LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8742 21.05.2015 Datum des Originals: 21.05.2015/Ausgegeben: 27.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3315 vom 16. April 2015 des Abgeordneten Nicolaus Kern PIRATEN Drucksache 16/8412 Lässt sich die nordrhein-westfälische Landesregierung (weiterhin) von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beraten, die in den „Luxemburg Leaks“-Skandal und somit in die ruinösen Steuervermeidungspraktiken von Konzernen verwickelt sind? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3315 mit Schreiben vom 21. Mai 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ein internationaler Verbund investigativer Journalisten hat Anfang November 2014 aufgedeckt , dass Unternehmen, darunter auch deutsche und solche aus NRW, mit der Unterstützung Luxemburgs Steuerzahlungen in Milliardenhöhe umgehen. Die Auswertung von fast 28.000 Seiten bislang geheimer Unterlagen, die sogenannten „Luxemburg Leaks“, zeigen, wie die Steuerbehörden des Großherzogtums in Zusammenarbeit mit einem global agierenden Wirtschaftsprüfungsunternehmen äußerst komplizierte Finanzmodelle entwickelt haben, mit denen es Konzernen möglich ist, teils weniger als ein Prozent Steuern auf Gewinne zu zahlen. Zentraler Bestandteil der Modelle sind maßgeschneiderte Steuerbescheide für Unternehmen , sogenannte „Tax Rulings“. Trotz der öffentlichen Ankündigung seitens der EU-Kommission, Steuerspartricks von Konzernen unterbinden zu wollen, wurde bisher kaum etwas unternommen. So teilte das Bundesfinanzministerium in seiner Antwort (Drs. 18/4517) auf eine Kleine Anfrage jüngst mit, dass gegen die Praxis der Tax Rulings, mit deren Hilfe Konzerne ihre Gewinne zwischen EU-Ländern verteilen und damit enorm mindern konnten, nicht vorgegangen werde. Die Arbeit der eigentlich zuständigen EU-Ministerrats-Arbeitsgruppe „Verhaltenskodex für Unternehmensbesteuerung “ habe diesbezüglich noch keine Ergebnisse gebracht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8742 2 Erst Anfang 2016 will die EU-Kommission neue Regeln für Tax Rulings vorstellen. Vorbemerkung der Landesregierung Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat auch in der Diskussion um die „Luxemburg Leaks“ immer unmissverständlich klar gemacht, dass sie nicht nur gegen Steuerbetrug kämpft, sondern sich auch dafür einsetzt, dass die sogenannten legalen Steuerschlupflöcher geschlossen werden. Auf Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung wurden unter anderem bereits Schlupflöcher im Erbschaftsteuerrecht geschlossen („Cash-GmbHs“). Insbesondere auf Druck der nordrhein-westfälischen Landesregierung hat die Bundesregierung nun einen Gesetzentwurf vorlegt, der systemwidrige Gestaltungen im Umwandlungssteuerrecht (Porsche-Deal) verhindert. In der nächsten Sitzung des Bundesrates werde ich zudem die Bunderegierung an ihre Zusage in ihrer Protokollerklärung zur Umsetzung des BEPS-Projekts der OECD erinnern, damit zukünftig die so genannten hybriden Gestaltungen mit doppelter Nichtbesteuerung in Zukunft verhindert und der Doppelabzug von Betriebsausgaben in mehreren Ländern (sog. „weiße Einkünfte“) ausdrücklich verboten werden. 1. In welcher Form lies bzw. lässt sich die nordrhein-westfälische Landesregierung von Wirtschaftsprüfungsunternehmen (beispielsweise PwC) beraten? Bitte für die letzten zehn Jahre nach Art des Mandats (Beratungsgegenstand), Umfang (Manntage & Entgelte) und Zeitrahmen aufschlüsseln. Eine Erhebung der Daten ist in der für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die geforderten Daten sind elektronisch nicht verfügbar. Eine manuelle Prüfung bzw. Auswertung sämtlicher diesbezüglicher Vergabevorfälle über einen Zeitraum von 10 Jahren ist daher in der Kürze der Zeit nicht möglich. 2. Wie beurteilt die Landesregierung den durch die „Luxemburg Leaks“ erneut auf- gekommene öffentliche Kritik, wonach Wirtschaftsprüfungsunternehmen einem grundsätzlichen Interessenkonflikt unterliegen, wenn sie die Landesregierung (insbesondere in Steuerfragen) beraten und gleichzeitig Beratungsmandate für privatwirtschaftliche Unternehmen (insbesondere mit dem Ziel der Steuervermeidung ) wahrnehmen? Gegenstand des Berufsbildes von Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften ist es, ihren Mandanten (Unternehmen, Privatpersonen, öffentliche Institutionen) unabhängige und professionelle Beratungsdienstleistungen zu vielfältigen Fragestellungen, unter anderem Steuerberatung im nationalen und grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr anzubieten. Zur umfassenden fachlich-inhaltlichen Beratung über zweckmäßige und zielführende Wege sind (Steuer-)Berater durch Gesetz und Rechtsprechung verpflichtet. Beratung und Unterstützung müssen dabei im Einklang mit den jeweils geltenden nationalen, europäischen und internationalen (Steuer-)Gesetzen stehen. Dabei unterliegen sie - insbesondere in steuerlichen Fragen - Verschwiegenheits- und anderen Treuepflichten ihren jeweiligen Auftraggebern gegenüber. Die Landesregierung hat daher keine Kenntnisse über Art und Umfang anderer Beratungsmandate seiner Auftragnehmer. Außerdem verpflichtet die Landesverwaltung bei der Vergabe von Beratungsaufträgen die Auftragnehmer dazu, die Informationen, LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8742 3 die die Beratungsgesellschaft im Rahmen der Auftragserfüllung erhält, nicht an Dritte weiter zu geben (sog. „chinese walls“). 3. Inwiefern hat die Landesregierung eine eigene Evaluierung der „Luxemburg Leaks“-Veröffentlichungen vorgenommen? Ggf. die eigenen Ergebnisse anfügen . Das Datenmaterial ist durch die Steuerverwaltung des Landes im Rahmen einer vom Bundeszentralamt für Steuern geleiteten Bund-Länder-Arbeitsgruppe ausgewertet worden. Da es sich im Wesentlichen um Großunternehmen handelt, konnte das in vielen Fällen im Rahmen laufender Betriebsprüfungen erfolgen. Die Prüfung der vorhandenen Daten ist noch nicht in allen Fällen abgeschlossen. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen handelt es sich in den meisten Fällen um Finanzierungsleistungen , bei denen Darlehen von luxemburgischen an inländische Gesellschaften vergeben wurden. Die bisherigen Auswertungen zeigen steuerliche Gestaltungen im Rahmen gesetzlicher Möglichkeiten, welche durch die Betriebsprüfung grundsätzlich anzuerkennen, jedoch der Höhe nach auf die fremdvergleichskonforme Ausgestaltung hin zu überprüfen sind. Eine entsprechende Überprüfung war und ist regelmäßig Prüfungsschwerpunkt bei grenzüberschreitenden konzerninternen Finanzierungen. 4. Hat die Landesregierung in Folge der „Luxemburg Leaks“-Veröffentlichungen die eigene Praxis bezüglich der Beratungsmandatsvergabe an Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in irgendeiner Form geändert? Die Landesregierung entscheidet über die Vergabe der Beratungsmandate unter Berücksichtigung aller aktuell vorliegenden Erkenntnisse in jedem Einzelfall neu. Sollte die Landesregierung Kenntnis davon erlangen, dass ein Vertragspartner unrechtmäßig gehandelt hat, wird sie daraus ihre Konsequenzen ziehen.