LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8765 26.05.2015 Datum des Originals: 22.05.2015/Ausgegeben: 29.05.2015 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3360 vom 22. April 2015 des Abgeordnet Dr. Joachim Stamp FDP Drucksache 16/8514 Bonner Rat der Muslime, BIG-Partei und Bonner Dschihadisten Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 3360 mit Schreiben vom 22. Mai 2015 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 21.04.2015 hat die Nachrichtenagentur dpa berichtet, dass zahlreiche Teilnehmer der salafistischen Ausschreitungen 2012 in Bonn und Solingen später in den Dschihad nach Syrien und in den Irak gezogen sind. Das Innenministerium habe entsprechende Erkenntnisse über 34 Personen, von denen acht bereits aus dem Bürgerkrieg nach Deutschland zurückgekehrt sind. Zur Demonstration gegen die Mohammed-Karikaturen 2012 in Bonn hatte seinerzeit auch der Rat der Muslime in Bonn aufgerufen, dessen politischer Arm die im Bonner Stadtrat vertretene BIG-Partei ist. Ein Mitglied der Partei BIG war einer der Hauptredner der Bonner Gegendemonstration . Ebenfalls 2012 hat der Rat der Muslime in Bonn drei polizeibekannte Extremisten für die Seelsorge muslimischer Gefangener in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach vorgeschlagen. 2013 wählten sie K. L. zum Vorsitzenden, der Benefizveranstaltungen für den Verein „Helfen in Not“ organisierte und im Internet offen islamistische Propaganda verbreitete. „Helfen in Not“ steht im Verdacht, islamistische Dschihadisten anzuwerben und zu finanzieren. Weder der Rat der Muslime noch die BIG-Partei haben sich glaubwürdig von K. L. distanziert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8765 2 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Verbindungen des Bonner Rats der Muslime zu salafistischen Organisationen bzw. Einzelpersonen vor? Der Bonner Rat der Muslime ist kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Nordrhein -Westfalen. In der Vergangenheit hat es einen Fall gegeben, in dem ein Angehöriger des Rates der Muslime in Bonn gleichzeitig in der salafistischen Szene aktiv war. Diese Person ist aktuell nicht mehr Mitglied im Rat der Muslime. Anlässlich der Pro-NRW Veranstaltung am 05.05.2012 in Bonn hatte der Rat der Muslime eine Gegendemonstration angemeldet. Im Rahmen dieser Gegendemonstration kam es zu schweren Ausschreitungen durch salafistisch motivierte Personen. Eine unmittelbare Verantwortung des Rates der Muslime für die gewalttätigen Ausschreitungen konnte nicht festgestellt werden. 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Verbindungen der Partei BIG zu salafistischen Organisationen bzw. Einzelpersonen vor? Die Partei BIG ist kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen. Zu organisatorischen Verbindungen der Partei BIG in die salafistische Szene liegen hier keine Erkenntnisse vor. Dies schließt persönliche Kennverhältnisse zwischen Mitgliedern der Partei BIG und erkannten salafistischen Extremisten nicht aus. 3. Wie viele Rückkehrer aus dem Dschihad haben derzeit ihren Lebensmittelpunkt in Bonn? Den Sicherheitsbehörden sind 13 Personen aus dem Staatsschutzbereich Bonn bekannt, die seit dem Jahr 2012 aus den Kriesengebieten Syrien, Irak und Somalia nach Deutschland zurückgekehrt sind. 4. Welche Maßnahmen der Überwachung oder Strafverfolgung wurden gegen die- se Personen eingeleitet? Bei Rückkehrern wird in jedem Einzelfall geprüft, ob ein Anfangsverdacht für die Einleitung eines Strafverfahrens vorliegt und ob von der Person eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Die sicherheitsbehördlichen Maßnahmen werden zwischen den auf Bundesund Landesebene beteiligten Sicherheitsbehörden abgestimmt. Erkannte Rückkehrer werden im Bereich des Verfassungsschutzes NRW von einer eigens dazu eingerichteten Organisationseinheit bearbeitet. Grundlage der operativen Bearbeitung im Verfassungsschutzverbund sind abgestimmte Checklisten zum Umgang mit diesem Personenkreis . Für den Bereich der Polizei wird geprüft, ob Rückkehrer als sogenannte „Gefährder “ einzustufen und mit vorbereiteten Standardmaßnahmen zu belegen sind. Zu den jeweils durchgeführten Maßnahmen zählen nach Maßgabe des einzelnen Sachverhaltes insbesondere Befragungen, Verbleibs-Kontrollen, offen und verdeckt durchgeführte Ermittlungen, die Einbindung anderer Sicherheitsbehörden, z.B. des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Rahmen des Gemeinsamen Terrorabwehr- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8765 3 zentrums (GTAZ), aber auch Observationen und ggf. Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung . Die nordrhein-westfälischen Strafverfolgungsbehörden prüfen grund-sätzlich in jedem Einzelfall , ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen so genannte Rückkehrer wegen ihres Aufenthalts in Krisengebieten wie Syrien oder dem Irak vorliegen. Bejahendenfalls veranlassen sie die zur Sachverhaltsaufklärung erforderlichen zulässigen Ermittlungsschritte. 5. Welche Erkenntnisse liegen bzgl. der sich noch im Bürgerkriegsgebiet befindli- chen Dschihadisten aus Bonn vor? Polizei und Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen sammeln die Informationen zu in die Krisengebiete Syrien, Irak und Somalia ausgereisten Jihadisten und werten sie für ihre Aufgaben aus. Informationen anderer Nachrichtendienste sind oftmals nicht gerichtsverwertbar oder stehen unter einem vom Nachrichtengeber erklärten Weitergabevorbehalt. Ergeben sich zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten, leiten die zuständigen Staatsanwaltschaften vorbehaltlich der Verfahrensübernahme durch den Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren ein. Vor diesem Hintergrund kann zu Einzelfällen keine Aussage getroffen werden.