LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/8794 28.05.2015 Datum des Originals: 27.05.2015/Ausgegeben: 03.06.2015 (02.06.2015) Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Neudruck Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3341 vom 21. April 2015 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/8489 Wie wird die Landesregierung mit den im Rahmen von „Pilotierungsmaßnahmen“ ermittelten Zeitwerten umgehen? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 3341 mit Schreiben vom 27. Mai 2015 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage SPD und Grüne haben die Einsetzung einer Kommission zur Lehrerarbeitszeit abgelehnt, obwohl eine solche Ankündigung sich sogar in einem ihrer Koalitionsverträge finden lässt. Dennoch bleiben selbstverständlich Fragen der Lehrerarbeitszeit virulent, auch wenn RotGrün diese Thematik offenkundig aussitzen will. So hat z.B. das Oberverwaltungsgericht Münster 2005 entschieden, dass die von Lehrkräften außerhalb der eigentlichen Unterrichtsverpflichtung zu bewältigenden unabweisbaren Tätigkeiten (Unterrichtsvor- und - nachbereitung, Elternbesprechungen, Korrekturen, Konferenzen etc.) „nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt werden“. Demnach sei nur „eine grob pauschalierende Schätzung“ möglich, die der Dienstherr, also das Land, unter Bezugnahme auf Pflichtstundenregelung, Wochenarbeitszeit und jährliche Gesamtarbeitszeit konkretisiere. Allerdings weigert sich das Land bisher, den Zeitaufwand tatsächlich zu „dimensionieren“, der für die Bewältigung der außerunterrichtlichen Tätigkeiten von Lehrkräften erforderlich ist. Interessanterweise hat das Land im Frühjahr und Herbst 2013 dem Vernehmen nach sogenannte „Pilotierungsmaßnahmen“ in den Fächern Englisch, Französisch und Spanisch im Zusammenhang mit der Bewertung von „echten“ Abiturklausuren in Aachen, Kleve, Minden, Siegen und Rheine durchgeführt. Diese Maßnahmen sollten demnach der Verbesserung der Korrekturarbeit in den Fremdsprachen dienen. Hierbei wurden Fachlehrkräfte vom Ministerium für Schule und Weiterbildung – auf freiwilliger Basis – zu Dienstbesprechungen an die genannten Orte eingeladen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8794 2 Während der von Fachdezernenten geleiteten Sitzungen hatten die Lehrkräfte demnach individuell die Korrektur und Bewertung einer Abitur-Grundkursklausur in ihrem jeweiligen Fach durchzuführen. Dies geschah am Beispiel jeweils identischer und „echter“ Schülerklausuren im Bereich „Darstellungsleistung/sprachliche Leistung“. Hierbei gelang es laut Rückmeldungen nahezu keiner der teilnehmenden Lehrkräfte, die abverlangte Korrekturleistung in weniger als 60 Minuten zu erbringen. Anschließend wurde den Lehrkräften demnach eine vom MSW erstellte Musterkorrektur ausgehändigt. Interessanterweise wurde demnach darüber hinaus – implizit – mitgeteilt, dass die jeweils erbrachte Korrekturleistung sorgfältig genug gewesen sei und die vorgenommenen Bewertungen „in der Bandbreite“ der Erwartungen des MSW gelegen hätten. Im Laufe der Dienstbesprechung wurden die Dezernenten von Lehrkräften darauf angesprochen , dass die im Rahmen dieser „Pilotierungsmaßnahme“ erkennbaren Zeitwerte (Dauer der Durchführung von Korrekturen der Abiturklausuren) sich auch zur Ermittlung von allgemein gültigen Zeitwerten für die Anfertigung von Korrekturen eignen würden. Auf der Basis dieser „Pilotierungsmaßnahme“ könnten nach Einschätzung der Lehrkräfte die vom Land, also dem Dienstherrn, selbst ermittelten Zeitwerte über die Dauer der Durchführung von Grundkurskorrekturen in den Fächern Englisch, Französisch und Spanisch verbindliche Aussagen über die zeitliche Inanspruchnahme von Lehrkräften bei der Bewältigung der wichtigsten außerunterrichtlichen Tätigkeit gemacht werden. Die Fachdezernenten lehnten demnach jedoch Aussagen hierzu ab. Interessanterweise wiesen Dezernenten dem Vernehmen nach darauf hin, dass es ihnen untersagt sei, Aussagen über die für die Durchführung von Klausuren zu veranschlagenden Zeitwerte zu machen – zumal ähnliche Verbote auch in anderen Fällen bekannt sind. 1. Wird die Landesregierung die während der „Pilotierungsmaßnahmen“ im Jahre 2013 gewonnenen Erkenntnisse dazu nutzen, um eine „grob pauschalierende Schätzung“ der Zeitwerte vorzunehmen, die für die Korrektur von Abiturklausuren und Klassenarbeiten durch Fachlehrkräfte mindestens zu veranschlagen sind? Bei den „Pilotierungsmaßnahmen“, auf die sich die Anfrage bezieht, handelte es sich um fachliche Qualitätssicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Zentralabitur in den Fächern Englisch, Französisch und Spanisch. Konkret ging es bei dieser Maßnahme um die Erprobung von Korrekturbögen für Lehrerinnen und Lehrer, die für das Abitur weiterentwickelt wurden. Durch diese praktische Erprobung sollte sichergestellt werden, dass die Lehrerinnen und Lehrer mit den modifizierten Bewertungsbögen fachlich zurechtkommen. Die Erfassung von Korrekturzeit war nicht intendiert und wurde auch nicht vorgenommen. 2. Wird die Landesregierung auch für Lehrkräfte anderer Fächer bis Ende 2016 auf freiwilliger Basis „Pilotierungsmaßnahmen“ anbieten, um empirische Daten über die Zeitwerte zu gewinnen, die „grob pauschalierend“ für die Korrektur von Klausuren und Klassenarbeiten zu veranschlagen sind? Maßnahmen der oben angesprochenen Art sind eine Methode der fachlichen Qualitätssicherung im Bereich des Zentralabiturs. Zurzeit sind keine weiteren Maßnahmen dieser Art geplant . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/8794 3 3. Warum untersagt die Schuladministration den Fachdezernenten, gegenüber Lehrkräften Aussagen über die Zeitwerte zu machen, die sie selber für die Korrektur von Klausuren und Klassenarbeiten in den unterschiedlichen Jahrgangsstufen für nicht unterschreitbar halten? Ein derartiges Verbot ist der Landesregierung nicht bekannt. Unabhängig davon sind normierende Aussagen zur Korrektur von Klausuren nicht möglich, da die individuellen Leistungen der Schülerinnen und Schüler sehr unterschiedlich hohen Korrekturaufwand nach sich ziehen , die möglichen Aufgabenformate unterschiedlich aufwändig zu korrigieren sind und schließlich auch individuell unterschiedliche Arbeitsweisen und Berufserfahrungen der Lehrerinnen und Lehrer zu berücksichtigen sind. 4. Wann wird die Landesregierung zu in Zukunft neu auferlegten, unabweisbaren außerunterrichtlichen Tätigkeiten eine „grob pauschalierende Schätzung“ der jeweils zu veranschlagenden Zeitwerte veröffentlichen? Eine derartige Schätzung ist nicht vorgesehen. 5. Anhand welcher Kriterien entscheidet das Land bei seiner Einschätzung des sei- nen Lehrkräften abverlangten außerunterrichtlichen Arbeitsaufwandes, ob die Einschätzung „offensichtlich fehlsam“ oder „willkürlich“ ist (siehe Urteil des OVG NRW von 2005; AZ 6A 4527/02)? Die Bemessung der Lehrerarbeitszeit erfolgt nach geltender Rechtslage in Form von Pflichtstunden . Sie ist eingebettet in die allgemeine beamtenrechtliche Arbeitszeitregelung. Die Pflichtstundenregelung trägt dem besonderen Umstand Rechnung, dass die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden , exakt messbar ist, während die zeitliche Inanspruchnahme durch außerunterrichtliche und allgemeine schulische Aufgaben nur pauschalierend geschätzt werden kann. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die für Lehrerinnen und Lehrer geltende durchschnittliche Wochenarbeitszeit durch die Pflichtstundenregelung konkretisiert. Die für die einzelnen Schulformen geltenden wöchentlichen Pflichtstunden können § 2 Absatz 1 der Verordnung zur Ausführung des § 93 Abs. 2 Schulgesetz entnommen werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die jeweils verlangte Arbeitsleistung nicht innerhalb dieses definierten Zeitrahmens erbracht werden kann. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner grob pauschalierenden Schätzung der Zeitwerte für einzelne Lehrertätigkeiten.