LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8739 20.05.2015 Datum des Originals: 20.05.2015/Ausgegeben: 26.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3343 vom 22. April 2015 des Abgeordneten Thomas Nückel FDP Drucksache 16/8492 Nächster Blitzmarathon trotz Personalknappheit bei der Recklinghausener Polizei – Wie sehen Personaleinsatz und Erfolge der neuerlichen PR-Aktion des Innenministers konkret im Gebiet des Kreises Recklinghausen aus? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3343 mit Schreiben vom 20. Mai 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Der sogenannte Blitzmarathon ist eine von dieser Landesregierung beauftragte polizeiliche Aktion zur Bekämpfung der Hauptunfallursache "überhöhte Geschwindigkeit" auf unseren Straßen. Die Premiere von Blitzmarathon-Aktionen fand am 10. Februar 2012 landesweit in Nordrhein-Westfalen statt. Innenminister Ralf Jäger hat die Aktion seinerzeit initiiert und als Teil der im November 2011 gestarteten Kampagne ‚Brems Dich – rette Leben!’ der Polizei gegen die Anzahl von Geschwindigkeitsunfällen begründet. Es folgten 24-StundenBlitzmarathons bereits am 3. Juli 2012, am 24. Oktober 2012, am 4. Juni 2013 sowie am 10. Oktober 2013, am 8. April 2014, am 18. September 2014 und nun zum achten Mal am 16. April 2015. Anders als Innenminister Jäger bezweifelt die FDP-Landtagsfraktion die nachhaltigen Erfolge landesweit, aber auch für den Kreis Recklinghausen, und hält unverändert an der Kritik fest, dass der überdimensionierte Einsatz wertvoller Polizeiressourcen für angekündigte Tempokontrollen in keinem vertretbaren Verhältnis zu deren Nutzen steht. Seit einiger Zeit sind die Bürger zudem aufgefordert, ‚Wutpunkte´ für Stellen zu vergeben und zu melden, an denen sie sich über andere Verkehrsteilnehmer ärgern. An diesen Stellen wurde im Rahmen des Blitzmarathons dann schwerpunktmäßig kontrolliert. Diese Aufrufe an die allgemeine Bevölkerung, ‚Wutpunkte´ zu benennen, stimmt befremdlich und befördert LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8739 2 eine bedenkliche Kultur des Denunziantentums unter Nachbarn. Fraglich ist hingegen, wann vergleichbare ‚Wutpunkte‘ benannt werden sollen zu Örtlichkeiten, die beispielsweise von Vandalismus, Graffiti-Schmierereien oder anderen Straftaten besonders betroffen sind und dann eine schwerpunktmäßige polizeiliche Präsenz erfahren. Zielsetzung von sachgerechten Verkehrskontrollen sollte stets eine höhere Verkehrssicherheit sein. Insbesondere vor dem Hintergrund des enormen Ressourceneinsatzes sowie der Tatsache, dass landesweit dafür Tausende Polizisten regelmäßig weit wichtigeren Arbeiten bei der Kriminalitätsbekämpfung in dieser Zeit nicht nachgehen können, ist stets eine transparente Evaluation sowie eine umfängliche Information des Parlamentes über die Nachhaltigkeit und den objektiven Nutzen dieser Vorgehensweise dringend geboten. Um denkbaren Missverständnissen vorzubeugen: Wer andere Verkehrsteilnehmer durch überhöhte Geschwindigkeit und rücksichtslose Fahrweise gefährdet, gehört dafür bestraft. Gerade unangekündigte Aktionen dürften aber erkennbar besser geeignet sein, um diese eher kleine Anzahl an „schwarzen Schafen“ unter den Fahrern in der großen Allgemeinheit verantwortungsvoll handelnder Verkehrsteilnehmer zu identifizieren. Vorbemerkung der Landesregierung Zu den Grundlagen und bisherigen Ergebnissen des Einsatzkonzeptes des „24-StundenBlitz -Marathons“ verweise ich auf meine Antworten zu den fast gleichlautenden Kleinen Anfragen 2263 (LT-Drs 16/5689) und 2695 (LT-Drs 16/6829) des Fragestellers. Der 3. bundesweite „24-Stunden-Blitz-Marathon“ fand auf Beschluss der Innenministerkonferenz am 16.04.2015 von 6:00 Uhr bis 24:00 Uhr statt. Der ursprünglich auf 24 Stunden angesetzte Einsatz wurde anlässlich der Trauerfeier zum Gedenken der Opfer des Germanwings -Flugs 4U9525 im Einvernehmen mit allen Ländern um sechs Stunden verkürzt. Wieder beteiligten sich die Länder bundesweit, in Bayern wurde der Einsatz bereits zum dritten Mal über den Zeitraum von einer Woche durchgeführt. Zeitgleich fand der Blitz-Marathon nicht nur in Deutschland, sondern in insgesamt 22 europäischen Staaten statt. Dies verdeutlicht , dass das Einsatzkonzept unvermindert national wie international hohe Anerkennung findet. Ausweislich der Vorbemerkungen des Fragestellers bewertet dieser den Erfolg des Einsatzkonzeptes des „24-Stunden-Blitz-Marathons“ ausschließlich an Hand der Anzahl repressiver Maßnahmen. Eine solche Betrachtung berücksichtigt nicht die vorrangig präventive Zielrichtung des Einsatzkonzeptes und darüber hinaus der gesamten polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit in Nordrhein-Westfalen. Der Verfasser der Kleinen Anfrage stellt fest, dass „unangekündigte“ Geschwindigkeitsmessungen „besser geeignet sein dürften“. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen jedoch, dass die Verkehrssicherheit am wirksamsten mit einer Kombination aus mehr Kontrollen, gezielter Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz verbessert werden kann. Zielrichtung der Fachstrategie Verkehrsunfallbekämpfung des Landes Nordrhein-Westfalen ist es daher, dass Verkehrsteilnehmer ihr Verhalten reflektieren und entsprechend ändern. Mit dem Einsatzkonzept des „24-Stunden-Blitz-Marathons“ und der überwiegend positiven Medienberichterstattung gelingt es viel mehr Menschen zu erreichen, als es mit ausschließlich repressiven und verdeckten Maßnahmen möglich wäre. Der Schutz der Menschen hat für die Landeregierung oberste Priorität. Innere Sicherheit ist nicht teilbar. Neben den Herausforderungen der Inneren Sicherheit wie dem internationalen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8739 3 Terrorismus oder der Kriminalitätsentwicklung wird dem Bereich der Verkehrssicherheit unverändert eine sehr hohe Priorität eingeräumt. Die „24-Stunden-Blitz-Marathon“ Einsätze sind keine Zusatzaufgaben. Im Gegenteil wirken sich diese nicht nur am Einsatztag positiv aus, sondern unterstützen u. a. durch ihre mediale Resonanz auch die vorhergehende und nachfolgende tägliche Kontrollarbeit der Behörden. Der weit überwiegende Teil der eingesetzten Beamtinnen und Beamten ist auch außerhalb dieser Einsätze mit Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beauftragt. Sie werden daher auch nicht, wie der Fragesteller unterstellt, „aus weit wichtigeren Aufgaben wie der Kriminalitätsbekämpfung herausgerissen“. Die Fachstrategie Verkehrsunfallbekämpfung fußt auf wissenschaftlichen Grundlagen und Erkenntnissen, sie wird laufend evaluiert und angepasst. Dies gilt auch für das Einsatzkonzept des „24-Stunden-Blitz-Marathons“ als Teil dieser Fachstrategie. Der aktuelle Einsatz wird durch die RWTH Aachen wissenschaftlich begleitet und untersucht. Insoweit wird das bereits mehrfach unterbreitete Angebot an die Landtagsfraktionen, alle offenen Fragen rund um das Einsatzkonzept des „24-Stunden-Blitz-Marathons“ mit Vertretern des Ministeriums für Inneres und Kommunales unmittelbar zu erörtern, erneuert. 1. Wie viele Polizeidienstkräfte sind im Rahmen des achten Blitzmarathons am 16. April 2015 auf dem Gebiet des Kreises Recklinghausen mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung betraut gewesen? (differenzierte Aufschlüsselung erbeten) Mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Einsatzes waren bei der Kreispolizeibehörde Recklinghausen insgesamt 66 Polizeivollzugsbeamte betraut. Differenzierte Aufschlüsselung:  Vorbereitung : 1 Polizeivollzugsbeamte  Durchführung: 64 Polizeivollzugsbeamte  Nachbereitung: 1 Polizeivollzugsbeamte 2. Wie hoch ist die Anzahl der Dienststunden jeweils gewesen, die hierfür im Rah- men des achten Blitzmarathons auf dem Gebiet des Kreises Recklinghausen für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung aufgewendet worden sind? (detaillierte Aufschlüsselung erbeten) Von der Kreispolizeibehörde Recklinghausen wurden hierfür insgesamt 502 Stunden aufgewendet . Differenzierte Aufschlüsselung:  für die Vorbereitung nicht erfasst  für die Durchführung 502  für die Nachbereitung nicht erfasst LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8739 4 3. Welche Anzahl von Verkehrsverstößen, differenziert nach Schwerekategorien, hat der achte Blitzmarathon auf dem Gebiet des Kreises Recklinghausen in absoluten Zahlen und nach prozentualem Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen offenbart ? Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Höhe des Gesamtverkehrsaufkommens im Kreis Recklinghausen vor. Als Gesamtverkehrsaufkommen wurde daher die Anzahl der kontrollierten Fahrzeuge zugrunde gelegt. Wie bereits bei der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2695 (LT-Drs. 16/6829) erläutert, ist eine Erfassung nach Schwerekategorien in den statistischen Auswertemodulen nicht vorgesehen. Es erfolgt daher auch weiterhin die Darstellung nach Maßnahmen zur Bekämpfung der Hauptunfallursachen. Zeitraum 16.04.2015 Anteil an kontrollierten Fahrzeugen Anzahl kontrollierter Fahrzeuge 9.851 Geschwindigkeitsverstöße 357 3,62 % Gurtverstöße 4 0,04 % Alkoholverstöße 0 0,00 % Anzahl festgestellter Fahrten unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln 0 0,00 % „Handyverstöße“ 5 0,05 % Sonstige Verstöße 9 0,09 % Gesamt 375 3,81 % Die Prozentwerte wurden auf zwei Nachkommastellen gerundet. 4. Namentlich welche sogenannten Wutpunkte haben Recklinghausener Bürger, bitte unter Nennung der Gesamtzahl beteiligter Bürger, für den achten Blitzmarathon gemeldet? Beim achten Blitzmarathon wurden die Bürgerinnen und Bürger nicht aufgefordert „Wutpunkte “ zu benennen. 5. Zu welchen anderen polizeilichen Arbeitsschwerpunkten ruft das Polizeipräsi- dium für das Gebiet des Kreises Recklinghausen bislang und zukünftig im Rahmen einer mit dem Blitzmarathon vergleichbaren konzertierten Schwerpunktaktion regelmäßig zur Benennung von „Wutpunkten“ auf, die dann zeitnah besondere polizeiliche Maßnahmen erfahren? Durch die Kreispolizeibehörde Recklinghausen wird zu keinen anderen Schwerpunktaktionen zur Benennung von „Wutpunkten“ aufgerufen. Dies ist auch zukünftig nicht geplant.