LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8764 26.05.2015 Datum des Originals: 22.05.2015/Ausgegeben: 29.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3358 vom 22. April 2015 des Abgeordneten Jens Kamieth CDU Drucksache 16/8508 Wie lange will die Landesregierung Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare mit der Nachzahlung von Anwärterbezügen noch hinhalten? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 3358 mit Schreiben vom 22. Mai 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 27. Oktober 2014 stellte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen fest, dass Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare auf der Grundlage des Bundesund nicht des Landesbeamtengesetzes zu besolden sind (Az. 3 A 1217/14). Weil das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) den Betroffenen seit 2006 nur 85 Prozent des niedrigeren nordrhein-westfälischen Anwärtergrundbetrages ausgezahlt hatte, ist das Land Nordrhein-Westfalen demnach zu einer rückwirkenden Nachzahlung der Differenzbeträge verpflichtet. Wie Legal Tribune Online am 06.02.2015 berichtete, soll das LBV den betroffenen Referendarinnen und Referendaren Anfang Februar 2015 gleichwohl mitgeteilt haben, dass eine entsprechende Nachzahlung zwar vorbereitet werde, allerdings maximal für den Zeitraum ab 2011 geleistet würde, weil die Ansprüche einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen würden . Dabei übersieht das LBV offenbar, dass der Verjährungsbeginn gemäß § 199 BGB Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis über die den Anspruch begründenden Umstände voraussetzt. In den Jahren 2011, 2012 und 2013 gab es aber noch keine gerichtlichen Entscheidungen , die den Anspruch der Referendarinnen und Referendare auf Nachzahlung bestätigt hätten. Das LBV ging in diesen Jahren sogar selbst davon aus, dass ein solcher Anspruch nicht besteht. Eine abschließende Klärung der Rechtslage kam erst mit der o.g. Entscheidung OVG Ende 2014 zustande. Es stellt sich daher die Frage, wie das LBV die Annahme begründet, dass Ansprüche vor 2011 bereits verjährt seien. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8764 2 Darüber hinaus befinden sich viele Referendarinnen und Referendare, die nun Nachzahlungen erhalten, mittlerweile im Berufsleben und unterliegen somit einem deutlich höheren Steuersatz, als dies zu Zeiten ihres Referendariats der Fall war. Insoweit taucht die Frage auf, ob das LBV die Referendare hierfür entsprechend zu kompensieren gedenkt (also so zu stellen, dass ihre Nettoeinnahmen dem entsprechen, was sie bei ordentlicher Zahlung der Unterhaltsbeihilfe bereits während des Referendariats erhalten hätten). 1. Wie begründet die Landesregierung die Annahme, dass Ansprüche auf Nachzah- lung von Anwärterbezügen für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare für die Jahre vor 2011 bereits verjährt seien? Das OVG NRW hat in seinem Urteil vom 27.10.2014 ausgeführt, dass der Nachzahlungsanspruch den allgemeinen Verjährungsregelungen und damit der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegt. Das LBV NRW leistet Nachzahlungen daher nur im Rahmen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB. Das heißt beispielsweise bei Antragstellung in 2013 auch noch ab dem 01.01.2010. Bei Antragstellung im Jahr 2014 jedoch frühestens ab dem 01.01.2011. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt nicht erst mit Ablauf des Jahres 2014 sondern mit dem Ende des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind. Der Verjährungsbeginn gem. § 199 BGB setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Die geforderte Kenntnis des Gläubigers ist vorhanden, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen den Schuldner eine Klage erheben kann, die bei verständiger Würdigung in einem Maße Erfolgsaussichten hat, dass sie zumutbar ist. Zumutbar ist eine Klageerhebung, sobald sie erfolgversprechend , wenn auch nicht risikolos möglich ist. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, welche die Zumutbarkeit einer Klageerhebung entfallen lässt. Das gilt insbesondere, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht. Es lag aber noch keine einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung vor, die eine Klageerhebung wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussichten unzumutbar gemacht hätte. In 2014 ergingen einander widersprechende erstinstanzliche Urteile zu der Bezugsgröße für die Unterhaltsbeihilfen (vgl. VG Köln vom 22.01.2014 und VG Minden vom 08.05.2014). Für eventuelle Kläger bestand somit lediglich ein allgemeines - stets vorhandenes - Risiko eines Prozessverlustes, so dass kein Grund im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht, den Verjährungsbeginn ausnahmsweise auf den Ablauf des Jahres 2014 hinauszuschieben . 2. Mutet die Landesregierung den Referendarinnen und Referendaren insoweit ein höheres Maß an Rechtskenntnis zu, als offenbar in Ihrer eigenen Behörde bestand ? Nein. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8764 3 3. Beabsichtigt die Landesregierung, die Referendare, die sich mittlerweile im Berufsleben befinden und somit einem deutlich höheren Steuersatz unterliegen, als dies zu Zeiten ihres Referendariats der Fall war, hierfür entsprechend zu kompensieren (also so zu stellen, dass ihre Nettoeinnahmen dem entsprechen, was sie bei ordentlicher Zahlung der Unterhaltsbeihilfe bereits während des Referendariats erhalten hätten)? 4. Falls Frage 3 verneint wird: Wie begründet die Landesregierung die Ansicht, hierzu nicht verpflichtet zu sein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Gelder jedenfalls teilweise wiederum dem Land als Träger des LBV in Form von Steuereinnahmen zufließen? Die Besoldung kann nur nach Gesetz, nicht nach individuellen Steuermerkmalen erfolgen. Es gilt der Grundsatz der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Sofern Nachzahlungen für mehr als 12 Monate erfolgen, sieht der Gesetzgeber mit § 34 Absatz 2 Nr. 4 EStG, wonach ermäßigt zu besteuern ist, bereits eine Regelung für solche Fälle vor. Für eine darüber hinausgehende Kompensation gibt es keine Rechtsgrundlage. Ohne Rechtsgrundlage darf die Landesregierung keine Kompensation auszahlen. 5. Würde die Landesregierung es im Hinblick auf die Fragen 1 und 2 ggfs. auch auf eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung mit den betroffenen Referendarinnen und Referendaren ankommen lassen? Ja.