2.180 3.463 3.682 3.721 4.011 Minden 6.943 8.896 11.169 13.667 14.575 Moers 14.581 14.883 18.695 19.368 19.896 Mönchengladbach 12.603 15.976 22.459 23.074 24.071 Mülheim a.d.Ruhr 10.195 13.616 18.374 15.213 18.114 Münster-Außenstadt 27.024 39.769 35.576 48.134 28.765 Münster-Innenstadt 0 0 0 0 19.395 Neuss 15.868 26.084 32.902 36.235 43.185 Neuss I 10.648 0 0 0 0 Oberhausen-Süd 9.142 9.535 14.816 10.262 16.805 Olpe 4.889 6.320 7.403 8.432 8.405 Paderborn 12.845 14.505 23.359 24.718 22.787 Recklinghausen 14.673 17.529 15.392 15.782 19.375 Remscheid 4.215 6.494 7.205 9.544 14.747 Sankt Augustin 20.056 23.492 29.851 33.041 36.302 Schleiden 3.986 4.284 5.469 4.642 6.416 Schwelm 3.927 5.498 6.154 8.734 7.004 Siegburg 18.532 21.125 31.077 33.028 34.954 Siegen 11.251 12.787 17.865 19.262 19.996 Soest 8.184 7.918 11.572 12.330 12.437 Solingen 7.770 11.469 13.418 17.272 14.763 Steinfurt 9.048 11.049 14.834 15.695 18.649 Velbert 7.247 8.890 11.000 11.164 11.382 Viersen 10.539 11.456 15.286 17.107 16.703 Warburg 857 1.481 1.879 1.265 1.846 Warendorf 4.508 5.851 7.658 8.397 10.375 Wesel 5.498 10.999 8.876 7.832 8.529 Wiedenbrück 6.218 8.729 9.774 11.037 11.791 Wipperfürth 3.950 4.552 5.162 6.903 6.214 Witten 6.962 8.386 10.179 11.333 10.567 Wuppertal-Barmen 2.789 11.488 9.628 15.602 16.304 2 Wuppertal-Elberfeld 13.157 13.898 13.230 17.537 17.157 Summe 1.069.337 1.260.206 1.567.482 1.713.307 1.918.188 * Die nicht aufgeführten Finanzämter haben wegen Zentralisierungen keine Grunderwerbsteuerstellen. 3